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"Ich muss das nicht machen"

Unabhängigkeit ist ihm wichtig - Johannes Vogel leitete von 2005 bis 2010 die Jungen Liberalen. Der 28-jährige Bundestagsabgeordnete ist seit 2009 arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Planbar ist für ihn das Leben als Politiker nicht.

Von Stefan Maas | 05.08.2010
    "Das ist jetzt der Krankenwagen … die anderen sind raus …"

    Johannes Vogel öffnet die Fahrertür des Wagens, wirft einen kurzen Blick ins Fahrerhaus und schließt die Tür wieder. Er ist damals während seines Zivildienstes noch auf einem älteren Modell gefahren, sagt er. Und lacht ein wenig verlegen. Damals, das klingt so als sei das schon ewig her. Dabei sind es gerade einmal etwas mehr als acht Jahre. Als er dann an der offenen Seitentür steht, in Jeans, hellblauem Hemd und grauen Turnschuhen, ist er wieder ganz Profi. Sein Blick wandert schnell über Liege und Schränke. Seine tägliche Ziviaufgabe war es, zu checken: Ist der Wagen einsatzbereit?

    "Das Wichtigste war immer dieser Koffer, das ist der Medikamentenkoffer. Der musste immer rausgezogen und kontrolliert werden. Ob irgendwas gefehlt hat. Weil vielleicht eine vorherige Schicht im Eifer des Gefechts vergessen hat, was aufzufüllen, was sie verwendet haben."

    Der 28-jährige FDP-Bundestagsabgeordnete sieht sich in der hohen, hellen Halle mit den weißen Wänden und den großen Toren um. Die Antwort auf die Frage, warum er die Feuer- und Rettungswache in Wermelskirchen als Treffpunkt ausgesucht hat, kommt ohne das geringste Zögern.

    "Das war für mich ein sehr, sehr prägendes Jahr. Also erstens bin ich sehr schnell erwachsen geworden in dem Jahr. Also, wenn man von der Schule kommt, ist man 19 Jahre alt, und wenn man plötzlich mit Tod und Lebensgefahr und Leben retten zu tun hat, da reift man sehr schnell."

    Er hat kurz mit dem Gedanken gespielt, Medizin zu studieren – und hat sich dann doch für Politik entschieden.

    "Für mich hängt das ein bisschen zusammen. Für mich hat Politik auch damit zu tun, das Leben der Menschen zu verbessern, sehr viel langfristiger, sehr viel globaler, sehr viel indirekter. Aber im Kern habe ich es immer so empfunden, ist es ein ähnlicher Antrieb."

    Als er diese Entscheidung fällt, ist er schon eine ganze Weile politisch aktiv. Bei den Julis, den Jungen Liberalen, als Ortsvorsitzender in Wermelskirchen. An seine erste politische Forderung erinnert er sich noch gut: Wermelskirchen braucht ein Jugendparlament. Gemeinsam mit den Jusos, deren Vorsitzender ein Freund von Johannes Vogel ist, macht der Nachwuchs damals Druck. Ein paar Jahre später gibt es das Parlament. Eine wichtige Erfahrung:

    "Was mich in der Politik gehalten hat, ehrenamtlich, ist, man muss ja immer wieder die Entscheidung treffen, ich will diese Zeit aufbringen, ehrenamtlich, sind die vielen kleinen Erfolgserlebnisse, im Sinne von: Hier hast du was bewegt."

    Johannes Vogel engagiert sich über Wermelskirchen hinaus. Arbeitet im Abgeordnetenbüro von Christian Lindner, dem heutigen FDP-Generalsekretär. Ab 2004 gehört er dem Bundesvorstand der Julis an, ein Jahr später wird er Bundesvorsitzender. Ein Ehrenamt, ein Vollzeitengagement. Weit mehr als eine 40-Stunden-Woche. Er mischt in der Bundespolitik mit, bringt – neu im Amt – auf dem FDP-Parteitag einen Antrag zur Abschaffung des großen Lauschangriffs ein. Letztes Jahr sprechen sich die Julis gegen den ermäßigten Mehrwertssteuersatz für Hoteliers aus, der dann doch beschlossen wird. Vogel engagiert sich mit den Julis für Bürgerrechte, fordert, das Parteiprogramm dürfe nicht nur auf wenige Punkte reduziert werden. Sein Augenmerk richtet er besonders auf eine liberale Sozialpolitik:

    "Und genauso ist es jetzt im Deutschen Bundestag. Wir haben vor, im Herbst eine Reform des Hartz IV-Systems, wo es für mich unter anderem darum geht, dass wir das System insofern fairer machen, dass wir Zuverdienste so ausgestalten sollten, dass es für die Menschen motivierend ist, sich Schritt für Schritt wieder ins Erwerbsleben vorzuarbeiten."

    An diesem Konzept hat Vogel federführend mitgeschrieben. Sein Antrieb sei ein ganzheitlicher Liberalismus. Gemeint ist die Frage, wie man die Gesellschaft für jeden Einzelnen so frei und menschlich wie möglich macht.

    Aber bringen Politiker in seinem Alter eigentlich genügend Erfahrung mit, um an solch weitreichenden Entscheidungen mitzuarbeiten? Nicht mal dreißigjährige Berufspolitiker, die nichts anderes kennen als die Parteiarbeit? Es entsteht eine kurze Pause. Vogel steckt die Finger in die Hosentaschen, zieht sie wieder heraus. Darüber hat er lange nachgedacht, sagt er. Deshalb sei ihm auch wichtig gewesen, zuerst einen guten Abschluss als Politologe zu machen:

    "Weil das Unabhängigkeit gibt. Unabhängigkeit, sagen zu können. Politik ist Verantwortung auf Zeit. Das ist jetzt ein sinnvoller Weg, meine Zeit zu verbringen. Ich engagiere mich gerne für die Dinge, von denen ich überzeugt bin. Und wenn die Wähler mir ihr Vertrauen schenken, mache ich das für eine Zeit halt auch hauptsächlich. Aber ich muss das nicht machen."

    Auch sein Amt als Vorsitzender der Jungen Liberalen hat er dieses Jahr abgegeben:

    "Ich finde, wenn man das gemacht hat, was man tun wollte, man tritt ja so einen Job an und hat gewisse Vorstellungen, wo man mit dem Verband hin will, und das erledigt hat, dann sollte man auch gehen."

    Spricht so die Politikergeneration der Zukunft? Oder wo will er hin? Wo sieht er sich in zehn Jahren?

    "Die Frage hasse ich, weil ich finde, dass man heutzutage als junger Mensch sein Leben so schlecht planen kann. Überall. In der Wirtschaft genauso wie erst recht in der Politik. Darum mache ich mir ernsthaft keine Gedanken. Ich habe mir vor zehn Jahren keine Gedanken gemacht, mit 18, wo bin ich mit 28. Sondern habe ich erstmal damit beschäftigt, wo will ich meinen Zivi machen. Und bin deshalb hier in den Rettungsdienst gegangen. Und genauso lasse ich es auf mich zukommen. In den letzten Jahren mache ich das, was mir sinnvoll erscheint. Und so würde ich das weiterhalten. Wohin mich das führt? Da bin ich ernsthaft ganz entspannt."