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"Ich werde einem dritten Griechenland-Paket nicht zustimmen"

In Deutschland wird über ein drittes Hilfspaket für Griechenland diskutiert. FDP-Politiker Frank Schäffler ist dagegen. Er plädiert dafür, Griechenland insolvent gehen zu lassen. Die EZB habe daran kein Interesse, denn sie "müsste bei einer Insolvenz Griechenlands erhebliche Milliardensummen abschreiben", sagt Schäffler.

Frank Schäffler im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.10.2012
    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Frank Schäffler, Abgeordneter der FDP, ein altbekannter Kritiker der Griechenland-Hilfen. Schönen guten Morgen!

    Frank Schäffler: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Schäffler, sind Sie auch schon eingeschwenkt auf den neuen Pro-Hilfspaket-Kurs?

    Schäffler: Nein, nein, da müssen Sie keine Angst haben. Ich habe ja schon im Februar gesagt, dass diese ganzen Zahlen, die damals vorgelegt wurden für das zweite Griechenland-Paket, dass die geschönt sind, und das zeigt sich jetzt auch. Es stimmt nichts und diese Zahlen sind sogar noch schlimmer geworden, als ich das befürchtet habe.

    Armbrüster: Was würden Sie denn sagen, wenn es jetzt ein weiteres Hilfspaket tatsächlich geben soll? Wäre das Wortbruch?

    Schäffler: Ja das wäre Wortbruch all derjenigen, die im Frühjahr noch gesagt haben, jetzt muss man die Daumenschrauben noch mehr anziehen und jetzt wird alles besser. Das ist deren Wortbruch. Und deshalb darf es ein drittes Paket jetzt nicht geben. Das nützt nichts. Aber ich befürchte, dass das, was die Troika jetzt vorlegen wird, schön geschrieben ist und an der wirklichen Wirklichkeit vorbei geht, weil die Troika halt auch nicht unabhängig ist, sondern sie ist selbst Täter. Die EZB müsste bei einer Insolvenz Griechenlands erhebliche Milliardensummen abschreiben, und deshalb hat sie gar kein Interesse daran, dass Griechenland jetzt insolvent geht.

    Armbrüster: Üben europäische Politiker Druck aus auf die Troika, dass die ein Ergebnis liefert, das stimmt?

    Schäffler: Ja natürlich, denn alle anderen Handelnden haben auch kein Interesse daran, dass jetzt das nicht weiterfließt. Der IWF guckt nach Amerika, da ist demnächst Wahl, wir haben in einem Jahr Wahl. Keiner hat ein Interesse daran, dass jetzt na ja, die Schulden, die zu 70 Prozent jetzt in öffentlicher Hand sind, abgeschrieben werden müssen. Aber das ist leider die Folge der falschen Politik, die wir in Sachen Griechenland seit nunmehr fast drei Jahren machen. Es wird eben nicht besser, sondern schlimmer. Griechenland hat letztes Jahr über neun Prozent Haushaltsdefizit gehabt, die Wirtschaft ist um sechs bis sieben Prozent geschrumpft, es gibt gar keine positive Tendenz, auch wenn das anderweitig gesagt wird, es wird eigentlich immer schlimmer und wir kommen immer stärker in diesen Schuldensumpf in der Haftung hinein, und das ist aus meiner Sicht keine Lösung.

    Armbrüster: Noch mal zurück zur Rolle der Troika. Diese Experten, die da unterwegs sind in Athen, um die echten Zahlen herauszufinden, sind die Marionetten der deutschen und der europäischen Politik?

    Schäffler: Sie sind Marionetten ihres eigenen Handelns, denn die Troika besteht ja aus dem IWF, aus der EZB und der Kommission und alle drei haben kein Interesse daran, dass die nächste Tranche nicht ausgezahlt wird. Wenn die Tranche nicht ausgezahlt würde, hätten sie ganz erhebliche Probleme mit den Anleihen, die sie selbst in ihren Beständen haben.

    Armbrüster: Mal angenommen, es soll jetzt tatsächlich ein weiteres Hilfspaket geben, was würden Sie im Bundestag tun?

    Schäffler: Ich werde einem dritten Griechenland-Paket nicht zustimmen und werde meine Kollegen daran erinnern, was sie im Februar bei dem zweiten Griechenland-Paket selbst noch öffentlich gesagt haben und ob das heute noch Gültigkeit hat. Und wenn es heute noch Gültigkeit hat, darf kein Abgeordneter im Deutschen Bundestag einem dritten Paket zustimmen.

    Armbrüster: Wissen Sie, wie viele Abgeordnete aus der Koalition mit Ihnen stimmen würden?

    Schäffler: Das weiß ich nicht. Die "Bild"-Zeitung berichtet heute, dass rund 25 Abgeordnete nicht zustimmen werden, aber ich kann diese Zahl nicht bestätigen.

    Armbrüster: Müssen Sie dann nicht langsam Kollegen mobilisieren?

    Schäffler: Das ist nicht meine Aufgabe, sondern ich versuche, als Abgeordneter meine Auffassung im Parlament zu vertreten. Ich hoffe, dass andere Kollegen das ähnlich sehen. Ich versuche, da keinen Druck auf Kollegen auszuüben, sondern ganz im Gegenteil. Die Kollegen müssen selbst entscheiden, wie sie mit dieser Frage umgehen. Ich hoffe aber natürlich, dass endlich auch dieser falsche Weg nicht weiter beschritten wird.

    Armbrüster: Aber wenn Sie tatsächlich so überzeugt davon sind, dass der derzeitig eingeschlagene Weg falsch ist, müssten Sie dann nicht etwas tun, um auch andere von dieser Sicht zu überzeugen, oder wollen Sie tatsächlich abwarten, bis es zur Abstimmung kommt, und dann stimmen halt ein paar aus der Koalition dagegen, aber das Paket geht trotzdem durch?

    Schäffler: Na ja, ich bin ja fortlaufend dabei, in der FDP, in der Bevölkerung, aber auch im Parlament Kollegen zu überzeugen. Ich habe einen Mitgliederentscheid in der FDP angestoßen. Also man kann mir nicht vorwerfen, ich hätte da nichts gemacht. Ich glaube, man muss eben mit Argumenten versuchen, die Kollegen zu überzeugen. Es nützt nichts, sie in Hinterzimmergesprächen versuchen umzudrehen. Das ist nicht meine Art der Politik.

    Armbrüster: Was würden Sie denn sagen, wenn die Bundesregierung das Ganze gar nicht zur Abstimmung im Bundestag freigibt, sondern einen Weg findet, so ein drittes Hilfspaket, so einen Milliardenbetrag auch ohne Votum des Parlaments durchzubringen?

    Schäffler: Das wird nicht gehen. Das hat ja das Verfassungsgericht relativ klar gesagt, dass das Haushaltsrecht beim Deutschen Bundestag liegt.

    Armbrüster: Na ja, man könnte zum Beispiel ein paar Zinszahlungen stunden, das ginge ja durchaus.

    Schäffler: Ja auch das. Stunden heißt ja letztendlich, dass wir keine Einnahmen daraus haben, und dann würde das am Ende natürlich bedeuten, dass das auch haushaltswirksam wäre. Also ganz klar ist, dass jedes Hilfspaket, auch jede Veränderung am Hilfspaket durch den Deutschen Bundestag muss, und da ist natürlich auch die Opposition gefragt, dass sie ihre Wächterfunktion als Opposition wahrnimmt und nicht aus Wahlkampftaktik heraus das einfach durchwinkt.

    Armbrüster: Haben Sie ein Problem damit, dass die schwarz-gelbe Koalition so überzeugt davon ist, von diesem Projekt?

    Schäffler: Ja so überzeugt ist sie ja nicht, sondern es gibt ja in der Koalitionsfraktion die stärksten Widerstände gegen diese Pakete. Viel stärker als das in den Oppositionsfraktionen der Fall ist. Und insofern, glaube ich, ist die eigentliche Opposition, was diese ganze Rettungspolitik betrifft, in den Regierungsfraktionen zu suchen.

    Armbrüster: Herr Schäffler, was ist eigentlich so falsch daran, wenn wir mit einem kleinen, mit einem relativ kleinen Milliardenbetrag ein solches Desaster eines Griechenland-Austritts aus dem Euro verhindern können?

    Schäffler: Ja ich glaube halt, dass das Desaster dadurch eintritt, dass wir immer weiter helfen. Man kann ein Überschuldungsproblem nicht durch noch mehr Schulden lösen, und nichts anderes machen wir. Wir versuchen, im Kern die Marktwirtschaft außer Kraft zu setzen, indem wir diejenigen herausboxen, die Risiken eingegangen sind. Die lassen wir nicht haften, sondern wir lassen die Steuerzahler, wir lassen die Sparer dafür haften. Und das führt am Ende nicht nur zu Veränderungen der Marktwirtschaft, sondern auch zur Veränderung der Demokratie, weil die Menschen nicht mehr an die Demokratie glauben, weil sie am Ende nicht mehr an die Marktwirtschaft glauben, wenn ihr Sparvermögen verloren geht. Und das ist das, was mich umtreibt. Man löst das Problem nicht dadurch, indem man immer mehr Geld in ein Fass ohne Boden wirft.

    Armbrüster: Herr Schäffler, kann es sein, dass viele in der Koalition froh sind, dass es Sie gibt, weil Sie, Herr Schäffler, zumindest die Illusion vermitteln, dass die Griechenland-Hilfe in der Koalition auch kritisch hinterfragt wird?

    Schäffler: Ja ich hoffe, dass ich nicht nur eine Illusion vermittle, oder eine Funktion erfülle, sondern ich hoffe auch, dass das, was ich sage, ernst genommen wird und nicht nur abgetan wird als eine Minderheitenmeinung. Ich glaube, das, was in der Bevölkerung hochgärt, das ist höchst gefährlich für unsere Demokratie. Und wer das nur abtut als parteipolitische Spielchen, der hat den Ernst der Lage aus meiner Sicht nicht erkannt.

    Armbrüster: …, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Besten Dank, Herr Schäffler, für das Gespräch.

    Schäffler: Danke auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.