Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Ich wollte nicht den 'Scheibenwischer' schänden"

"Jetzt endet es wirklich in kleinen Scheißereien", sagt Kabarettist Mathias Richling über Dieter Hildebrandts Kritik an seiner neuen Sendung "Satire Gipfel". Richling plant, auch Comedians auftreten zu lassen, für Hildebrandt ein Sakrileg. Das einstige "Scheibenwischer"-Dream-Team in einer Beziehungskrise also - oder gar das Kabarett an sich?

Mathias Richling im Gespräch mit Jasper Barenberg | 17.03.2009
    Jasper Barenberg: Scharfzüngig, bissig, anspruchsvoll, hintergründig und natürlich witzig. Das war der "Scheibenwischer" in über 20 Jahren nicht immer, aber oft genug, um die Sendung in der ARD mit Dieter Hildebrandt an der Spitze geradezu zum Inbegriff des politischen Kabaretts zu machen – jedenfalls im Fernsehen. Erinnern Sie sich noch?
    Ja und wo ist er, der Richling, Mathias Richling? Er ist in gewisser Weise übrig geblieben, nachdem erst Dieter Hildebrandt vor einigen Jahren die Sendung verlassen hat und später folgten Georg Schramm und Bruno Jonas ebenfalls. Und jetzt ist "Scheibenwischer" wirklich Geschichte, denn Dieter Hildebrandt hat die ARD gebeten, die Sendung künftig nicht mehr unter diesem Namen auszustrahlen. Er war und er ist ganz und gar nicht einverstanden mit dem neuen Konzept von Mathias Richling, vor allem, weil der künftig auch so genannte Comedians auftreten lassen will – für Hildebrandt ein Sakrileg. Sein Urteil: "Der kann es nicht!" Die Folge: Am Donnerstag präsentiert Mathias Richling in der ARD eine neue Sendung unter dem Titel "Satire Gipfel" und liefert sich im Vorfeld einen heftigen Schlagabtausch mit Dieter Hildebrandt, hat ihm zuletzt im "Spiegel" Humor-Fundamentalismus vorgeworfen. Trägt dieser Streit selbst nicht damit langsam schon Züge von Kabarett, von Satire? Das habe ich Mathias Richling vor der Sendung gefragt.

    Mathias Richling: Ja, das kann man wohl so sagen. Es ist schon wahnsinnig komisch und es ist eigentlich auch im Grunde genommen eine Basis für eine neue Nummer. Ja, es hat Drolliges dabei, weil auch Unterstellungen teilweise leider dabei sind. Jetzt kriege ich schon unterstellt, ich bin beim "Fokus" gelandet, nur weil ich ihm ein Interview gegeben habe, dem "Spiegel" aber auch. Also da ist so diese Sippenhaftigkeit, wird auch jetzt so weitergezogen. Ich glaube, jetzt endet es wirklich in kleinen Scheißereien und es wird, glaube ich, jetzt Zeit, dass man das mal wirklich beendet, weil jetzt ist es, glaube ich, auch schon allmählich gut gewesen. Der Titel ist weg, die Sendung ist beerdigt, wir machen eine neue, fertig.

    Barenberg: Fertig noch nicht ganz. Wir wollen ja noch einen Augenblick darüber reden. In den Augen von Dieter Hildebrandt gehört Ihr Konzept schlicht nicht mehr in die Tradition des politischen Kabaretts, vor allem eben, weil ...

    Richling: Stopp! Das ist eine Lüge! Es ist eine Lüge. Der ganze Titelentzug basiert auf einer Lüge. Ich mache keine Comedy. Und der zweite Punkt, das wollten Sie sicher fragen -, wenn ich Comedians einlade – ich werde auch Schauspieler einladen, weil die mal was anderes machen wollen. Weil die Comedy gemacht haben, dürfen die keine politische Meinung haben? Könnte es sein, ist das verboten, dass sie sich irgendwie anders betätigen? Hat nicht Montserrat Caballé mit Freddy Mercury gesungen? Durfte sie das nicht? Wenn heute jemand aus der Volksmusik, die ich nicht besonders schätze, in der Oper singen möchte, darf der das nicht, weil er mal Volksmusik gemacht hat? Was ist das für eine Ansicht? Das nenne ich Sippenhaft. Das ist irgendwie so wahnsinnig komisch. Wieso dürfen die das nicht? Wir haben genau das vor, was Herr Hildebrandt in den 80er-Jahren schon selbst gemacht hat. Er hatte nämlich Beatrice Richter geholt, er hat Brigitte Mira geholt, denen er Texte geschrieben hat. Genau dasselbe machen wir auch. Wir machen nichts anderes als das, was wir bisher gemacht haben. Wir machen keine Comedy.

    Barenberg: Wo liegt denn der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy?

    Richling: Eben! Der Unterschied liegt darin, dass Comedy sehr wohl noch Witze machen darf über Helmut Kohl, über Gerhard Schröder, über auch von mir aus Franz-Josef Strauß. Beim Kabarett verbietet sich das. Kabarett ist dafür da, satirisch politische, gesellschaftliche, soziale Missstände aufzuzeigen, nicht aufzuklären – dafür sind die Journalisten da -, aber das zu analysieren und Formulierungen dem Publikum zu geben, die erhellend wirken, und die haben immer sozialkritisch zu sein, gesellschaftskritisch zu sein. Das macht Comedy nicht, den Anspruch haben die nicht. Deswegen brauche ich sie nicht mit Hass überschütten. Deswegen gibt es da auch gute Leute, deren Potenzial man nutzen kann in einer Kabarett-Sendung, in einer politischen Kabarett-Sendung. Der "Satire Gipfel" wird absolut politisch bleiben, da wird nicht eine Comedy-Nummer drin sein.

    Barenberg: Wenn also Ingolf Lück bei Ihnen am Donnerstag auftreten wird, was haben wir denn dann zu erwarten?

    Richling: Ich will jetzt nicht alles verraten aus der Sendung, aber es geht in diesem Jahr, das ja ein Gedenkjahr ist insofern, als Deutschland 60 Jahre alt wird und wir da ja auch ein Jubiläum haben, und wir müssen uns mal Gedanken machen über die Demokratie an sich, und wir fangen an in dieser ersten Sendung mit dem wirtschaftlichen Aspekt. Wir haben ja gerade die Finanzkrise, und insofern wird Ingolf Lück dazu anhand der Abwrackprämie etwas machen zu dieser Finanzkrise, logischerweise, und das wird natürlich politisch sein, selbstverständlich.

    Barenberg: Und wenn ich mir vorstelle, dass demnächst Anke Engelke bei Ihnen ist. Eine gewisse Veränderung, könnte ich mir vorstellen, dessen, was da passiert, kann man da schon erwarten.

    Richling: Haben Sie jemals alte "Scheibenwischer" gesehen? Der NDR hat es, glaube ich, auch wiederholt oder der RBB ebenso wiederholt von den 80er- Jahren, 90er-Jahren. Da war das gang und gäbe. Da hat kein Mensch… und Entschuldigung, die Anstalt holt sich dauernd Comedians. Da schreit kein Mensch. Herr Mittermeier trat dort auf, Kay Ray trat dort auf, da ruft kein Mensch "hallo, hallo", sondern jeder sagt ja, warum gestattet man es denen und uns will man das verbieten, was macht man daraus für eine Hysterie. Anke Engelke ist eine ausgezeichnete Frau, die ein unglaubliches Potenzial der Darstellung hat. Natürlich, wenn ich nur den politischen Conferencier spielen möchte, dann brauche ich mich natürlich nur hinzustellen und sagen, es ist so und so und so. Das ist mir persönlich – das kann aber jeder machen wie er will –, zu langweilig. Ich möchte dann den Leuten auch noch etwas bieten in der Darstellung. Wenn sie ein Schauspielstück von was weiß ich wem auf der Bühne nur lesen lassen, das können sie natürlich tun und die ganz Eifrigen und die ganz literarisch Begabten werden dem auch folgen können, aber richtig wird es doch, wenn es inszeniert ist, wenn es auch durch die Darstellung emotional die Menschen angreift.

    Barenberg: Nun können wir vielleicht den Eindruck gewinnen, dass das gar nicht so schlimm ist, dass der Titel "Scheibenwischer" weg ist, weil ...

    Richling: Allmählich denke ich das auch, ja.

    Barenberg: Da würde ich Sie gerne nach dem Grund fragen. Meine Vermutung wäre, weil sich auch vielleicht dieses Konzept, das jahrzehntelang so bestanden hat, in dieser Form auf der Bühne Kabarett zu machen, weil auch das nicht mehr zeitgemäß ist. Würden Sie sagen, das ist so?

    Richling: Sehen Sie, ich möchte darüber nicht urteilen, was zeitgemäß ist und was nicht. Das muss jeder für sich selbst beantworten. Ich sage es noch mal: Auch Dieter Hildebrandt hat es ja ganz anders gemacht, als er es jetzt von mir nicht akzeptiert, dass ich es ihm erklärt habe. Ich habe ihm erklärt, ich mache es so, wie du es auch gemacht hast vor 20 Jahren, und nicht anders. Da war er erst bereit, das alles zurückzunehmen, dann war er dann doch wieder nicht bereit, weil er es entweder nicht glaubt. Man hätte ja auch die erste Sendung mal abwarten können und dann reagieren, aber nein: Vorverurteilung ist eben doch sinnvoller als das richtige Urteil. Ich weiß es nicht, wie die Zusammenhänge sind. Auf jeden Fall ist es halt irgendwie so: Es hat sich jetzt so entwickelt. Wenn sie immer jemand da hinten stehen haben, für den sie eigentlich das ja machen - - Wir sind ja weiter angetreten, damit wir dieses Erbe weitertragen. Ich wollte nicht den "Scheibenwischer" schänden, sonst hätte ich gleich gehen können, weil ich habe das natürlich auch getan, weil ich ihn sehr geschätzt habe. Wir haben ja lange zusammengearbeitet und haben gut zusammengearbeitet. Wir verstehen uns ja menschlich, wir haben nie einen Streit gehabt miteinander. Das kommt ja noch dazu, verstehen Sie.

    Barenberg: Aber Sie werfen ihm doch im "Spiegel" vor, dass er Kabarett gemacht hat, das einer Partei hörig ist, nämlich der SPD.

    Richling: Das stimmt ja auch, das bestreitet er ja auch gar nicht.

    Barenberg: Also sie haben da schon offenbar handfeste Meinungsunterschiede?

    Richling: Da haben Sie völlig Recht. – Moment: Handfeste Meinungsunterschiede sind ja im Kabarett gang und gäbe. Es kommt immer darauf an, wie ich mit jemandem diskutiere, und ich kann doch mit jemand einen Konflikt austragen, ohne dass ich ihn deswegen nicht mögen kann. Also ich kann jemanden mögen und trotzdem kann ich politisch unterschiedlicher Meinung sein.

    Barenberg: Ich meinte jetzt auch eher die Meinung über die Form Kabarett.

    Richling: Das stimmt auch, das bestreitet er auch nicht. Er hat immer Wahlkampf gemacht für die SPD. Es stimmt ja auch. Er hat das gegenüber der "AZ" bestätigt, dass er parteigebunden ist. Das stimmt auch! Aber er hat mich ja deswegen - - Menschlich ist es ja nie die ganzen Jahre so drastisch gewesen, wie es sich jetzt ansieht, verstehen Sie. Es ist ja nicht so gewesen, dass wir uns nicht verstanden hätten, sondern im Gegenteil: Wir haben uns blendend verstanden. Wir haben immer darüber diskutiert, wie hat eine Auflösung von Kabarett formal zu sein. Da waren wir immer unterschiedlicher Ansicht, aber es gehörte bislang dazu, dass man dann auch von beiden Seiten sagte, gut, du bist anderer Ansicht, deswegen können wir aber trotzdem in einer Sendung auftreten. Das war ja kein Problem. Das ist dann eben die Größe gewesen, die man gegenüber hatte, Respekt, den man gegenseitig hatte. Wenn er SPD-Kabarett gemacht hat, fand ich das in Ordnung. Ich habe es nicht gemacht, aber das ist halt meine Auffassung von Kabarett, das ist kein Urteil über ihn. Wenn er aber jetzt - - Er hat ja sehr persönlich mich angegriffen und mir unterstellt, ich könne es nicht nach 300 Sendungen, die ich bereits gemacht habe, oder noch mehr. Da muss man sagen, überleg doch mal bitte, was machst du denn. Dass es jetzt in diese Bahnen gelaufen ist, ist mir auch nicht recht und es ist kein Zeugnis davon, wie wir 30 Jahre zusammengearbeitet haben. Das ist es nicht!

    Barenberg: Am Donnerstag, Herr Richling, wird Dieter Hildebrandt die Sendung sehen, hat er jedenfalls angekündigt. Werden Sie ihn danach fragen, wie er die Premiere fand?

    Richling: Wenn er es mir sagen möchte, kann er es gerne machen.

    Barenberg: Der Kabarettist Mathias Richling über seine neue Sendung "Satire Gipfel" und den Streit mit Dieter Hildebrandt.