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"Ich würde nicht von einem historischen Durchbruch sprechen"

Der Europaparlamentarier Klaus Hänsch hat die Einigung mit Nordkorea im Atomstreit als ersten Schritt bezeichnet. Man könne nicht von einem Durchbruch sprechen, da die Aufgabe des Atomprogramms noch gar nicht vereinbart sei. Das Bedrohungspotential, das von dem Land ausgehe, habe sich mit den Vereinbarungen jedoch verringert, sagte Hänsch.

Moderation: Dirk Müller | 14.02.2007
    Dirk Müller: Es könnte gestern so etwas wie ein historischer Durchbruch gewesen sein in Peking. Vier Monate nach seinem umstrittenen Atomwaffentest hat sich Nordkorea bereiterklärt, nuklear abzurüsten, Schritt für Schritt. Eine überraschende Zustimmung aus Pjöngjang nach jahrelangen zermürbenden Verhandlungen im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nord- und Südkorea sowie den USA, China, Russland und Japan. Binnen 60 Tagen soll sogar die wichtigste Atomanlage des Landes geschlossen werden. Im Gegenzug erhalten die Nordkoreaner umfangreiche Energielieferungen und Wirtschaftshilfen. Ein diplomatischer Erfolg für die internationale Staatengemeinschaft. Bei uns am Telefon ist jetzt der SPD-Politiker Klaus Hänsch, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss im Europaparlament. Guten Morgen!

    Klaus Hänsch: Guten Morgen!

    Müller: Herr Hänsch, haben das diesmal die Amerikaner gut gemacht?

    Hänsch: Sie haben es gut machen lassen. Es waren ja Sechser-Gespräche. Das heißt es war zum ersten Mal seit längerer Zeit ein multilateraler Ansatz der Amerikaner, um eine internationale Krise zu lösen, und das ist schon mal ein gutes Zeichen, überhaupt keine Frage. Auf der anderen Seite aber würde ich nicht von einem historischen Durchbruch sprechen. Es ist ein erster Schritt vielleicht auf einen Durchbruch hin, aber jedenfalls in einem langen Prozess, der jetzt noch zwischen den Kontrahenten vorliegt.

    Müller: Warum sind Sie so skeptisch?

    Hänsch: Bitte?

    Müller: Warum sind Sie so skeptisch?

    Hänsch: Weil das Eigentliche noch nicht in diesen Vereinbarungen steht, nämlich die Aufgabe, die völlige Aufgabe des Strebens Nordkoreas nach Atomwaffen. Zu einer wirklichen Aufgabe haben sie sich nicht verpflichtet. Das kann man auch verstehen, wenn man an den diplomatischen Prozess denkt, an das Geben und Nehmen in einem solchen Prozess. Aber das muss man wissen, dass die Sache längst noch nicht zu Ende ist. Das ist sozusagen das Skeptische. Auf der anderen Seite aber gibt es einen Punkt, der meines Erachtens zu wenig beachtet wird. Durch diese Vereinbarung verringert sich das Erpressungspotenzial Nordkoreas, weil sie abhängig werden von der Hilfe mit Nahrungsmitteln und Energie, und es erhöht zugleich das Sanktionspotenzial, wenn sich die Nordkoreaner an die Vereinbarung nicht halten, weil sie abhängiger werden von den Lieferungen aus Südkorea, den USA und so weiter.

    Müller: Das heißt es ist doch ein großer Schritt nach vorne?

    Hänsch: Das ist ein Schritt nach vorne und den soll man auch nicht klein reden. Man soll aber sehen, dass damit eine Entwarnung noch nicht gegeben werden kann. Es zeigt sich auch, dass natürlich die Frage im Raum stehen bleibt, wie geht man mit Staaten die versuchen, den Aufbau von Atomwaffen zu einem Erpressungspotenzial zu entwickeln, um.

    Müller: Welche Folgen könnte das haben im Umgang mit dem Iran?

    Hänsch: Die Fälle liegen ja nicht gleich. Die Situation Nordkoreas, die innere Situation Nordkoreas ist mit der des Iran nicht zu vergleichen. Nicht zu vergleichen ist auch die äußere Situation, das Umfeld. Also man wird was den Iran anlangt den Durchbruch, den ersten Schritt mit Nordkorea nicht vergleichen können. Aber man kann ein paar Lehren daraus ziehen. Man kann die Lehre daraus ziehen, dass es dabei bleibt: multilateral ist besser als bilateral. Und man kann die Lehre daraus ziehen, dass man möglichst bald einen ersten Schritt erreichen muss. Man kann sich auch mit Recht fragen, ob das nordkoreanische Ergebnis nicht auch schon vor drei oder vier Jahren hätte erreicht werden können. Wenn das der Fall gewesen wäre, wenn die Amerikaner dazu bereit gewesen wären, dann hätte es möglicherweise diesen Atomtest, der dann alle aufgeweckt hat, gar nicht gegeben.

    Müller: Also die Amerikaner tragen letztendlich die Mitverantwortung dafür, dass es so lange gedauert hat?

    Hänsch: Sie tragen Mitverantwortung. Das gilt für die Bush-Administration. Clinton war ja nahe dran, zu einem Ergebnis zu kommen.

    Müller: Trägt Washington auch die Mitverantwortung dafür, dass es mit dem Iran immer noch keine Einigung gibt?

    Hänsch: Das sehe ich im Augenblick nicht so. Da haben sich die Vereinigten Staaten durch den Krieg im Irak in eine ganz andere, sehr viel schwierigere Lage hineinmanövriert. Im direkten Umgang mit dem Iran sehe ich diesen Fehler aber nicht.

    Müller: Herr Hänsch im Grunde hört sich das so an, als seien die Vereinigten Staaten eigentlich immer noch das Problem?

    Hänsch: Wenn es um internationale Verhandlungen geht, sind immer alle Partner ein Problem. Das gilt natürlich auch für die Vereinigten Staaten. Aber es ist schon richtig, dass die Vereinigten Staaten wie ihre Verbündeten auch dafür sorgen müssen, dass die Weiterverbreitung von Atomwaffen unterbunden wird. Das gilt für alle Bereiche.

    Müller: Bedeutet das mit Blick auf die Nordkorea-Verhandlungen auch in der Retrospektive, dass andere Mächte wie Peking und auch Moskau aus Ihrer Sicht konstruktiver waren als Washington?

    Hänsch: Sie haben die Forderungen nicht so hochgeschraubt, wie das Washington zu einem bestimmten Zeitpunkt getan hat. Deswegen ist aus ihrer Sicht das Ergebnis auch akzeptabler. Das Problem bei dem jetzigen Ergebnis ist, dass es den Forderungen, die die USA über Jahre, über drei, vier Jahre gestellt haben, nicht entspricht. Es bleibt ja weit dahinter zurück. Auf der anderen Seite aber ist es gelungen, einen ersten Schritt zu tun, den man auch vor einigen Jahren schon hätte haben können. Ich will das nicht generell kritisieren, sondern ich will nur sagen, dass man nicht in Euphorie ausbrechen darf, auch nicht sollte, dass man den Weg jetzt konsequent weitergehen muss, dass man erkennen muss, man kann mit multilateralen Aktionen mehr erreichen als mit bilateralen. Das spricht nicht gegen Härte in den Verhandlungen. Das spricht nicht gegen Härte im Ziel. Es zeigt aber, dass es auf ein Geben und Nehmen, wenn man nicht Sanktionen unter Einschluss militärischer Maßnahmen ergreifen will, hinausläuft.