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Idealismus als Antrieb

Warum beteiligt sich Norwegen, weit entfernt von den europäischen Stützpunkten der amerikanischen Atomwaffen, an der Abrüstungsinitiative? Gründe gibt es einige: Den Idealismus eines sozialdemokratisch-geführten Landes kombiniert mit handfesten Eigeninteressen.

Von Marc-Christoph Wagner | 21.04.2010
    Oslo, am 9. Oktober 2009. Der Vorsitzende des Komitees für den Friedensnobelpreis, Thorbjørn Jagdland, tritt vor die Mikrofone und verkündet den amerikanischen Präsidenten Barack Obama als diesjährigen Preisträger. In besonderer Weise habe das Komitee Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt gewürdigt.

    Die Entscheidung führt zu Diskussionen. Obama sei zu kurz im Amt, äußern Kritiker. Zumal sei er Präsident einer zugleich in zwei Kriege involvierten Nation. In seiner Laudatio bei der Preisverleihung zwei Monate später geht Jagdland just auf diese Kritikpunkte ein, sagt, der Preis solle nicht als Anerkennung von bereits Erreichtem verstanden werden, sondern als Aufforderung, den begonnenen Weg weiter zu beschreiten. Und genauso habe es Preisträger Obama auch verstanden.

    "The price could thus represent a call to action. President Obama has understood the Norwegian Committee perfectly. We congratulate him with this year’s Nobel Peace Prize.
    We must begin by acknowleding a hard truth. We will not erradicate violent conflict in our lifetimes."

    Obamas Dankesrede überrascht manchen, befasst sie sich doch über weite Strecken mit dem Krieg als notwendigem, wenn auch nicht wünschenswertem Mittel. Als Präsident und Oberstkommandierender, verantwortlich für das Wohl seiner Nation, könne er sich nicht leiten lassen von den gewaltfreien Idealen Gandhis oder Martin Luther Kings, so sehr er diese auch schätze. Und dennoch, so Obama abschließend, müsse man sich diese Ideale stets vor Augen halten und auf sie hinarbeiten – Schritt für Schritt.

    "Clear eyed we can understand, that there will be war and still strive for peace. We can do that, for that is the story of human progress. That’s the hope of all the world. And at this moment of challenge, that must be our work, your honors. Thank you very much."

    Auch wenn die Festreden längst verhallt sind, die nukleare Abrüstung ist seit Jahr und Tag Herzensangelegenheit norwegischer Regierungen, insbesondere sozialdemokratischer Couleur. Und so bestätigte Regierungschef Jens Stoltenberg erst in der vergangenen Woche auf dem Washingtoner Atomgipfel, warum seine Regierung auf die Abschaffung möglichst vieler Nuklearwaffen dränge.

    "Egal, in welcher Form, sie sind und bleiben gefährlich. Die Gefahr eines Atomkrieges mag heute geringer sein als vor zehn Jahren. Gleichzeitig ist die Gefahr, Terroristen könnten an Atomwaffen gelangen und diese benutzen, sehr viel größer. Genau das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. "

    Und doch scheinen nicht nur idealistische Gründe die norwegische Regierung dazu bewegt zu haben, die Abrüstungsinitiative des deutschen Außenministers zu unterstützen. Das NATO-Mitglied Norwegen teilt im Norden eine gemeinsame Grenze mit Russland. Das eigene außenpolitische Interesse konzentriert sich vor allem auf die Arktis, in der enorme Ressourcen vermutet werden. Norwegen also könnte mit dem Brief versucht haben, den Prozess der Annäherung zwischen den Arktisanrainern USA und Russland zu befördern, zumindest aber mit einer unabhängigen Wortmeldung gegenüber den USA das eigene Ansehen beim russischen Nachbarn zu stärken. Sven Gabriel Holtsmark vom norwegischen Institut für Verteidigungsstudien.

    "In der Arktis kommen alle Beteiligten nur durch Kooperation voran. Egal, ob die Förderung von Öl und Gas oder neue Schiffsrouten für den Welthandel – das alles verbleibt eine Fata Morgana, wenn die Anrainerstaaten nicht zusammenarbeiten. Dann ist die gesamte Region schlicht und ergreifend wertlos."