Freitag, 29. März 2024

Archiv

"Il Barbiere di Siviglia" am Theater an der Wien
Der unbekannte Frisör

René Jacobs und das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier haben sich am Theater an der Wien an den "Il Barbiere di Siviglia" gewagt - allerdings nicht an die gängige Vertonung von Rossini, sondern die seltenen, aber bedeutende von Giovanni Paisiello.

Von Susanna Dalmonte | 17.02.2015
    Als Wegbereiter für nachfolgende Komponistengenerationen wird Paisiello Barbiere von den Musikwissenschaftlern gerne bezeichnet. Ansätze seiner Melodien kann man tatsächlich in Jahrzehnten später entstanden Werken von Mozart oder Rossini wieder hören. Als Hommage an den Vorgänger, sagte man damals.
    Selbst René Jacobs (bekannt für seine erfolgreichen Ausgrabungen) hatte Bedenken gehabt, sich Paisiello anstatt Rossini zuzuwenden, und ließ sich eines Besseren belehren.
    Beide Opern gehen auf das Libretto von Beaumarchais zurück, der ja bekanntlich bei aller Komik extrem politisch und systemkritisch gewesen ist. Paisiello hält sich mehr als Rossini an dieses Konfliktpotenzial. Ob es nun Korruption, Bürger gegen Adel oder Jugend gegen Alter heißt.
    Im Zentrum seiner Vertonung steht nicht die Titelfigur - der schlaue Barbier Figaro, der dem Grafen hilft, Rosina aus den Fängen ihres Vormundes zu erlösen, sondern dieser selbst: Dottore Bartolo.
    Das Leadingteam Moshe Leiser und Patrice Caurier bezeichnet sich selbst als die letzten Dinosaurier des konventionellen Theaters.
    Sie halten sich ganz strikt an das Libretto - bei jeder ihrer Inszenierungen. In diesem Fall haben sie sich zwar nicht für die Entstehungszeit, aber für das Spanien der 1940er-Jahre entschieden. Es war die letztmögliche Periode, wo alle für die Handlung wichtigen Kriterien noch zutreffen: Es gab eine Armee die im Stück vorkommt und Einquartierungen logisch macht, ein Vormund konnte noch ziemlich ungebremst über Wohl und Wehe seines Mündels bestimmen, es gab strenge Regeln.
    Pietro Spagnoli berückt mit Glaubwürdigkeit
    Das Bühnenbild von Christian Fenouillat zeigt auf der verschiebbaren Bühne den Salon des Dr. Bartolo der sich je nach Bedarf in den Vorder- oder Hintergrund schieben lässt. Sehr konventionell im Stil der 40er-Jahre eingerichtet.
    Zu hören sind dem Publikum des Theaters an der Wien durchaus bekannte Sänger, die allesamt schon in früheren Produktionen dort gesungen haben.
    Die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen als quirlige und stimmlich ausgezeichnete Rosina, André Schuen als quicker Figaro, stimmlich sehr schwach und auch mit nicht ganz so großem Applaus bedacht: Topi Lehtipuu als Conte Almaviva, wohingegen Fulvio Bettini und Pietro Spagnoli als Don Basilio und Dottore Bartolo auch szenisch brillierten und zu recht mit den größten Ovationen bedacht wurden.
    Das berückende an Pietro Spagnolis Dottore Bartolo ist seine Glaubwürdigkeit: Er ist nicht einer dieser- auch köstlich aber herkömmlichen uralten, schrulligen, dicken, glatzköpfigen Opas, sondern ein großer, eleganter, ein wenig komischer, älterer Herr, dessen Zuneigung zum eigenen Mündel aber gar nicht so absurd anmutet. Trotz aller zweifelhafter, sicherlich auch brutaler Manipulationsversuche ein Sympathieträger, während der Graf in dieser Inszenierung zwischenzeitlich gar nicht so gut abschneidet. Intuitiv kommen einem die herzlosen Betrugsversuche in der dem Barbiere folgenden "Nozze di Figaro" in den Sinn.
    Sieht man vom Freiburger Barockorchester und René Jacobs ab - beide in puncto Alter Musik und Rarität Erfolgsgaranten.
    Immer wieder hat es Versuche gegeben, dem internationalen Opernbetrieb Paisiellos "Barbiere" schmackhaft zu machen - im Repertoire hat stets Rossinis Vertonung den Sieg davongetragen. Der langjährige Beobachter wagt zu behaupten, dass es trotz des großen Erfolges auch diesmal nicht anders sein wird.