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Illegal, giftig und lukrativ

Ausgemusterte Elektrogeräte finden in Entwicklungsländern dankbare Abnehmer. Allerdings ist ein Teil der exportierten Secondhand-Ware in Wahrheit defekt und landet im Zielland gleich auf dem Schrottplatz - mit ungesunden Folgen.

Von Samuel Burri | 21.06.2011
    Die Rauchsäule in der Hauptstadt Accra ist schon von Weitem zu sehen. Etwas näher riecht man sie auch: ein beissender Gestank. Ursache des Rauches sind brennende Kabelbündel. Die Kabel werden auf dem Schrottplatz des Quartiers Agbogbloshie von Kindern verbrannt.

    "Mein Name ist Razat, mein Geschäft ist es, Kupfer heraus zu brennen. Wir kaufen Kabel, dann brennen wir das Plastik weg. Wir machen Profit."

    An guten Tagen verdient Razat mit dem Verkauf von Kupfer bis zu zehn Cedi – das entspricht fünf Euro. Und ist mehr als das Durchschnittseinkommen in Ghana. Schnelles Geld für die Jungen aus armen Verhältnissen. Doch der Profit geht zulasten der Gesundheit. Der Boden in Agbogbloshie ist mit Schwermetallen verseucht, der Plastikrauch giftig - das weiß auch der 16-jährige Kwesi:

    "Wenn der Rauch in deine Nase geht, wirst du krank. Die Augen und die Nase schmerzen. Aber wenn wir es nicht tun, haben wir nichts zu essen."

    Das Kabelverbrennen in Ghana ist nur ein kleiner Teil des weltweiten Problems Elektroschrott. 40 Millionen Tonnen, schätzt das UN-Umweltprogramm (UNEP), fallen jährlich an – Computer, Bildschirme, Handys, Fernseher, Kühlschränke und so weiter. Ein Teil der nicht mehr gebrauchten Geräte landet in Entwicklungsländern. Dort werden sie weiterverkauft, repariert oder nicht besonders umweltverträglich entsorgt. Umweltorganisationen warnen, die Dritte Welt würde zur Müllhalde für nicht mehr funktionierende Geräte, verschifft von dubiosen Händlern aus westlichen Ländern. Genau das verbietet aber die Basler Konvention über Giftmüllexporte, welche fast alle Länder unterzeichnet haben. Das Freiburger Öko-Institut schätzt, dass 15 Prozent der gebrauchten Elektrogeräte, die nach Ghana kommen, schrottreif sind – das sind 22.000 Tonnen pro Jahr. Hunderte von Bildschirmen und Kühlschränken stehen in der ghanaischen Hafenstadt Tema entlang der Straße. Vor dem Geschäft von Isaac Osei werden drei Transporter mit Kühlschränken beladen. Elektroschrott? In seinem Laden? Dagegen wehrt sich Isaac Osei:

    "Alles, was ich habe, ist geprüft. Alles funktioniert! Und vor allem: Diese Sachen sind besser als jene aus China! Sogar die Reichen und die Mittelschicht kaufen sie."

    Nebenan schließt Isaac Darko Kwapo gerade seinen Computerladen. Er empfängt seine Ware beim Hafen, von Händlern, die er nicht kennt:

    "Man braucht Glück, manchmal funktioniert nur die Hälfte einer Ladung. Manche der Verkäufer sind Betrüger, andere nicht. Aber es rentiert für uns".

    20.000 bis 33.000 Jobs hängen in Ghana vom Handel und der Wiederverwertung gebrauchter Elektronik ab, schreibt das Öko-Institut. Es ist ein Millionenbusiness.

    Ghanas Regierung hat das Problem erkannt. Doch für mögliche Maßnahmen, etwa eine bessere Kontrolle der Importe, fehlt das Geld. Joseph C. Edmund von der staatlichen Umweltschutzagentur hofft auf die Privatwirtschaft:

    "Wir haben einige Firmen im Land, die Recycling betreiben. Sie sind klein und haben erst begonnen. Im Moment scheint es, als ob die Regierung die Verantwortung alleine tragen müsse. Aber in Zukunft werden auch private Firmen im Recyclingbereich arbeiten."

    Zurück auf dem Schrottplatz von Agbogbloshie, ein brennender Kühlschrank schickt dichten schwarzen Rauch in den Himmel. Vor seinem roten Container sitzt Timothy – in den Händen elektronische Leiterplatten, die er sammelt:

    "Ich habe zwei verschiedene Platinen, von Computern und von DVD-Playern. Ich verkaufe sie an Chinesen, die sie dann exportieren."

    In China werden die Platinen maschinell recycelt – das ist rentabler und auch ökologischer. Ob das unsaubere Recycling in Ghana bald durch bessere Methoden abgelöst wird, bleibt abzuwarten.