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Illegal in Athen

Alle EU-Staaten sind verpflichtet, Asylbewerber an das Land zu überstellen, in dem die Asylsuchenden erstmals europäischen Boden erreichten. Für viele ist das Griechenland. Im vergangenen Herbst haben verschiedene Menschenrechtsorganisationen eine Untersuchung vorgelegt, die systematische Misshandlungen von Flüchtlingen in der Ägäis dokumentierte. Nun hat der Europäische Rat für Flüchtlinge und Exilanten die EU-Staaten dazu aufgerufen, Asylbewerber nicht mehr nach Griechenland zu überstellen. Aus Athen berichtet Alkyone Karamanolis.

07.04.2008
    Es ist ein eher kleiner Demonstrationszug, der am zentralen Athener Omonoiaplatz startet. Daran ist nicht nur der strömende Regen schuld. Die Flüchtlinge, viele von ihnen ohne gültige Papiere, zeigen sich nur ungern öffentlich. Würde er nicht auf den Schutz der Menschenmenge vertrauen, wäre auch Kelefor heute nicht hier. Normalerweise beschränkt er seine Ausgänge auf das Nötigste, erzählt der 38-jährige Sudanese später in einem Café, in dem sich seine Landsleute treffen:

    "Ich weiß nicht einmal, ob ich es nach diesem Interview bis nach Hause schaffe. Jedes Mal, wenn ich in eine Straße biege, denke ich, vielleicht wäre die andere sicherer gewesen? Zwei mal bin ich schon festgenommen worden. Deshalb verlasse ich die Wohnung fast nur, um in die Arbeit zu gehen."

    Dabei hat Kelefor schon eine ganz andere Odyssee hinter sich. Vor acht Jahren brach er aus Darfur auf. In einer mehrjährigen Reise kam er über Libyen, Syrien, den Libanon und die Türkei nach Griechenland, wo er Asyl beantragte. Vergangenes Jahr jedoch wurde seine Akte geschlossen. Seitdem lebt Kelefor illegal in Athen. Er hat zwar Arbeit, erhält aber nur den Mindestlohn von 600 Euro ohne Zuschläge und ohne Versicherung. Der Grund, weshalb sein Asylverfahren beendet wurde, ist ihm indes nicht bekannt.

    "Wir finden hier keine Gerechtigkeit, und niemand gibt uns Rat. Wenn man mir zum Beispiel am Anfang erklärt hätte, dass ich einen Rechtsanwalt brauche, hätte ich vielleicht mehr Glück gehabt. So aber habe ich mein Verfahren allein bestritten, ohne irgendeine Unterstützung."

    Kelefors Fall ist in jeder Hinsicht typisch, sagt die Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou. Von dem Augenblick an, wo die Flüchtlinge griechischen Boden betreten, werden ihre Rechte, die die Genfer Flüchtlingskonvention eigentlich verbindlich regeln sollte, missachtet. Selbst wer es schaffe, Asyl zu beantragen, habe so gut wie keine Aussicht auf Erfolg:

    "Die Polizei tut alles, um die Bewerber aus dem Verfahren herauszubugsieren. Die Flüchtlinge erhalten zum Beispiel Schreiben auf griechisch, die sie nicht verstehen, so dass wichtige Fristen verstreichen, andere Male macht man sie glauben, ihr Verfahren sei auf einem guten Weg, so dass sie nicht um Hilfe ersuchen, während die Sache in Wirklichkeit kurz vor dem Ende steht. Dann sagt der Beamte dem Asylbewerber oft nur: geh weg und komm nicht wieder."

    Kaum ein anderes Land der Europäischen Union gewährt so wenigen Menschen Asyl wie Griechenland. In den vergangenen Jahren lag die Quote bei etwa einem halben Prozent. Menschenrechtsorganisationen sprechen deshalb von einer de facto Abschaffung des Asylrechts in Griechenland.

    Es war ein Fehler, hier Asyl zu beantragen, sagt auch Kelefor. Einige seiner Weggenossen seien heute in Frankreich oder Großbritannien und hätten Papiere. Er selbst sitze in Athen in der Falle: "I have no place to go", sagt Kelefor. Es gebe keinen Ausweg für ihn. In den Sudan könne er nicht zurück und in Europa habe er keine Zukunft. Nicht einmal eine offizielle Erklärung, dass sein Asylgesuch in Griechenland abgewiesen wurde, hat er in der Hand, so dass er auch nicht die Möglichkeit hat, in einem anderen EU-Land einen zweiten Anlauf zu versuchen.

    "Was ich nun tun will? Ich wünschte, ich wüsste es selber. Wenn mich das Gesetz nicht beschützt, wer soll mir dann helfen? Das ist es. Andererseits ist es nicht meine Art, bei der ersten Schwierigkeit aufzugeben. Ich versuche, meine Würde zu bewahren. Ich bin ein Mensch, wie alle anderen Menschen auch. Und das Leben gehört uns doch allen, nicht nur manchen von uns, oder?"