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Illegale Schwarzarbeit für 50 Euro am Tag

Billigarbeiter aus Rumänien und Bulgarien arbeiten oft schwarz, weil sie keine volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU genießen. Sie verdingen sich als Tagelöhnern. Nahezu in jeder deutschen Großstadt gibt es diese Schwarzarbeitermärkte.

Von Jonas Reese | 05.04.2012
    Morgendämmerung in Duisburg-Hochfeld, fünf Straßenbahnstationen vom Hauptbahnhof entfernt. Ein paar Dutzend Männer stehen auf einem staubigen Parkplatz in Grüppchen zusammen - sie reden, warten und rauchen. Zwischen ihnen halten immer mal wieder Autos und sammeln ein paar von ihnen ein. Nehmen sie mit ein paar Kilometer weiter, bis zur nächsten Baustelle. Wenn es gut läuft. Für Nikolai läuft es an diesem Morgen nicht gut. Er ist als einer der wenigen übrig geblieben.

    "Heute kein Arbeit, kein Geld. Kaputt. Morgen?"

    Nikolai nimmt es mit Humor. Er ist ein kleiner kräftiger Mann Anfang 50, trägt eine rote Baseballkappe auf dem Kopf. Und wenn er lacht, funkelt eine goldene Krone inmitten riesiger Zahnlücken. Vor zwei Jahren ist er aus Bulgarien nach Duisburg gekommen. Jeden Tag stellt er sich nun auf den Parkplatz, den man hier schon Bulgaren-Strich nennt und wartet auf einen Arbeitgeber.

    "Hausbau, Farbe, verstehe?"

    Handwerker sind sie hier alle. Alle aus Bulgarien oder Rumänien. Die jüngsten EU-Mitglieder. Und als einzige noch ohne volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie dürfen sich zwar frei innerhalb der EU bewegen, aber eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit dürfen sie nur unter kaum erfüllbaren Auflagen aufnehmen – das fordert der EU-Beitrittsvertrag und gilt für Geringqualifizierte bis Ende nächsten Jahres.
    Ein Grund, warum sich Nikolai schwarz verdingt - zu einem Niedriglohn.

    "Reporter: Wieviel Euro kriegst Du?
    Nikolai: 50, 60.
    R: Für ganzen Tag?
    N: zehn Stunden – neun Stunden."

    Ein Stundenlohn von rund fünf Euro. Manche, so hört man hier, sollen sogar noch weniger bekommen, oder werden am Ende eines Tages auch mal gar nicht bezahlt. Zu überprüfen sind die Zahlen nicht.

    Nach drei Stunden Warten hat Nikolai an diesem Tag doch noch Glück.

    "Nikolai: (Bulgarisch)... Auto ...
    Reporter: Danke!""

    Rumänen und Bulgaren waren die größten Zuwanderungsgruppen im vergangenen Jahr. 52.000 sind 2011 nach Deutschland gekommen. 1.300 allein nach Duisburg. Das hat für einigen Ärger in der Stadt gesorgt. Anwohner beschweren sich über immer mehr Lärm, Müll und Kriminalität rund um den Bulgaren-Strich.

    Wenige Meter von dem staubigen Parkplatz entfernt, eingerahmt von Spielhallen und Döner-Läden, haben sich einige Beratungszentren angesiedelt. Mithilfe von öffentlichen Geldern versuchen sie, die Probleme der Neuankömmlinge zu lösen.

    ""Die meisten Probleme sind Krankenversicherung, dann für die Kinder suchen sie einen Schulplatz, einen Kindergartenplatz, viele Frauen wollen Sprachkurs beantragen. Viele wollen arbeiten, viele Anfragen wegen Arbeitsgenehmigung."

    Nicoliza Blanca arbeitet beim Verein Zukunftsorientierte Förderung. Vor ihrem Schreibtisch steht den ganzen Vormittag eine lange Schlange. Eine Hauptursache für den Schwarzarbeitermarkt nebenan sieht sie in der fehlenden Beratung.

    "Viele Menschen stehen da seit drei, vier Jahren weil sie nicht wissen, dass sie eine Arbeitsgenehmigung bekommen könnten. Sie sprechen die Sprache nicht. Die Menschen brauchen Beratung, die meisten wollen arbeiten und keine Sozialleistungen."

    Die Tagelöhner beschäftigen auch das zuständige Zollamt. Dort schätzt man den jährlichen Schaden, der durch Schwarzarbeit entsteht, auf 22 Millionen Euro im Regionalbezirk Duisburg. Deshalb sind allein dort rund 150 Beamte zur Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt. Die entsteht auch nach Meinung des verantwortlichen Abteilungsleiters, Ulrich Liersch, eher durch mangelnde Information als durch mangelnde Alternativen.

    "Ich denke nicht, dass Schwarzarbeit gesucht wird. Ich denke eher, dass man sich im Unklaren darüber ist, wie die legalen Verhältnisse vor Ort sind. Oftmals werden die Personen aus Bulgarien und Rumänien mit falschen Informationen versorgt, beispielsweise, dass sie mit einer Gewerbeanmeldung des Ordnungsamtes hier legal arbeiten dürften."

    Das dürften sie auch. Nur dann wird aus dem einen Problem, schnell ein anderes. Oftmals wird dann aus Schwarzarbeit Scheinselbstständigkeit. Viele melden ein Gewerbe an, arbeiten aber weiterhin als Tagelöhner.

    "Wir sind dann gefordert, an dem Tätigkeitsort zu kontrollieren, wie sind denn die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse vor Ort, handelt es sich tatsächliche um eine selbstständige Tätigkeit oder um eine Arbeitnehmertätigkeit, die nur deklariert wird als selbstständige Tätigkeit, um den sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen zu entgehen."

    Zurück auf dem staubigen Parkplatz. Es ist Nachmittag. Ein stämmiger Bulgare wird gerade wieder abgeladen. Er hat den ganzen Tag Abrissarbeiten übernommen. Er und seine Familie sind seit fünf Jahren in Deutschland. Er dürfte also eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen. Sein Fazit:

    "Deutschland alles okay, Kinder in Kindergarten, Kindergeld, Geld gut, aber keine Arbeit, Ich warte ... Tschüss."