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Illegaler Kunsthandel
Kann man den Ausverkauf der Antike stoppen?

Bisher gibt es keine Nachweispflicht für Kunstschätze, die belegt, woher diese stammen. Um den Ausverkauf antiker Kunstschätze zu verhindern helfe nur, eng mit den archäologischen Kollegen vor Ort zusammenzuarbeiten, sagte die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, Friederike Fless, im DLF.

Friederike Fless im Gespräch mit Antje Allroggen | 03.09.2015
    Der von der IS-Miliz zerstörte Baal-Tempel in der syrischen Ruinenstadt Palmyra im Juli 2014.
    Friederike Fless: "Wenn wir jetzt ein Gesetz haben, was einen Käufer oder einen Händler verpflichtet, hier Objekte klar zu bezeichnen, dann kann dieses Gesetz wirklich helfen." (picture alliance / Kyodo / Maxppp)
    Antje Allroggen: 19. August: Der ehemalige Leiter der archäologischen Stätten von Palmyra, Khaled Asaad, wird öffentlich enthauptet.
    1. September: Die IS-Miliz sprengt den Baal-Tempel in Palmyra in die Luft. Kurz zuvor haben Satellitenbilder die Sprengung des Balshamin-Tempels bestätigt. - Die Taktung der Zerstörung durch radikale Islamisten scheint, allein durch diese jüngsten Beispiele von Woche zu Woche zuzunehmen, während die westliche Weltöffentlichkeit angsterfüllt zuschaut. Kann man diesen Vernichtungsfeldzug irgendwie stoppen, oder ist, was die gesprengten Kulturstätten anbetrifft, die Antike für immer verloren, noch dazu, wo viele Schätze das Land schon verlassen haben.
    Durch Beschlagnahmung vom Zoll im Libanon weiß man, dass etwa zahlreiche Grab-Reliefs aus Syrien ohne Herkunftsnachweis ins Ausland gelangten, schon vor der Sprengung der beiden Tempel übrigens.
    Wie ist dieser laxe Umgang mit Raubkunst vor allem in Deutschland möglich? Das habe ich die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, Friederike Fless, gefragt.
    Friederike Fless: Wenn Sie unsere jetzige Rechtsprechung und Nachweispflicht in den Blick nehmen, müssen Sie eigentlich zu gar nichts etwas schreiben. Das ist auch eigentlich üblich. Dann sagt man, ein Relief Mesopotamien zum Beispiel, oder Syrien.
    Aber es gibt keine Pflicht, bei einem Verkauf eindeutig zu sagen, woher es kommt und auch zu sagen, wie es eigentlich nach Deutschland gekommen ist, wenn es sich einmal in Deutschland befindet und hier verhandelt wird.
    Allroggen: Wie ist der Zoll dann überhaupt auf diese Ware aufmerksam geworden?
    Fless: Im Moment haben wir eine Situation, dass die Ausfuhr von Objekten aus Syrien und die Einfuhr in die Europäische Union grundsätzlich verboten ist und unter Strafe gestellt ist. Dass man Objekte aus Palmyra identifizieren kann als Archäologe, das hängt damit zusammen, dass sie extrem charakteristisch sind. Die sind sehr spezifisch, sehr klar.
    "Es gibt keine legale Ausfuhr aus Syrien"
    Allroggen: Kann denn da das neue Kulturgut-Schutzgesetz in Deutschland dazu beitragen, die illegale Ein- und Ausfuhr von Objekten aus diesen Ländern effizienter zu erfassen, zu verbieten?
    Fless: Eine legale Ausfuhr aus Syrien würde es eh nicht geben. Die Syrer haben ein ganz, ganz strenges und striktes Antikengesetz an sich. Das geht ja im Moment nur, weil die staatlichen Strukturen zusammenbrechen oder zusammengebrochen sind teilweise.
    Wenn wir jetzt ein Gesetz haben, was einen Käufer oder einen Händler verpflichtet, hier Objekte klar zu bezeichnen und zu sagen, ich habe eine klare Ausfuhrgenehmigung, dann kann dieses Gesetz wirklich helfen, auch den Käufer zu schützen, der nämlich keine Chance hat, weil er kein Archäologe ist, zu sagen, ob Objekte legal, illegal oder wie auch immer woher nach Deutschland gekommen sind.
    "Wir stehen in engstem Kontakt auch zu den syrischen Antikenbehörden"
    Allroggen: Das neue Kulturgut-Schutzgesetz ist ja noch lange nicht verabschiedet und der IS wird mit weiteren Zerstörungen von Kulturgut nicht warten. Was können die Archäologen konkret zur Rettung des antiken Erbes tun, beispielsweise in Syrien jetzt tun?
    Fless: Einerseits wissen wir ziemlich genau, wie die IS-Propaganda funktioniert, dass manche Zerstörungen auch erst richtig eingesetzt haben, als man wirklich aufschreiend sich dazu geäußert hat.
    Die andere Sache ist: Wir können weiterhin die syrischen Kollegen unterstützen, die ja auch ihr Leben dafür einsetzen, ihr kulturelles Erbe zu erhalten, und wir haben Projekte, in denen wir systematisch alles, was wir an Informationen haben, über Objekte digitalisieren, zur Verfügung stellen. Damit kann man Objekte auch im Handel identifizieren.
    Wir arbeiten natürlich auch auf die Zeit hin, wo wir hoffentlich die syrischen Kollegen unterstützen können, ihre Denkmäler wieder aufzubauen, und wir stehen in engstem Kontakt auch zu den syrischen Antikenbehörden.
    "Jede Information, die wir haben, ist optimal"
    Allroggen: Sie nannten gerade das Stichwort Digitalisierung. Was halten Sie von der Idee Ihres britischen Kollegen Robert Mitchell, der Ende dieses Monats damit beginnen will, in den Ländern des Mittleren und Nahen Ostens 3D-Kameras zu installieren, um so alle Stätten zu digitalisieren? Kann man auf diese Weise zerstörte Kulturgüter doch noch retten für die Nachwelt?
    Fless: Jede Information, die wir haben, ist optimal und daher verfolgen ja auch wir im Deutschen Archäologischen Institut das Ziel, mit internationalen Kollegen zusammenzuarbeiten, um möglichst viele Daten zu haben.
    Wir suchen nach Wegen, auch jetzt für Flüchtlinge zum Beispiel etwas zu tun, syrische Flüchtlinge in Projekte zu integrieren in Jordanien, im Libanon, um sie zu schulen, um auch hinterher selber in ihrem Land beim Aufbau mitzumachen.
    Die Sicherheitslage ist schwierig, aber es gibt zig Möglichkeiten, hier in Deutschland mit Flüchtlingen zusammenzuarbeiten, aber auch im Grenzgebiet um Syrien herum mit den Kollegen zu arbeiten, die dahin geflohen sind, nach Jordanien, in den Libanon, um einfach sich vorzubereiten darauf, dass wir hoffentlich helfen können, die Kunstdenkmäler Syriens wieder aufzubauen und die Bewohner dort zu unterstützen.
    Allroggen: Die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, Friederike Fless, über neue Aufbauprojekte für zerstörte historische Stätten in Syrien.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.