Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Im Dienste Adenauers

Wie kaum ein anderer Geheimdienst des Westens ist der Bundesnachrichtendienst ein Produkt des Kalten Krieges. Sein Vorläufer war die von Reinhard Gehlen gegründete und von der amerikanischen Besatzungsmacht finanzierte "Organisation Gehlen". Grundlage für deren Arbeit bildete ein Archiv mit Informationen über die Sowjetunion, das der General während des Zweiten Weltkriegs zusammengetragen hatte. Heute vor 50 Jahren wurde die "Organisation Gehlen" auf Dienstanweisung des Kabinetts Adenauer eine deutsche Dienststelle.

Kirsten Heckmann-Janz | 08.08.2005
    "Dagegen muss der Bundesnachrichtendienst sich schützen, dass ungeprüfte Elemente in seine Reihen eindringen und dass er über alle Persönlichkeiten, mit denen er zu tun hat, auch unterrichtet ist."

    Die Stimme des Mannes, der Jahrzehnte das Licht der Öffentlichkeit scheute: Reinhard Gehlen. Von ihm gab es bis Anfang der 70er Jahre kein Foto und kein Interview. Der Geheimnisumwitterte war der Gründer der sogenannten "Organisation Gehlen", dem Vorläufer des für Auslandsaufklärung zuständigen Bundesnachrichtendienstes.

    Während des 2. Weltkrieges hatte Gehlen als Leiter der Abteilung "Fremde Heere Ost" umfangreiches Material über die Sowjetunion zusammengetragen und sich im Mai 1945 mit seinem Archiv der US-amerikanischen Besatzungsmacht gestellt. Im Auftrag der Amerikaner baute der einstige General die "Organisation Gehlen" auf. In ihr fanden ehemalige Wehrmachtsoffiziere, Gestapo-und SS-Männer schon ein Jahr nach Kriegsende wieder Arbeit. In der Vereinbarung zwischen den US-Behörden und Gehlen war festgehalten, dass die Organisation im Augenblick einer souveränen deutschen Regierung unter Aufhebung aller bisherigen Vereinbarungen sofort nur noch dieser verantwortlich ist.

    Doch bis dahin sollten noch zehn Jahre vergehen. Gehlen nutzte die Zeit. Er intrigierte gegen mögliche Konkurrenten, wie den Verfassungsschutzpräsidenten und einstigen Widerstandskämpfer Otto John und sorgte gleichzeitig dafür, daß seine Vertrauensleute in der Bundesrepublik an wichtigen Stellen saßen. Bereits unmittelbar nach der ersten Kabinettssitzung im September 1949 soll der Bundeskanzler Konrad Adenauer sich mit dem Geheimdienstchef aus Pullach getroffen haben. Ein enger Vertrauter und Mitarbeiter Adenauers, Hans Globke, berüchtigt als Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, hatte ein besonders enges Verhältnis zu dem ehemaligen Wehrmachtsgeneral.

    Haupteinsatzgebiet der "Organisation Gehlen" war Osteuropa, vor allem die DDR. Gehlens Informanten saßen dort sogar im Zentrum der Macht. Doch das Ministerium für Staatssicherheit schlug zurück. Kampagnen der Stasi führten ab 1953 immer häufiger zu Enttarnungen von Gehlen-Agenten. Der DDR-Rundfunk berichtete ausführlich über "Spionageprozesse" und übertrug aus Gerichtsverhandlungen.

    "(Staatsanwalt) Und wann sollten Sie mit Ihren drei Funkgeräten in Funktion treten?
    (Angeklagter) Ich sollte in Funktion treten im Kriegsfalle. Von 1952 habe ich ausschließlich von diesen Geldern gelebt, die ich dort von Burger bekommen habe.
    (Staatsanwalt) Von 1952 bis 1955 von Spionagegeldern gelebt, ja?
    (Angeklagter) Jawohl.
    (Staatsanwalt) Das ist lange, so lange leben nicht viele Spione von Spionagegeldern. Und als Grund haben Sie hier also Ihre faschistische Erziehung angegeben. Sagen Sie wenigstens zum Schluß die Wahrheit dem Gericht, was Sie mir gesagt haben, daß Sie aus innerlichem Haß gegen unsere Republik und unsere Ordnung sich als Feindfunker ausbilden lassen wollten für den kommenden Krieg, ist dem so?
    (Angeklagter) Jawohl.""

    Die zahlreichen Verhaftungen und Verurteilungen brachten die Organisation ins Gerede. Doch dem Adenauer-Freund Gehlen schadete es kaum. Nachdem im Mai 1955 das Besatzungsstatut aufgehoben worden war und die Bundesrepublik ein weitgehend souveräner Staat wurde, beschloss das Kabinett Adenauer, die Organisation Gehlen in den Bundesdienst zu übernehmen. Am 8. August 1955 wurde die Organisation per Dienstanweisung dem Bundeskanzleramt unterstellt. Im Jahr darauf bildete sie das Kernstück des am 1. April 1956 gegründeten Bundesnachrichtendienstes. Die Gründung des BND erfolgte ohne parlamentarische Debatte und wurde -ganz im Sinne eines Geheimdienstes- von der Öffentlichkeit wenig beachtet. Bis zu seiner Pensionierung 1968 war Reinhard Gehlen Präsident des BND. Eine gesetzliche Basis für eine demokratische Überprüfung des Dienstes gab es erst ab 1978. Ein eigenes Gesetz über den Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik verabschiedete der Bundestag 1991.