Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Im Hyperschalltempo über den Pazifik

Hyperschall-Flieger sollen eines Tages Passagiere in zwei Stunden von New York nach Tokio bringen. Mach 5 und mehr - solche Geschwindigkeiten erfordern völlig neuartige Triebwerke. X-51 heißt der neueste Prototyp, den die US-Luftwaffe im Dezember erstmals im Flug testen will.

Von Ralf Krauter | 02.12.2009
    X-51, so heißt der gut vier Meter lange, torpedoförmige Flugkörper, den die US-Luftwaffe in den kommenden Wochen erstmals in der Luft erproben will. Ein neuartiges Triebwerk soll ihn auf sechseinhalbfache Schallgeschwindigkeit beschleunigen. Die Erwartungen sind groß, doch Projektleiter Charles Brink, vom Air-Force-Forschungszentrum in Ohio lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

    "Ich schlafe nachts immer noch gut. Wir haben viel zu tun, aber das war in den letzten vier, fünf Jahren immer so."

    Fünf Jahre - solange liegt der letzte Flugtest des Vorläufers der X-51 zurück. Der hieß X-43 und war seinerzeit noch von der US-Weltraumbehörde entwickelt worden. 2004 war es der NASA gelungen, ihn auf Mach 10 zu beschleunigen. Das entspricht rund 11.000 Stundenkilometern und war neuer Rekord. Was umso bemerkenswerter ist, als das Luft atmende Überschallstrahltriebwerk, genannt Scramjet, damals nur zehn Sekunden lang lief.

    Sein verbesserter Nachfolger soll diesmal fünf Minuten durchhalten. Im Prinzip besteht das Triebwerk nur aus einem sich verjüngenden Luftschacht, in den Treibstoff eingespritzt wird. Weil die einströmende Luft komprimiert und dabei stark erhitzt wird, verbrennt der Treibstoff und erzeugt Schub und Feuerstrahl wie bei einer Rakete, erklärt der australische Professor Russell Boyce von der Universität Queensland.

    "Scramjets sind konzeptionell sehr einfach, aber der Teufel steckt im Detail. Die Luft strömt so schnell durch den Schacht, dass es extrem schwierig ist, den Treibstoff kontrolliert zu verbrennen. Gelingt es doch, erhitzt sich das Triebwerk schnell auf weit über 1000 Grad und zerstört sich dadurch schlimmstenfalls von selbst."

    Um das zu verhindern, wird die aus einer Nickellegierung bestehende Brennkammer der X-51 aktiv gekühlt. Und zwar mit einem Flüssigkeitskreislauf, durch den exakt jener spezielle Dieseltreibstoff strömt, der anschließend verbrennt, erklärt Charles Brink.


    "Der Treibstoff kühlt den Motor, damit dessen Struktur intakt bleibt. Dabei nimmt der Sprit Wärme auf, die ihn verdampft und in kleinere chemische Komponenten zerlegt, die effizienter verbrennen. Die Kunst besteht darin, die Temperatur der Brennkammer in einem Bereich stabil zu halten, wo ihre Wände noch nicht schmelzen, der Kraftstoff aber reaktionsfreudig genug ist, um den nötigen Schub zu liefern, wenn er verbrennt. Wir haben mehrere Tests in einem Überschall-Windkanal am Boden gemacht. Da lief alles prima. Deshalb fühlen wir uns jetzt für Flugversuche gewappnet."

    Für die bevorstehenden Tests hat die US-Luftwaffe insgesamt vier der Scramjet-Flieger X-51 beim Luftfahrtkonzern Boeing bestellt. Der erste wurde bereits geliefert. Im Dezember soll ihn ein umgebauter B-52-Bomber auf 15 Kilometer Höhe tragen. Dort wird er ausgeklinkt und zunächst von einem konventionellen Raketenmotor auf Mach 4,5 beschleunigt - als Starthilfe für den Scramjet sozusagen. Denn erst ab diesem Tempo komprimiert der pfeilförmige Flugkörper die Luft so stark, dass der Überschall-Motor gezündet werden kann.


    "Wir wollen zeigen, dass das Scramjet-Triebwerk stabil läuft und genügend Schub liefert, um den Flieger auf Mach 6 und darüber zu beschleunigen. Während des Testfluges, der nach gut fünf Minuten mit einem kontrollierten Absturz im Pazifik endet, funken wir alle wichtigen Betriebsparameter zur Edwards Air Force Base. Anhand dieser Messwerte können wir dann entscheiden, ob Scramjets reif für die Praxis sind und künftig in anderen superschnellen Flugkörpern zum Einsatz kommen könnten."

    Die erste Anwendung ist kein Geheimnis: neuartige Marschflugkörper fürs Militär, die mit Mach 5 und schneller ins Ziel rasen. Laufen die anstehenden vier Testflüge nach Plan, könnten die Hochgeschwindigkeits-Raketen wohl zwischen 2016 und 2020 einsatzreif sein, schätzt Charles Brink.