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Im Kampf um das Urheberrecht

Die GEMA, die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte", vertritt als Inkasso-Organisation die Urheberrechte ihrer Mitglieder. Am 28. September 1933 nahm ihre Vorläuferin, die STAGMA, als Ergebnis der nationalsozialistischen Kulturpolitik unter Joseph Goebbels die Arbeit auf.

Von Stefan Zednik | 28.09.2013
    Kämpfer für die Anwendung des Urheberrechts war Richard Strauss - als Präsident der Reichsmusikkammer Repräsentant Nazi-Deutschlands.
    Kämpfer für die Anwendung des Urheberrechts war Richard Strauss - als Präsident der Reichsmusikkammer Repräsentant Nazi-Deutschlands. (picture-alliance / dpa / Tourismusverband München Oberbayern)
    "Als wir mit dem neuen Aufbau des deutschen Kulturlebens kurz nach der Übernahme der Macht durch den Führer begannen, herrschten auf dem weiten Gebiet der Künste geradezu chaotische Zustände. Unsere erste Aufgabe bestand darin, aus diesem Wirrwarr der Vereine und Verbände eine klare und homogen wirkende Organisationseinheit zu schaffen."

    So rekapitulierte Propagandaminister Joseph Goebbels im Dezember 1934 die Ergebnisse von eineinhalb Jahren nationalsozialistischer Kulturpolitik. Ihm unterstand die Reichskulturkammer, der wiederum die Reichsmusikkammer eingegliedert war. Das vielleicht wichtigste kooperierende Mitglied: die "staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte", kurz STAGMA, die am 28. September 1933 offiziell ihre Arbeit aufnahm.

    In ihr waren alle bis dahin existierenden Verwertungsgesellschaften zusammengefasst. Dadurch konnte der Einzug der Gebühren von den Musiknutzern wie die Verteilung von Honoraren an Komponisten und Textdichter von zentraler Stelle aus organisiert werden. Wichtigster Protagonist im Kampf um das Urheberrecht und seine Anwendung war Richard Strauss, einst Vertreter einer musikalischen Moderne, jetzt Präsident der Reichsmusikkammer. Schon am 15. Dezember 1902 hatte er seinem Verleger berichten können:

    "Samstag wurde in großer Versammlung von Komponisten und hiesigen Leipziger Verlegern die sofortige Gründung einer 'Tantiemenanstalt' fest beschlossen. Die Sache kommt und wird reüssieren!"

    Nun, mehr als 30 Jahre später, war mit der STAGMA eine solche Institution vom Staat installiert, freilich mit einer willkürlichen Begrenzung der Nutznießer. Denn "Nichtarier" waren nach den Richtlinien der Reichsmusikkammer ab 1934 ...

    "... grundsätzlich nicht als geeignete Träger und Verwalter deutschen Kulturguts anzusehen ..."

    ... und damit in der Zukunft von Ausschüttungen der STAGMA ausgeschlossen. Ab nun galt: Vom Drehorgelspieler bis zum Symphonieorchester, vom Radio bis zur Kurkapelle, vom Schallplattenvertrieb bis zum Männerchor – niemand konnte den Bescheiden des Verbandes entgehen. Nach genauen Schlüsseln erfolgte die Gebührenberechnung: Raumgröße, verlangtes Eintrittsgeld, Zeitdauer, Stärke der Kapelle und andere Kriterien wurden berücksichtigt.

    Eine besondere Rolle spielte die Einteilung in die Kategorien "E"- oder "U"-Musik. Denn während die Einnahmen der U-Musik etwa 1937 das 13-fache der E-Musik betrugen, galt bei der Ausschüttung, dass 33 Prozent aller Nettoeinnahmen, berechnet nach einem komplizierten Punktesystem, an Komponisten in der Tradition von Mozart, Beethoven und Brahms zu gehen hatten. Norbert Schulze, Komponist von "Lili Marleen", stieß mit seinem Vorschlag, das so genannte "ernste Drittel" abzuschaffen bei Goebbels auf offene Ohren – zum Entsetzen von Richard Strauss, der in der erfolgten Abschaffung der Quote einen "straßenräuberischen Überfall" sah.

    Nach dem Krieg gelingt es der STAGMA schnell, ihre Geschäfte wieder aufzunehmen. 1947 wird sie in GEMA, in "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" umbenannt. Obwohl jetzt frei von staatlicher Einflussnahme behält sie ihre monopolartige Stellung. Als Inkasso-Organisation mit inzwischen über 1000 Mitarbeitern nimmt sie zunehmend auch die Vertretung ausländischer Rechteinhaber wahr und sieht sich bei einer rasant wachsenden Unterhaltungsindustrie einer Unzahl neuer Herausforderungen gegenüber.

    Ob bei Tonbandgerät, Kassetten- oder Videorekorder, ob bei Leerkassette, Computer, beschreibbarer CD oder Memorystick – stets setzt sie sich, meist erfolgreich, für die materiellen Rechte ihrer Mitglieder ein. Mitunter erzeugt ihr Vorgehen jedoch allgemeines Kopfschütteln. Sogar beim Ball der Freiwilligen Feuerwehr oder dem weihnachtlichen Kirchenchorauftritt im Seniorenheim bittet die GEMA zur Kasse. So kann auch das Singen der Kleinsten zum teuren Spaß werden: Selbst bayerische Kindergärten fanden jüngst Zahlungsaufforderungen des mächtigen Verbandes in ihrem Postkasten.