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Im Land der edlen Nüsse

Auf der thailändischen Insel Ko Phayam sind Cashewkerne Exportschlager Nummer eins. Hier werden die edlen und teuren Nüsse mit der Hand geerntet. Die Cashews aus ihrer Schale zu bekommen, ist nicht einfach: Denn diese enthält ein ätzendes Öl.

Von Anneke Wardenbach | 19.07.2009
    Oy ist eine kleine, etwas korpulente Mittvierzigerin, ein Energiebündel. Sie lebt auf der Cashew-Insel Ko Phayam in Thailand und produziert Cashewkerne nach der traditionellen Methode.

    "Das mache ich gerne. Ich bin stolz darauf, auch wenn ich nur wenig verdiene. Ich habe die Generationen alte Methode von den Alten hier gelernt."

    Noch ist die kleine Insel ein Geheimtipp unter Touristen: Ko Phayam an der thailändischen Andamanenküste ist viel weniger bekannt, als die gleichnamige Insel auf der anderen Seite im Golf von Thailand. Autos gibt es hier nicht. Die Straßen bestehen aus Betonplatten, kaum anderthalb Meter breit.

    Geschickt balancieren Mopedtaxis über die löchrigen staubigen Wege. Sie bringen meistens Ruhe suchende Touristen zu den Stränden. Doch zu Beginn der Trockenzeit hängen große Säcke auf den Gepäckträgern: gefüllt mit Cashewnüssen, dem wichtigsten Produkt der Insel.

    Oy hat ein einfaches Häuschen aus Bambus und Palmwedeln in einer Cashewplantage. An den steilen Bergen der kleinen Insel wuchert noch der thailändische Dschungel, in den flachen Ebenen dazwischen musste er weichen für große knorrige Bäume in langen Reihen. Sie sehen aus wie überdimensionierte Apfelbäume. An den am weitesten Ausladenden leuchten die Cashewfrüchte rot oder gelb. Sie sehen aus wie Paprika, die verkehrt herum hängen. Das, was an der Paprika der Stiel wäre, ist hier der Samen, in dem der begehrte Cashewkern verborgen ist. Im Februar sind die massiven, saftigen Früchte reif und fallen mit dem Samen vom Baum.

    Dann streifen Sammler gebückt unter den Bäumen umher. An ihren Hüften baumeln Beutel für die Nüsse. Sie lesen die Früchte auf, schneiden die Nuss ab und werfen den Rest weg. Das Fruchtfleisch ist zwar essbar, verdirbt aber schnell. Sammlerin Saomani trägt Handschuhe, denn die Schale der Cashewnuss enthält einen sehr aggressiven Saft, erklärt sie und zeigt auf die grünbraunen bohnenförmigen Nüsse in ihrem Beutel:

    "Manche Touristen wissen das nicht. Sie beißen in die Cashewnussschale und verbrennen sich."

    Frank Buwak hat bei seinem ersten Besuch auf der Cashew-Insel Ko Phayam versucht, die sehr harte, aber elastische Schale mit den Zähnen zu knacken:

    "Diese Feuchtigkeit, die da drin ist, die ist extrem aggressiv, richtig ätzend. Ich hab da nur ganz kurz reingebissen und sofort ging der Schmerz los - und das spuckt man natürlich sofort aus. Aber diese eine Sekunde, die ich die Schale an der Lippe hatte: Obwohl ich es sofort gewaschen hab, hatte ich da so eine Brandblase, die erst nach zwei, drei Wochen zugeheilt war."

    Das Öl aus der Cashewnussschale ist ein wertvolles Naturprodukt. Es wird von großen Betrieben mit viel technischem Aufwand gewonnen und in Bremsbelägen, Spezialfarben und Medikamenten verwendet. Viele der kleinen Bauern auf Ko Phayam verkaufen die Nüsse daher an Großhändler in der nächsten Stadt Ranong. Denn auch nur die Kerne allein zu gewinnen, ist mit langwieriger Handarbeit verbunden. Die umtriebige Oy tut es trotzdem und beschäftigt damit mehrere Frauen. Neben ihrer Hütte trocknen ungeschälte Cashewnüsse in der Sonne. Oy wendet sie mit einer Harke.

    "Nach zehn Tagen in der Sonne müssen wir die Nüsse kochen, um die ätzende Wirkung des Öls in der Schale zu reduzieren."

    Auf einem Feuer blubbert Wasser in einer riesigen Tonschüssel. Oy schüttet aus einem Plastikbeutel Natron hinzu. Das neutralisiert das ätzende Öl der Cashewnussschale etwas. Doch es bleibt gefährlich, die Schalen zu öffnen.

    An einem Art Nähmaschinentisch sitzt eine Arbeiterin. Sie trägt Gummihandschuhe und hat sich die Arme mit einer Lehmpaste eingeschmiert - zum Schutz vor Spritzern. Im Gesicht hat sie winzige runde Narben, wo sich Spritzer des Cashewnussöls in die Haut eingebrannt haben. Sie nimmt jede Nuss einzeln, klemmt sie in einen Halter und spaltet die Schale mit einem Fallbeil.

    Fünf Kilo frische Nüsse ergeben nur ein Kilo Kerne. Das Werkzeug trieft von dem ätzenden Schalenöl. Mit einem Geißfuß hebelt die Arbeiterin die Schale auf und pult ihn vorsichtig heraus: den Cashewkern.

    Er hat noch ein bräunliches Häutchen. Um es zu entfernen, werden die Kerne geröstet und dann gepellt. Auch das geschieht hier bei den thailändischen Bauern mit der Hand. Bei großen Herstellern sind Teile der Cashew-Verarbeitung heutzutage mechanisiert. Aber selbst dann ist noch viel Handarbeit nötig. Handarbeit gehört einfach zu der Delikatesse Cashewkern, sagt Oy:

    "Maschinen zerbrechen die Kerne. Hier auf der Insel haben wir sowieso nur Solarstrom. Das ist die Energie der Götter. Bei Handarbeit weiß man hinterher, was man gemacht hat. Das schafft auch Respekt vor der Natur."

    Nicht alle Bewohner der Cashew-Insel Ko Phayam nutzen nur die Energie der Götter, also Solarstrom. Viele machen sich auch die Mühe und bringen mit dem Schiff Diesel in Fässern her. Kühlschränke in den wenigen Lebensmittelgeschäften, Klimaanlagen für Touristenbungalows und die neue Tsunami-Warnanlage brauchen Strom.

    Wenn sich die Dunkelheit wie ein Teppich über den Dschungel in den Berghängen, über die Cashewplantagen in den Ebenen und über die Palmen an den Stränden legt, dringt bisweilen das Brummen der Dieselgeneratoren durch die brütend warme Nacht.

    Dann sitzen Touristen und Einheimische ihn ihren Hütten oder unter offenen Restaurantdächern und genießen im schwankenden Licht der Glühbirnen die vielseitige thailändische Küche. Und zwischen Fisch, Hühnchen, Ingwer, Mais, Tomaten, Zitronengras oder Knoblauch taucht immer wieder mal ein Cashewkern mit seinem charakteristischen süßlich-nussigen Aroma auf.