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"Im Mandat steht drin, sofern die Sicherheitslage es erlaubt"

"Erwartet denn jemand, dass wir, ohne dass es die Sicherheitslage erlaubt, aus Afghanistan herausgehen?" Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt bekräftigt: Der vorgesehene Abzugsbeginn aus Afghanistan Ende des Jahres ist nicht verbindlich.

28.01.2011
    Christoph Heinemann: Wir haben es geschafft. Guten Morgen, Christian Schmidt, Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, jetzt am Telefon.

    Christian Schmidt: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Schmidt, Sie haben es, glaube ich, nicht mehr hören können. Der Obermaat der Reserve Martin Jäger würde nicht noch einmal nach Afghanistan gehen. Wieso müssen seine ehemaligen Kameraden dort bleiben?

    Schmidt: Ich hatte ihn nur so weit noch gehört, dass auch Obermaat Jäger gesagt hat, dass er es für richtig hält, dass die Bundeswehr noch in Afghanistan ist. Ungeachtet dessen, ich verstehe jeden, der nicht mit großer Freude nach Afghanistan geht, und wir können auch versichern, darf ich mal sagen, dass wir nicht über das notwendige Maß hinaus weder personell im Umfang, noch materiell, noch im zeitlichen Rahmen in diesem Land bleiben werden.

    Heinemann: Heißt das, dass verbindlich in diesem Jahr der Abzug beginnt?

    Schmidt: Nein! Die Diskussion kann ich, Herr Heinemann, eigentlich nicht ganz verstehen. Im Mandat steht drin, sofern die Sicherheitslage es erlaubt. Erwartet denn jemand, dass wir, ohne dass es die Sicherheitslage erlaubt, aus Afghanistan herausgehen? Sicherheitslage heißt ja auch Schutz für die Soldaten, für unsere Soldaten, die noch da sind. Also ich glaube, das ist eine sehr kluge und vernünftige, aber auch zielorientierte Position, und so ein klein wenig erinnert mich die Diskussion bei uns mehr an eine innenpolitische deutschmediale Diskussion, aber eigentlich nicht an den sachlichen Fragen orientiert.

    Heinemann: Wie messen Sie denn Sicherheit?

    Schmidt: Sicherheit messe ich daran, dass nicht die Gefahr besteht, dass unsere Soldaten sozusagen Teil eines Konflikts werden, aus dem sie sich nicht mehr herauslösen können.

    Heinemann: Herr Schmidt, der Nachschub für die Taliban rollt über den Norden zunehmend, also über das deutsche Einsatzgebiet. Wieso ist die Bundeswehr nicht in der Lage, das zu unterbinden?

    Schmidt: Sie gestatten, dass ich diese Frage, die in der Frage liegende Behauptung, Erwartung so nicht teile. Die Dinge verändern sich, aber auch die Erfolgslage im Norden, Erfolg im Sinne einer Unterbindung von gegnerischen Aktivitäten, ist eigentlich nicht schlecht. Sie ist nicht zufriedenstellend und beruhigend, dass die Sicherheitslage es ermöglicht, schon in den nächsten Monaten komplett zu gehen, aber ich betrachte das nicht gegenwärtig als so eine schlechte Situation.

    Heinemann: Also nach zehn Jahren immer noch nicht befriedigend?

    Schmidt: Ja, die Dinge haben sich geändert. In den zehn Jahren ging es auch durch die Aktivitäten der Taliban, die von Pakistan aus sich regeneriert haben, wieder eingedrungen sind, gerade in den letzten Jahren weiter nach oben. Ich glaube, wir sind jetzt an einem Punkt, bei dem wir es schaffen können, es ist noch nicht in Granit gemeißelt, aber es schaffen können, dass wir die Konfliktsituation wieder reduzieren und im Griff behalten, sodass die Menschen in Afghanistan eine friedliche Entwicklung haben.

    Heinemann: Herr Schmidt, Hamid Karsai ist ein begabter Wahlfälscher, der Bruder des Präsidenten einer der Bosse des Drogenhandels in Afghanistan, der vermutlich mehr Menschen auf dem Gewissen hat als so mancher Taleb. Wieso läuft so jemand nach zehn Jahren des internationalen Einsatzes immer noch frei herum?

    Schmidt: Die Frage der Korruption, des Nepotismus, die macht uns große Sorgen. Da sind die Fortschrittsmeldungen sehr, sehr viel verhaltener. Wir sehen allerdings auch einen Teil der guten Regierungsführung, die wir erwarten. Das ist übrigens nicht nur eine Frage der Regierung, sondern auch von weiten Strukturen der organisierten Kriminalität, die wir sehen. Wir haben den Aufbau einer relativ stabilen Polizei in der Hoffnung und Erwartung, dass da sich nicht auch Korruption festmacht. Wir haben da sanfte Zeichen der ersten Besserung, aber unbestritten: das ist eines der zentralen Probleme der Stabilität Afghanistans, das man von außen und mit militärischen Mitteln – und dafür spreche ich jetzt – natürlich nicht grundlegend verändern kann.

    Heinemann: Herr Schmidt, das Verteidigungsministerium hat im Moment viele Baustellen zu bearbeiten. Die "Bildzeitung" feuert in diesen Tagen eine Breitseite nach der anderen auf das Ministerium ab, gestern ein Gorch Fock-Kommandant auf Wasserskiern. Das macht sich nicht gut in diesen Tagen. Wie erklären Sie sich diese kleinen Aufmerksamkeiten aus dem Hause Springer?

    Schmidt: Also Herr Heinemann, schön wär's, wenn wir tatsächlich uns nur um die Frage des Surfens oder Wasserskifahrens von Bundeswehroffizieren austauschen müssten. Das ist für mich eine völlig unbeachtliche Nebensächlichkeit. Wir verlieren etwas den Pfad. Wir sind nicht im Dschungelcamp, sondern wir sind in einer seriösen, ernsthaften, gefährlichen politischen und militärischen Situation, die wir Stück für Stück in friedliche Dinge überführen wollen. Also ich habe mich zurückgehalten in den letzten Tagen bei der Diskussion. Mir fiele manches auch an Hinweisen an manchen Diskutanten mit ein, die Maßstäbe nicht zu verlieren und so zu tun, als ob alles, was irgendwo nach Krawall oder Skandal aussieht oder danach entwickelt werden könnte, dann zur Freude der eigenen politischen Seite innenpolitisch auszuschlachten wäre. – Damit ist eigentlich alles gesagt.

    Heinemann: Stichwort Dschungelcamp. Muss Herr zu Guttenberg sein Verhältnis zur "Bildzeitung" mal klären?

    Schmidt: Also ich denke, Herr zu Guttenberg hat ein gutes Verhältnis zu allen Medien und er geht verantwortungsvoll in seiner Funktion mit Informationen um. Dass Kritik aus den Medien kommt, das ist Teil der öffentlichen Auseinandersetzung und nicht eine Frage des Verhältnisses zu irgendwelchen Medien.

    Heinemann: Christian Schmidt (CSU), Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schmidt: Gerne! Danke.

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