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Im Norden viel los

Umwelt. - Der Klimawandel sorgt in der Arktis dafür, dass in Zukunft weite Teile eisfrei und damit wirtschaftlich nutzbar sein werden. Doch nicht nur unter dem Eis verborgene Rohstoffe wie Öl und Gas locken Investoren auf den Plan. Auch die eisfreien arktischen Gewässer, in denen sich wirtschaftlich interessante Fischarten tummeln, wecken Begehrlichkeiten. Auf der Arctic Frontiers Konferenz, die gerade im norwegischen Tromsö stattfindet, diskutieren Wissenschaftler und Politiker darüber, ob und wie sich die zukünftigen arktischen Ressourcen nutzen lassen.

Von Christine Westerhaus | 25.01.2013
    Wenn sich das arktische Meereis zurückzieht, leidet zwar der Eisbär darunter. Doch für einige andere Arten öffnen sich damit neue Horizonte. Für Fische zum Beispiel. Schon jetzt wandern Makrele, Kabeljau und Hering immer weiter in den Norden und offenbar sind die Bedingungen für sie so gut, dass sie sich reichlich vermehren. Seit 1948 war der arktische Kabeljaubestand nicht mehr so groß, wie in diesem Jahr. Grund dafür könnte unter anderen die hohe Produktivität in eisfreien arktischen Gewässern sein, meint Paul Wassmann, der als Professor für Arktisbiologie an der Universität Tromsö forscht. Denn dort, wo das Sonnenlicht nicht mehr durch Eismassen abgefangen wird, können Meeresalgen es dazu nutzen, Biomasse zu produzieren und damit Nahrung für Fische zu liefern.

    "Die Produktivität in der Arktis wird sich deshalb auf zwei Wegen verändern: Im südlichen Teil verringert sie sich, weil sich die oberen Wasserschichten aufwärmen und weniger durchmischt werden. Im nördlichen Teil vergrößert sie sich dort, wo Gebiete eisfrei werden. Und damit öffnen sich ganz neue Möglichkeiten für Fischpopulationen."

    Ein limitierender Faktor für die Produktivität eines Gewässers sind Nährsalze. Werden die oberen Schichten im Meer weniger durchmischt, gelangt das nährstoffreiche Tiefenwasser nicht in die oberen Zonen. Also dorthin, wo Algen das Sonnenlicht in Biomasse verwandeln. Von diesen mikroskopisch kleinen Planktonalgen ernähren sich vor allem winzige Krebstierchen, die wiederum von größeren Tieren gefressen werden. Damit sind die Krebstierchen ein wichtiges Bindeglied zwischen den Algen, also den Primärproduzenten, und größeren Tieren. Margaret McBride, die am norwegischen Meeresforschungsinstitut in Bergen arbeitet, hat untersucht, wie gut diese Beutetiere mit dem Klimawandel zurecht kommen. Dabei hat sie arktische Krebstierchen mit antarktischen verglichen.

    "Wir haben beobachtet, dass die Krebstierchen, die in der Arktis leben, viel besser mit den Folgen des Klimawandels zurecht kommen, als diejenigen, die in der Antarktis leben. Das arktische Zooplankton scheint weniger vom Meereis abhängig zu sein. Außerdem haben die dort lebenden Krebstierchen eine andere Lebensstrategie, als in der Antarktis."

    Sie leben kürzer und produzieren mehr Nachkommen. Diese Lebensstrategie gilt unter Biologen als besonders anpassungsfähig, weil eine Art durch viele Nachkommen schneller auf Umweltveränderungen reagieren kann. Langlebige Spezies mit wenigen Nachkommen sind weniger flexibel. McBride:

    "Wir haben aus unserer Studie gelernt, dass der Klimawandel vielleicht dazu führen wird, dass es in der Arktis mehr Arten geben wird, die sich schneller vermehren und kürzer leben. Das Problem ist aber, dass die meisten Fischarten, die auf unseren Tellern landen, langlebig sind. Als Nutzer dieser Ressource sollten wir deshalb also auch unsere Ernährung daran anpassen."

    Auch Margaret McBride erwartet, dass der Klimawandel den Fischreichtum in der Arktis vergrößern wird. Sie warnt aber davor, diese neue Ressource vorschnell auszubeuten.

    "Ich denke, dass mehr Fischarten in die Arktis einwandern werden. Doch sie werden dort wahrscheinlich mit anderen um Nahrung konkurrieren müssen. Deshalb denke ich, dass eine neue Fischerei weit in der Zukunft liegt. Das arktische Ökosystem muss sich momentan sehr schnell an klimabedingte Veränderungen anpassen. Wir sollten es deshalb als gestresst ansehen und als solches behandeln, damit es sich in Ruhe an die neuen Bedingungen anpassen kann."

    Die Diskussionen darüber, wie die neuen Ressourcen in der Arktis genutzt werden können, haben jedoch schon längst begonnen. Es ist deshalb fraglich, ob dem arktischen Ökosystem diese Ruhe gegönnt wird.