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Im Rausch der Bilder

Immer mehr Jugendliche sind onlinesüchtig. Dabei haben deutlich mehr Jungen das unwiderstehliche Verlangen, am Computer zu sitzen. Das Erscheinungsbild der Krankheit ähnelt der Alkoholsucht.

Von Julia Lührs | 21.08.2010
    "Uralte Länder sind zerrissen, und die Zerstörung weitet sich aus, doch auch neu gefundenes Leben erwacht ... Während die Welt am Rand des Abgrundes steht und der Streit um die Vormacht zum Kampf ums bloße Überleben wird, haben die Helden der Welt neue Wege gefunden Ruhm zu ernten!"

    Der Trailer des Computerspiels "World of Warcraft".

    Onlinesüchtiger: "Ich war nie ein Typ, der sich viel für Rechner interessiert hat, geschweige denn Spiele, nur dieses eine Spiel hat mich so direkt gefesselt und ist für mich fast unbegreiflich, wie ich so abrutschen konnte. Weil ich eigentlich so einen Charakter gar nicht besitze, dass ich mir von solchen banalen Sachen vorschreiben lasse, wie ich mein Leben zu leben habe. Ist trotzdem so passiert ..."

    Der junge Mann möchte weder seinen Namen, sein Alter, seinen Beruf noch Wohnort nennen. Er will anonym bleiben. Nennen wir ihn Michael. Michael ist groß, schlaksig, hat dunkelblondes Haar, trägt Jeans und ein T-Shirt. Er besitzt eine freundliche Ausstrahlung und wirkt wie Anfang zwanzig. Seit zweieinhalb Jahren ist er von dem Computerspiel "World of Warcraft" abhängig.

    Onlinesüchtiger: "Das Spiel greift so in ihr Leben ein, dass Sie selbst während der Arbeit keine Ruhephase haben. Sie denken andauernd an das Spiel, wann Sie wieder schnellstmöglich spielen können. Wenn Sie nicht spielen können, denken Sie auch welche Abteilungen Sie durchlaufen können bei dem nächsten Mal, wenn Sie sich einloggen. Und was Sie genau machen. Ist im Grunde genommen alles schon vorgeplant. In den Bereichen, wo man eigentlich die Konzentration für andere Bereiche bräuchte."

    Vor drei Jahren fing alles harmlos an: Mit einem Freund spielte er ein bis zwei Stunden am Tag "World of Warcraft". Unterwegs, in der virtuellen Welt trafen sie weitere Mitstreiter und bildeten Gemeinschaften. Von da an vereinbarten sie immer mehr Spieltermine. Die Abhängigkeit entwickelte sich schleichend - im Laufe mehrerer Monate.

    Onlinesüchtiger: "Wochenende war immer ganz brisant. Wenn man halt wenig zu tun hatte, und dann kamen doch die ersten Tage, wo man schon mal sechs oder acht Stunden gespielt hat. Und gar keinen Sinn darin sah den Rechner runterzufahren."

    Seit 14 Wochen macht Michael eine Therapie, um von seiner Computerspielsucht und von dem Spiel "World of Warcraft" loszukommen. Experten stufen dieses Spiel als hochgradig gefährlich ein. So wie der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Christian Pfeiffer. Der Wissenschaftler hat die bisher größte deutsche Jugendstudie zur Computernutzung durchgeführt und herausgefunden.
    Christian Pfeiffer: "World of Warcraft ist der Suchtmacher Nummer eins nach unseren Erkenntnissen. Wir hatten ja die Jugendlichen gebeten einfach die Spiele, die sie aktuell nutzen, anzugeben. Und da hatte World of Warcraft die höchsten Nennungen. Was den Zeitfaktor angeht. Der durchschnittliche World of Warcraft-User im Alter von 15 braucht 3,9 Stunden pro Tag hierfür. Und das sind dann keinesfalls alles Süchtige. Das sind dann überwiegend schlichte Vielspieler.

    Die einen hohen Teil ihrer Freizeit dafür einsetzen: In einer Gruppe mit anderen gemeinsam einen Drachen zu erlegen oder andere Fabelungeheuer zu töten, Punkte zu sammeln, erfolgreich zu sein, Anerkennung zu ernten, tief einzutauchen in diese fantastischen Welten dieses Spiels."

    Aber warum geht gerade von diesem Spiel ein so hohes Suchtrisiko aus? Pfeiffer sieht die Gründe in der Machart - der Belohnungsstruktur:

    Christian Pfeiffer: "Man wird nicht jedes Mal belohnt. Man wird mal zufällig beglückt, durch Erfolg. Dass man nicht nur den Spielerfolg hat, sondern auch das angestrebte Beutestück erlangt, das Superschwert, das stärker ist als alle anderen. Der Superhelm, der einen ganz doll schützt usw. Und das nennen Psychologen das Prinzip der intermetierenden Verstärkung, nach diesem Prinzip werden auch Hunde abgerichtet. Oder generell Menschen dazu gebracht, Dinge zu tun, die sie sonst vielleicht nicht so zwingend angesteuert hätten."

    Das zweite Element ist der Zeitfaktor: Je länger man spielt, desto mehr Punkte bekommt man. Die Spieler tauchen viele Stunden lang in eine andere, mutmaßlich bessere Welt ab:

    Onlinesüchtiger: "Ist alles schön bunt. Ist eine Phantasiewelt, keine Frage – schöne Musik immer dabei. Anderes Gebiet, andere Musik, aber immer schön harmonisch, ist halt im Grunde genommen viel für die Sinne ... werden auf jeden Fall so derbe angesprochen, man kann sich denen, den graphischen Elementen und Musik schlecht entziehen. Also es ist auch so, dass man dann kurz vor dem Einschlafen schon die Melodie noch einmal gerne im Ohr hätte. Ist gut gemacht das Spiel. Da stecken auf jeden Fall Psychologen dahinter, anders kann ich mir das nicht erklären."

    In der vom Bundesinnenministerium finanzierten Studie haben Pfeiffer und sein Team insgesamt 45.000 Jugendliche in 61 deutschen Städten und Landkreisen befragt:

    Christian Pfeiffer: "Und da zeigte sich dann, dass von den Mädchen 0,3 Prozent massiv abhängig waren und weitere 0,5 Prozent als hoch gefährdet einzustufen sind. Von den Jungen jeweils fast das Zehnfache, also drei Prozent in der Abhängigkeit gelandet. Und weitere 4,5 Prozent in der massiven Gefährdung. In Zahlen ausgedrückt waren das, wenn wir beides zusammenaddieren: 34.000 Jungen gegenüber 3700 Mädchen, die entweder abhängig sind oder als hochgefährdet, als suchtartig spielen ergeben haben."

    Dennoch behält die Mehrheit der Jugendlichen beim Spielen die Kontrolle, selbst bei World of Warcraft. Gefährlich kann es aber für Jugendliche werden, die in Krisen stecken:

    Christian Pfeiffer: "Die Computerspielindustrie behilft sich gerne mit der Behauptung, es sind die Suchtcharakter, die Menschen, die von vorneherein geeicht sind, darauf süchtig zu werden ... Und das ist eine Schutzbehauptung, eine schlichte Lüge. Aus unseren Daten ergibt sich das so nicht. Etwas was stimmt ist, dass junge Menschen, die gerade so eine alterstypische Pubertätskrise durchlaufen eher gefährdet sind als der, der im prallen Leben steht, Erfolg bei Freunden hat, in der Schule, beim Sport ...

    Der ist schutzgeimpft gegen die Gefahren der Sucht, solange es ihm derart gut geht. Aber zum jung sein gehört nun mal auch die Phase ... wo es einem gerade nicht so gut geht, wo man mit den Eltern Zoff hat ... wo man einen Hänger hat bei den Schulnoten ... Aber wenn da dann, das super Erfolgserlebnis Computerspiel kommt, dann ist man gebannt, ist fasziniert davon, wie schnell und einfach und sicher man hier Anerkennung ernten kann ..."
    Pfeiffer glaubt, dass die Sucht jeden treffen kann, der auf Bestätigung angewiesen ist. Auch Michael hat die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und die Anerkennung durch die gemeinsam durchlebten Kämpfe und Abenteuer gefesselt. Dadurch lebte er sein fehlendes soziales Leben aus.

    Onlinesüchtiger: "Ich bin regelrecht geflüchtet in diese Welt. In jeglicher Hinsicht, ob es aus dem sozialen, familiären Bereich kam, auf der Arbeit sind irgendwelche Sachen passiert, das hat man sich alles so zu Herzen genommen, bevor man sich dann richtig Gedanken gemacht hat im Feierabend, hat man den Rechner hochgefahren und sich mit dem Spiel befasst, weil dann musste man halt nicht mehr drüber nachdenken um die ganzen Problemsituationen und konnte sein virtuelles Leben ausleben."

    Er ging nicht mehr zur Arbeit, meldete sich immer häufiger krank und verlor seinen Job. Über zwei Jahre lang spielte er tage- und nächtelang durch. Und schottete sich immer weiter ab.

    Onlinesüchtiger: "Ich wollte irgendwann gar nicht mehr dieses normale Leben leben. Ich habe mich so mit diesem Charakter identifiziert, dass ich das virtuelle Leben meinem Leben vorgezogen habe. Und somit kam das im Grunde genommen auch, dass ich irgendwann selber wollte, dass ich meinen Job verliere. Und dementsprechend so tief gerutscht bin, ja dass ich gar nichts anderes mehr gemacht habe, außer Spielen. Selbst die Ernährung blieb auf der Strecke und es ging immer tiefer. Problembewältigung mit dem Spielen."

    Um das exzessive Computerspielen von Jugendlichen einzudämmen, fordert Christian Pfeiffer strengere Altersfreigaben. Generelle Computerspielverbote hält er für sinnlos, da sie das Spielen erst recht interessant machen würden.

    Christian Pfeiffer: "World of Warcraft" als der größte Suchtmacher aller Zeiten ist ab zwölf freigegeben – völlig absurd. Damals als die Alterseinstufung vorgenommen wurde, kannte man das Problem der Sucht allerdings noch nicht. Von daher müsste juristisch geklärt werden, ob man jetzt im Nachhinein diese falsche Alterseinstufung korrigieren kann. Damit ein Warnsignal da ist, für die Eltern, die sich bisher darauf verlassen, das scheint ja Kinderkram zu sein, wenn es ab zwölf erlaubt ist, dann kann ich es ja meinem Sohn zu Weihnachten schenken. Also da muss ich dem Staat schon vorhalten ... dass sie ihre Pflichtaufgaben nicht erfüllen, dass sie auf die Suchtgefahr, die von bestimmten Spielen ausgeht, bisher noch keine Antwort gefunden haben."

    Die Bundesregierung hat zwar die "Internet- und Onlinesucht" erstmals in ihrem offiziellen Drogen- und Suchtbericht 2009 aufgeführt. Damit wird die Internetsucht gleichberechtigt neben anderen Suchtformen wie Alkohol, Nikotin oder Heroin eingereiht.

    Allerdings verweist die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmanns, darauf, dass es bisher an aussagekräftigen Forschungsergebnissen mangele. Deshalb fordert Dyckmans mehr Medienpädagogik, aber darüber hinaus gibt es keine Gesetzesvorhaben. In einer schriftlichen Stellungnahme sagte sie dem Deutschlandfunk:

    "In diesem Sinne ist es wichtig, dass bereits früh, das heißt bereits bei Kindern die Medienkompetenz gestärkt wird, um den verantwortungsvollen Umgang mit Medien im Allgemeinen und dem Internet im Besonderen zu erlernen. Hierbei kommt Schule und Elternhaus eine große Bedeutung zu.

    Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht wichtig, in Zusammenarbeit mit Forschungs- und Behandlungseinrichtungen verlässlichere Erkenntnisse zur Verbreitung der Onlinesucht in Deutschland zu gewinnen. Wir wissen derzeit noch zu wenig über Umfang, Ausmaß und Verbreitung dieser Sucht."

    Die Computerspielabhängigkeit ist aber nur eine Facette der Onlinesucht. Suchttherapeutin Dorothee Mücken arbeitet für die Drogenhilfe in Köln und ist stellvertretende Vorsitzende des Fachverbandes Medienabhängigkeit. Sie ordnet der Onlinesucht noch drei weitere Suchtformen unter.

    Dorothee Mücken: "Zum einen die Glücksspielangebote, also das was wir auch so schon offline kennen, in Casinos, in den Kneipen und Bars, die Automaten, die gibt es jetzt natürlich mit virtuellen Casinos auch online. ... Dann gibt es den großen Pornographiebereich ... Da geht es so um die Suche nach dem perfekten Video, nach dem perfekten Bild, habe ich das Video, fange ich aber wieder von vorne an.

    Und es geht letztendlich gar nicht mehr um eine sexuelle Stimulierung, sondern wirklich um dieses Horten von Videomaterial und Bildern ... Dann gibt es den Bereich der Chats – sozialer Netzwerke und Foren ... sind Sie da sehr präsent und aktiv, kriegen Sie viel feedback, das wollen Sie wieder bearbeiten und da bindet einfach sehr viel Kapazität und führt auch dazu, dass Sie da total integriert sind und aber auch einfach integriert sein müssen, weil Sie weiter am Ball bleiben wollen."

    Hinter den Computerspielen steckt eine große Industrie: Allein in Deutschland verkaufte sie 2008 Spiele für 1,57 Milliarden Euro. In Köln trifft sich in diesen Tagen fast eine Viertelmillion Gamer und Onlinerollenspieler auf der "gamescom", Europas größter Messe für interaktive Unterhaltungselektronik, insbesondere Video- und Computerspiele. Auch Dorothee Mücken ist vor Ort und steht für die Drogenhilfe am Stand des Jugendforums NRW: Dahinter stecken 17 Institutionen, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder das Familienministerium NRW. Ziel ist es, sinnvolle Computerspiele vorzustellen und Jugendliche dabei anzuleiten. Denn für Dorothee Mücken fehlt es vor allem am maßvollen Umgang mit dem Medium Computer:

    "Wir leben einerseits in einer Mediengesellschaft, andererseits gibt es noch wenige Rituale. Was wir wissen, dass Rituale, wenn es Gesellschaftsformen gibt, mit sehr guten Ritualen, wo Alkohol sehr gut eingebunden ist, gucken wir in die südlichen Länder, wo es schon zum Mittagessen ein Glas Rotwein gibt. Da sind weniger abhängig vom Alkohol ... Und wir leben in einer Mediengesellschaft, aber es gibt wenig Rituale. Weil es noch ein sehr neues Phänomen ist, das Handy gibt es noch nicht lange, zehn, 15 Jahre. Die Onlinerollenspiele gibt es noch nicht wirklich lange, 2004 ist World of Warcraft auf den Markt gekommen. Das heißt, es wird eventuell irgendwann ritualisiert von der Gesellschaft, aber bis dato, gibt es sehr, sehr viele Freiheiten, aber wenig Vorgaben."

    Wer schließlich abrutscht in die Sucht, findet nur schwer Hilfe: In Deutschland gibt es nur wenige Kliniken, die Onlineabhängige behandeln. Michael hatte Glück und bekam einen der raren Therapieplätze in der Salus Klinik in Hürth nahe Köln. Das Gebäude liegt im Grünen: ein viergeschossiger weißer moderner Bau mit vielen Fenstern. Der Innenteil ist lichtdurchflutet und mit moderner Kunst und Bildern bestückt. Der leitende Arzt der Suchabteilung, Abu Khatir, hält die Onlinesucht für eine gefährliche Krankheit:

    "Absolut, die Patienten zeigen eine Dosissteigerung, die zeigen psychische Entzugssymptome. Die vernachlässigen ihre Interessen. Die vernachlässigen auch ihre gesundheitlichen Bedürfnisse, das alles ist vergleichbar mit stoffgebundenen Abhängigkeiten, Sozialkontakte werden nicht mehr verfolgt. Es gibt eine soziale Isolation.

    Am Ende ist es auch so, dass es konsumbedingte Unzuverlässigkeiten gibt. Sodass Krankheitstage steigen, sodass auch ohne Entschuldigung gefehlt wird am Arbeitsplatz. Und das führt nicht selten auch zu Kündigungen des Arbeitsplatzes, sodass der Patient dann arbeitslos wird und dann gegebenenfalls auch einen Wohnungsverlust hat."

    Das Erscheinungsbild der Krankheit ähnelt der Alkoholsucht.

    Abu Khatir: "Zum einen das unwiderstehliche Verlangen, am Computer zu sitzen, die verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Beendigung und Dauer der Computernutzung. Das sind Entzugserscheinungen, wie Nervosität, Unruhezustände, Schlafstörungen, die dann auftreten, wenn man den Computer vermindert nutzt ... Und ein ganz wichtiger Punkt: Die fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen und Interessen. Eine anhaltende, exzessive Computernutzung trotz schädlicher Folgen. Es gibt da so ein Leistungsabfall, es gibt Übermüdung, eine Verschiebung des Schlaf-Wachrhythmus, aber oft auch eine Fehl- und Mangelernährung. Verlust in Extremfällen von 20 Prozent des Körpergewichtes ..."

    Es gibt aber auch Merkmale, die sie von Alkohol- und Drogenabhängigen unterscheiden.

    Abu Khatir: "Das sind überwiegend jüngere Patienten, die sagen wir mal aus einem guten sozialen Umfeld kommen, die auch bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine gute schulische Laufbahn genommen haben oder eine gute berufliche Laufbahn genommen haben. Und dann über das Spielen einen Leistungsknick erfahren haben."

    Obwohl Experten seit Langem vor der Gefährlichkeit der Onlinesucht warnen, ist sie bisher nicht als Krankheit anerkannt:

    "Deswegen werden von den Krankenkassen keine Behandlungen finanziert und auch gerade von den Rentenversicherungen keine Rehabehandlungen finanziert. Das ist ein Problem ... wir als Salus Klinik Hürth behandeln nur die Patienten, die dann neben der Online- und Computersucht eben auch eine stoffgebundene Abhängigkeit haben. Würde diese Krankheit anerkannt werden, dann kämen sicherlich auch auf die Leistungsträger erhebliche Kosten zu."

    Michael hat ein zusätzliches Alkoholproblem, so zahlt seine Rentenversicherung die Entwöhnung. Für die Drogenbeauftragte der Bundesregierung scheint diese Methode derzeit auszureichen. Sie verweist darauf, dass Onlineabhängige eben häufig andere psychische Erkrankungen aufweisen. Aber was geschieht mit Abhängigen, die keine anderen haben? Christian Pfeiffer sieht darin die Vortäuschung falscher Tatsachen:

    "Es gibt hier schlicht einen Versicherungsbetrug, indem der Therapeut sagt, Sie wissen ja, die Onlinesucht ist noch nicht als Krankheit anerkannt, das kann ich nicht auf die Rechnung drauf schreiben, da zahlt die Kasse nicht. Also wenn Sie einverstanden sind, schreibe ich drauf Depressionen. Und so kriegt er das Label Depressionen, und die Kasse zahlt brav, und die Therapeuten kriegen ihr Geld. Und die Eltern müssen nichts bezahlen, und alle sind zufrieden. Aber das Ganze ist Versicherungsbetrug."

    Für die Behandlung von Onlinesüchtigen gibt es bisher noch keine einheitlichen Standards, so wie bei Alkohol- oder Drogenabhängigen. Die meisten Therapien orientieren sich an den Leitlinien für Glücksspieler. Im Vordergrund steht das Ziel, den Patienten wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Zu Beginn der Behandlung wird der Patient eine Woche lang unter die Lupe genommen. Die Ärzte untersuchen, welche Funktion das Spielen in seinem Leben hatte. Danach wird ein individueller Therapieplan erstellt, der sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt: Einzel- und Gruppengespräche. Computerkurse, die dabei helfen sollen, die Technik sinnvoll zu nutzen, zum Beispiel um damit Bankgeschäfte zu erledigen.

    Die Rückfallquoten schwanken: Zwischen 40 und 60 Prozent bleiben laut Abu Khatir nach der Entwöhnungstherapie dauerhaft abstinent. Damit die Patienten nicht rückfällig werden, wechseln viele nach dem Klinikaufenthalt ihr Umfeld und bauen sich ein neues Leben auf. Das sind schützende Faktoren, die dazu beitragen können, Computerspielen fernzubleiben. Michael wird in zwei Wochen entlassen. Danach möchte er in eine andere Stadt ziehen, sich eine neue Arbeitsstelle suchen und versuchen, seine Freizeit sinnvoll gestalten.

    Onlinesüchtiger: "Ob es jetzt in Kochkursen stattfindet oder in Tanzschulen, keine Ahnung. Aber ich werde auf jeden Fall einiges dransetzen, um wieder mit Leuten in Kontakt zu kommen. Und was das Spielen betrifft oder sozusagen den Rechner, bei mir wird es ein reiner Arbeits-PC werden. Alle, jegliche Spiele werden vernichtet werden. Sodass ich, ich möchte jetzt gar nicht spielen. Selbst wenn ich irgendwann in Versuchung kommen sollte, komme ich halt nicht, weil keine Spiele da sind, die ich mir installieren könnte."

    Bis die Onlinesucht tatsächlich als Krankheit anerkannt sein wird, können noch Jahre vergehen. Bei der Glücksspielsucht hat es 15 Jahre gedauert.

    ""Die Welt ist zerbrochen, ein neues Zeitalter bricht an, Hoffnung ist das einzige, was Alanz und Horde bleibt ... ”"