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Im Tiefflug über den Atlantik

Der Jungfernflug des Flugbootes "Wal" vor 90 Jahren war für Dornier ein Meilenstein der Firmengeschichte. Die Lufthansa setzte die Flugboote für den Luftpostdienst nach Südamerika ein und machte sie berühmt. Die Wal-Piloten mussten neben der Pilotenlizenz ein Kapitänspatent besitzen.

Von Mathias Schulenburg | 06.11.2012
    Claude Dornier wusste, was er dem Wal zu verdanken hatte:

    Der Wal hat die Firma Dornier von einem kleinen Versuchsunternehmen zu einer international bekannten Firma werden lassen.

    Wale wurden für alle möglichen Zwecke gebaut, zivile wie militärische, und fanden bis in die 1950er-Jahre Verwendung. Den größten Ruhm aber flogen die Übersee-Postwale der deutschen Lufthansa ein, die von 1934 bis 1938 regelmäßig den Südatlantik überquerten. Eigenarten ihres Dienstbetriebes finden sich noch heute. So gehen die hellblauen leichten, dünnen Luftpost-Briefumschläge auf den Wunsch der Walbetreiber nach leichtem Gepäck zurück. Die Walpiloten waren wohl auch die qualifiziertesten Postboten aller Zeiten; neben der Pilotenlizenz hatten sie ein Kapitänspatent zu besitzen, schließlich führten sie nicht nur ein Flugzeug sondern auch ein Schiff.

    Um vom Wasser abheben zu können, musste ein ordentlicher Wind unter die Wal-Flügel fahren. Da die Geschwindigkeit auf dem Wasser aber nicht sonderlich hoch war, brauchte man zum Starten - je nach Motorleistung und Zuladung - Gegenwind. Der aber stand nicht mit der für einen Postdienst nötigen Zuverlässigkeit zu Gebote. Deshalb wurden wassernde Wale mit einer Schlepprampe auf Katapultschiffe gehievt, die ihnen beim Start den nötigen Schwung verliehen. Diese Katapultschiffe dienten auch als Relaistationen, die auf halber Flugstrecke kreuzten und auf denen die Wale gewartet und betankt werden konnten.

    Dem Postpiloten Manfred von Kardorff blieb der Start auf einem Katapultschiff als ziemliche Strapaze in Erinnerung:

    "Während des Abschusses flog einem die Zunge in den Rachen, konnte man nicht halten, und auch die Augen verschwanden ganz im Kopf."

    Der anschließende Flug war ebenfalls alles andere als bequem, was Wolfgang von Gronau, berühmter Postpilot auch er, erfahren musste. Ein Kabinendach nämlich hatte sein Wal wie üblich nicht:

    "So saßen wir im Freien, mussten uns natürlich außerordentlich gut verpacken, weil die Geräusche dieser zwei Motoren mit 600 PS und der Propeller, der einem hinter dem Kopf herumwirbelte, einen völlig taub gemacht hätten. Wir konnten uns auch mündlich oder durch Bordtelefon, das gab’s damals auch noch nicht, gar nicht verständigen, sondern wir mussten alles schriftlich machen."

    Der Wal flog – vor allem zu Beginn – an der Grenze des Möglichen. Er musste während des ganzen Fluges, gegebenenfalls sechs, sieben Stunden lang, manuell, von Hand – einen Autopiloten gab es nicht – wenige Meter über dem Wasser in der Schwebe gehalten werden. Nur so machte sich der sogenannte Luftstaueffekt bemerkbar, der einen schnelleren und sparsameren Flug mit größerer Reichweite ermöglichte.

    Wer heute noch einen Wal sehen will, muss nach Friedrichshafen am Bodensee fahren. Das Dornier Luftfahrtmuseum stellt dort neben vielen anderen Pretiosen den Nachbau eines Wals aus, mit dem der Norweger Amundsen einst – im Frühjahr 1925 – den Nordpol zu erreichen versucht hatte, vergeblich. Der Nachbau ist übrigens flugunfähig.

    Einen fliegenden Wal aber gibt es noch. An dessen Steuer sitzt Irenäus Dornier, der Enkel des Firmengründers Claude Dornier. Es ist ein aufwändig restauriertes Museumsstück, modernisiert, sehr schick. Schimmerndes Aluminium. Vielleicht kommt der Wal in dieser Form einmal zurück, er braucht – immerhin – keine Start- und Landebahn.