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"Im Wesentlichen hat man einen Urzustand wiederhergestellt"

1885 wurde das Amsterdamer Rijksmuseum eröffnet. Damals gab es Streit, weil der Bau zu prunkvoll sei. Und so wurden Wand- und Säulenschmuck entfernt. Im wiedereröffneten Haus ist das alles nun zu sehen. Eine neue Passage verbindet zudem die Gebäudeteile, die oberirdisch von einem Radweg durchschnitten werden.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Karin Fischer | 05.04.2013
    Karin Fischer: Am 30. April wird Königin Beatrix der Niederlande ihre Abdankungsurkunde unterzeichnen, ihr Terminkalender vorher ist aber fast vollständig der Kultur gewidmet, unter anderem der Wiedereröffnung des Rijksmuseums in Amsterdam am 13.

    Der Umbau hatte die üblichen Verzögerungen und Preissteigerungen zu gewärtigen, der "Spiegel" schrieb in dieser Woche, er sei fast zum "nationalen Drama" geworden. Die Gesamtkosten belaufen sich inzwischen auf 375 Millionen Euro. Zum Vergleich: der Neubau unseres Stadtschlosses in Berlin ist auf 590 Millionen Euro gedeckelt. Das heißt zunächst, Stefan Koldehoff, dass diese Institution den Niederländern ja lieb und teuer ist, oder?

    Stefan Koldehoff: Ja mit Sicherheit, und das sieht man auch, wenn man durch diese Räume geht, die inzwischen übrigens auch mit den Werken behängt sind. Die müssen sich ja akklimatisieren, bevor dann alles richtig losgehen darf. Da hat man tatsächlich nicht gespart. Das heißt aber: Im Wesentlichen hat man einen Urzustand wiederhergestellt. Es ist also nicht so, dass man groß abgerissen hätte, dass man neu gebaut hätte. Da ist man relativ bescheiden gewesen. Ein einziger kleiner Pavillon für die ostasiatische Kunst ist hinzugekommen in einem ehemaligen Gartenbereich. Ansonsten hat man aber nur mit dem Bestand gearbeitet und das heißt vor allen Dingen versucht, die beiden Flügel des Rijksmuseums elegant miteinander zu verbinden.

    Man muss nämlich wissen, dass dieses Museum am unteren Ende der Plane, wo auch das van Gogh Museum, das Stedelijk Museum und einige andere Kulturinstitutionen wie das Concertgebouw sich befinden, dass dieses Rijksmuseum durchschnitten wird von einem breiten, ja man muss es so sagen, Radweg, von einer Art Straße. Das ist das einzige Museum in der Welt, durch das eine Straße führt. Und die spanischen Architekten, die mit dem Umbau befasst waren, die haben sich überlegt: Wie verhindern wir denn, dass künftig weiter die Leute, die von der einen in die andere Abteilung wollen, mal erst in die zweite Etage hoch müssen, über Turmtreppen, dann darüber können, hinten wieder runter? – Wir machen einfach den Radweg dicht.

    Das hat aber einen solchen Sturm der Entrüstung dort ausgelöst, dass man davon relativ schnell wieder abgegangen ist und jetzt eine unterirdische Passage unter dem Radweg durch bei Tageslicht geschaffen hat, und das ist eine wirklich sehr schöne, sehr elegante Lösung, denn man merkt nicht, dass man eigentlich in einem Tunnel ist.

    Fischer: Das war die Architektur. Was wird Königin Beatrix denn in den neuen umgebauten Räumen sehen? Es hat da ja sich offenbar auch etwas grundsätzlich an der Atmosphäre geändert.

    Koldehoff:
    Es ist nicht mehr, einer der Kuratoren sprach gestern von einem weißen Krankenhaus, das das Rijksmuseum vorher gewesen sei, als es 1885 eröffnet war. Da gab es nämlich viel Kritik: Dieser Bau sei zu prächtig, zu prunkvoll, zu katholisch. Der König hat sich geweigert, ihn zu betreten, hat immer von einem Kloster gesprochen, das sei kein Museum, das sei ein Kloster. Deswegen hat man nach 1900 begonnen, alles was es an Wandschmuck, an Säulenschmuck gab zu entfernen, indem man es einfach weiß übertüncht hat, und so war der Zustand auch bis zur Schließung 2003. Jetzt hat man sich mit Experten daran gemacht, alles in den Urzustand, also mit Wandmalereien, mit Schmuckkapitälen und so weiter zu versehen, bis auf die Wände, auf denen die Bilder hängen. Die sind in Anthrazit, da wirkt es auch relativ gut. Man hat also sozusagen sich auf die Tradition besonnen.

    Fischer: Das heißt also, Rembrandts "Nachtwache" und andere Pretiosen sind jetzt wie in einer Art Schmuckkästchen, aber eben wieder zu sehen. Was sind die Highlights der neuen Ausstellung, des neuen Arrangements?

    Koldehoff: Ein sehr schöner Vergleich übrigens. Man muss wissen, dass das Rijksmuseum eigentlich eines der wenigen Museen auf der Welt ist, die sich zugleich als nationales Kunstmuseum wie als Geschichtsmuseum verstehen. Natürlich sind Highlights da wie die "Nachtwache" von Rembrandt, wie die "Judenbraut", natürlich die "Briefleserin" von Vermeer, natürlich die wunderbaren Enterieurs aus dem goldenen Zeitalter, also aus der Zeit zwischen 1600 und 1700, als die Republik durch große kaufmännische Leistungen blühte. All das ist zu sehen. Es gibt Seitenkabinette, in denen man Epochensäle versucht hat zu konstruieren, wo dann also die Bilder, die ich gerade genannt habe, die hängen natürlich allein an Wänden, da ist kein Brimborium drumherum.

    Es gibt aber auch eben diese Epochensäle, wo dann Delfter Fayencen mitgezeigt werden, wo Waffen mitgezeigt werden, kostbare Möbel, wo man also wirklich versucht, eine Zeit zu evozieren. Und das hat der Direktor, Wim Pijbes, auch als sein Motto ausgegeben. Er möchte, dass die Zeit, aus der diese Werke stammen, wieder spürbar wird. Er verzichtet auf jeden, wie er es nennt, neumodischen Kram wie Displays, Monitore. Die Werke sollen allein wirken, und das gelingt prima.

    Fischer: Sie haben, Herr Koldehoff, von der Aufregung um den Fahrradweg gesprochen. Wir diskutieren in Deutschland seit geraumer Zeit über den Umzug der Gemäldegalerie Alte Meister auf die Museumsinsel, was bedeuten würde, dass die Werke selber für längere Zeit im Depot verschwinden. Die Aufregung ist sehr groß. Ging das denn in Amsterdam so glimpflich durch? Was passierte mit den Gemälden in der Interimszeit von zehn Jahren?

    Koldehoff: Man hat ein komplettes Jahr gebraucht, um die Räume mal erst leer zu bekommen. Die wurden zum Teil zwischengelagert, die wurden zum Teil aber, die Hauptwerke, auch sichtbar gehalten im sogenannten Philippsflügel, einem Seitentrakt, in dem sozusagen die Essens der Highlights während der Schließungszeit gezeigt wurde. Da hatte man mit jährlich 400.000 Besuchern gerechnet, tatsächlich kam eine Million, da war man also hoffnungslos überfordert, es gab lange Schlangen, weil natürlich alle nach wie vor die "Nachtwache" sehen wollten, wenn sie denn nach Amsterdam kam.

    Fischer: Sie haben erwähnt die Handelsbeziehungen des reichen Landes Niederlande. Und natürlich stützen sich viele Werke dieser Sammlung auch auf diese koloniale Vergangenheit. Ist das irgendwie Thema?

    Koldehoff: Nein, das ist es leider Gottes überhaupt nicht, und zwar weder in den Räumen, die sich ganz konkret mit der Kunst aus Indonesien oder aus Suriname befassen, noch in diesem neuen Pavillon, den es da gibt. Ich habe die Kuratorin danach gefragt, die hat mir einfach nur achselzuckend gesagt, das ist in den Niederlanden leider nach wie vor ein heißes Eisen, da traut sich keiner ran. Also mit der Eröffnung sind längst noch nicht alle Probleme gelöst.

    Fischer: Herzlichen Dank an Stefan Koldehoff für diesen Bericht über das neue Rijksmuseum in Amsterdam. Mitte des Monats wird es offiziell eröffnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.