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Im Wettbewerb um Fachkräfte
Comeback der Werkswohnung

Eine Wohnung für Mitarbeiter, bereitgestellt vom Unternehmen, das war in den 1970er-Jahren durchaus üblich. Knapp eine halbe Million Werkswohnungen gab es damals im Westen der Republik. Laut einer Studie könnte sich der Bau wieder lohnen für die Unternehmen – um neue Beschäftigte zu finden.

Von Anja Nehls | 12.02.2020
Berlin. In einem Mehrfamilienhaus im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sind in der Abenddämmerung bereits einige Fenster erleuchtet.
Wohnung statt Dienstwagen (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
In Deutschland fehlen rund eine Million Wohnungen, überwiegend in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Die Mietpreise sind vielerorts auf Rekordniveau gestiegen, viele Haushalte finden keine bezahlbare Wohnung. Und das bedeute, dass auch Unternehmen keine Mitarbeiter und Fachkräfte finden, sagt Arnt von Bodelschwingh vom Forschungsinstitut Regio Kontext, der im Auftrag von verschiedenen Verbänden der Wohnungs- und Bauwirtschaft und des Mieterbundes eine entsprechende Studie erstellt hat. Wohnen sei zum Standortfaktor geworden.
"Wir sehen, dass auch Interessenten für Jobs grundsätzlich die Frage stellen, wo kann ich hier wie wohnen, gibt es für mich geeigneten Wohnraum, kann ich ein Stück weit auch unter meinesgleichen wohnen? Gibt es überhaupt Mietwohnungen, auch gerade unter der Fragestellung, ich weiß ja gar nicht, wie lange ich hier bleibe, vielleicht ist das ja auch mit der Probezeit wieder vorbei. All solche Fragen spielen da eine Rolle."
Immer mehr Unternehmen engagieren sich auf dem Wohnungsmarkt
Und deshalb erleben Werks- oder Mitarbeiterwohnungen, die die Unternehmen ihren Angestellten anbieten können, eine neue Renaissance, so Bodelschwingh. Genau Zahlen gibt es nicht, allein im vergangenen Jahr habe er aber von deutschlandweit 60 bis 70 neuen Fallbeispielen erfahren. Audi und VW engagieren sich genauso wie die Deutsche Bahn, die Stadtwerke Köln, Unternehmen der Tourismusbranche oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in unterschiedlicher Weise, sagt Ingeborg Esser vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen:
"Es gibt einmal das Modell tatsächlich selber bauen oder kaufen und modernisieren. Und es gibt dann natürlich zwei weitere Modelle, bei denen unserer Mitgliedsunternehmen auch als Partner zur Verfügung stehen, einmal Anmieten en Bloc, vielleicht auch, dass das Wohnungsunternehmen direkt für diesen Arbeitgeber baut und der Arbeitgeber dann en Bloc anmietet oder eben auch Ankauf von Belegungsrechten, sehen wir mittlerweile sehr häufig."
Änderungen im Steuerrecht haben geholfen
Die Berliner landeseigene Gesellschaft Berlinovo baut zur Zeit zum Beispiel ein Appartementhaus in Kooperation mit der Berliner Polizei, sagt Christian Marschner von Berlinovo Immobilien:
"Da entstehen 164 Plätze, was 2022 fertiggestellt wird, um dann exklusiv für die Polizeianwärter im mittleren Dienst neben der Ausbildung auch den entsprechenden Wohnraum anbieten zu können."
Dass Mitarbeiterwohnungen seit Beginn dieses Jahres ein Drittel unter dem ortsüblichen Mietspiegel vermietet werden können, ohne dass die Bewohner die Differenz als geldwerten Vorteil voll versteuern müssen, hält Ingeborg Esser schon mal für einen Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssten weitere folgen:
"Wir würden uns jetzt eigentlich auch noch wünschen, dass auch in der Zurverfügungsstellung von Bauland man nochmal so einen Push in diese Richtung geben würde, weil es wird natürlich das Bauland der Kommunen vorwiegend für den öffentlich geförderten Wohungsbau zur Verfügung gestellt, das ist auch gut. Aber für die Berufsgruppen, die gerade einmal diese Einkommensgrenzen überschreiten, aber sich am Markt nicht versorgen können, da brauchen wir natürlich auch noch Bauland und da ist meisten ein Flaschenhals gegeben."
Der deutsche Mieterbund fordert zusätzlich mehr öffentliche Förderung, wenn Unternehmen sich im Wohnungsbau wieder engagieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Werkswohnungen bei Bergbau oder Industrieunternehmen verbreitet. Noch in den 70er-Jahren gab es 450.000 bezahlbare Werkswohnungen in Deutschland. Davon gibt es jetzt nur noch einen Restbestand. Die meisten sind in den letzten Jahrzehnten sowohl von Firmen und Betrieben als auch von der öffentlichen Hand verkauft worden.