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Immer mehr prekäre Jobs

Eigentlich ist der deutsche Arbeitsmarkt immer noch vergleichsweise robust. Die Qualität der Arbeit lässt nach Ansicht der IG Metall jedoch zu wünschen übrig. Lohndumping sei in immer mehr Varianten auf dem Vormarsch.

Von Andreas Baum | 28.09.2012
    Die betrieblichen Abläufe in allen Bereichen sind von Leiharbeit und anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen durchdrungen, wenn das so weiter geht, könnte sogar das Rentensystem in Deutschland kollabieren. Die IG Metall warnt und scheut nicht vor Horrorszenarien zurück, denn die zunehmende Unordnung auf dem Arbeitsmarkt führt dazu, dass sich der Niedriglohnsektor rasant ausbreitet. Knapp sieben Millionen Beschäftigte müssen nach einer Studie der Gewerkschaft Stundenlöhne von weniger als 8,50 Euro hinnehmen. Selbst Löhne von unter fünf Euro gehören zur Realität. Dies ist umso schwerwiegender, als wir uns eigentlich in einem Boom befinden. Es wäre nicht nur möglich, Leiharbeit in reguläre Beschäftigung umzuwandeln. Die Arbeitgeber haben das auch zugesagt, als die Zeiten schlechter waren und so erreicht, dass Gewerkschaften stillhielten. Das waren offenbar nur Lippenbekenntnisse sagt IG-Metall-Vize-Chef Detlev Wetzel, denn die Rate schlecht bezahlter und schlecht abgesicherter Jobs ist unverändert hoch.

    "Geht es konjunkturell wieder bergab, werden wir erleben, dass diese schutzlosen Beschäftigten die ersten sein werden, die unter dieser Entwicklung zu leiden haben. Stammbelegschaften werden immer mehr auf das unbedingt Notwendige begrenzt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des viel diskutierten Fachkräftemangels ist diese Beschäftigungspolitik des "hire" und "fire" natürlich ganz fatal."

    Und die Verhältnisse werden sich verfestigen, wenn nichts getan wird. Die Streiks von Flugbegleitern aber auch von Krankenhauspersonal haben einer weiten Öffentlichkeit klar gemacht: Leiharbeit ist nicht nur ein Problem schlecht Ausgebildeter, die prekäre Beschäftigung hat längst Akademiker und Ingenieure erreicht.

    "Auch in allen anderen Bereichen wird eben Leiharbeit eingesetzt. Die Behauptung, Leiharbeit werde vor allem für einfache Tätigkeiten eingesetzt, wird damit nun endgültig ins Reich der Fabel verwiesen. Es ist nicht eine Beschäftigung für einfache Tätigkeiten oder für Menschen, die wenig können oder eine schlechte Schulausbildung haben."

    Detlev Wetzel will nun die Parteien im Bundestagswahlkampf daran messen, ob und wie sie den Arbeitsmarkt grundlegend neu ordnen. Unabdingbar ist nach den Vorstellungen der Metaller ein neues Leitbild von guter Arbeit. Zwar wäre es wünschenswert, dass die Sozialpartner unter sich vereinbarten, die Leiharbeit einzudämmen – das aber ist nicht absehbar, weshalb Staatseingriffe unerlässlich sind. Außerdem wird eine Qualifizierungsoffensive gefordert, außerdem ein gesetzlicher Mindestlohn; und für Leiharbeit müssen gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen gesetzlich garantiert werden.

    "Wir wissen, dass wir mit Billiger-Strategien im internationalen Wettbewerb keine Chance haben. Mir persönlich ist es wichtig, aufzugreifen, dass wir sehr nötig ein Verbandsklagerecht bei Gesetzes- und Tarifvertragsverstößen brauchen. Das gibt's im Umweltrecht. Das gibt's im Verbraucherrecht. Das wäre schon sehr interessant, wenn Verbände klagen könnten, dass Tarifverträge nicht eingehalten werden."

    Für zwei Drittel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor gibt es keine Betriebsräte, Gewerkschaften sind fern. Gerade dort erhofft sich die IG Metall durch ein Verbandsklagerecht, Verstöße gegen Tarifverträge, Mindestlöhne, Arbeitszeitbestimmungen und vieles mehr eindämmen zu können.