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Immobilien und Co.
Wie man Vermögen erfasst

Viele Menschen legen ihr Geld in Immobilien an, deren Wert nur schwer messbar ist. Eben jenes Problem der Messbarkeit hat nach einigen Diskussionen zur Abschaffung der Vermögenssteuer unter Helmut Kohl geführt. Gleiches könnte nun der Erbschaftssteuer drohen.

Von Ulrike Winkelmann | 24.07.2014
    Ein Haus steht auf Geldscheinen.
    Vermögen, das aus Immobilien hervorgeht, ist nur schwer messbar. (dpa /Revierfoto)
    Der Immobilienmakler Axel Flor spaziert gern durch Marienburg, eines der traditionellen Unternehmervillenviertel in Köln:
    "Das Anwesen vor uns, was jetzt hier zusätzlich bebaut wird, gehörte zum Eigentum von Otto Wolff von Amerongen. Ein Teil wurde verkauft zusammen mit dem Gästehaus, das hat natürlich schon von außen eine gigantische Wohnfläche."
    Vermögen in Immobilien
    Auf drei bis vier Millionen Euro taxiert er den Verkaufswert des Gästehauses. Flor hat die Preise im Viertel gut im Blick. Hausbesitzer im Stadtteil Marienburg dürfen davon ausgehen, dass sie ohne ihr Zutun immer reicher werden.
    "Ich schätze dass, wenn man einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet, die Preise hier im Schnitt um zehn bis zwölf Prozent gestiegen sind."
    Immobilien machen den Löwenanteil des deutschen Volksvermögens aus, weiß Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Seine Daten zeigen ihm:
    "... dass das Netto-Gesamtvermögen der gesamten deutschen Bevölkerung bei mehr als sechs Billionen liegt, 6,4 Billionen Euro in etwa und davon macht das Brutto-Immobilienvermögen alleine schon 5,1 Billionen aus."
    Messbarkeit von Vermögen
    Nach Grabkas Zahlen ist Deutschland in der Eurozone das Land mit der höchsten Vermögensungleichheit. Etwa ein Drittel des gesamten Volksvermögens sammelt sich bei einem Prozent der Haushalte, geben auch andere Institute an. Solche Zahlen sind eindrucksvoll. Leider können sie nur ungenau sein. Reichtum ist grundsätzlich schwer messbar, erklärt Grabka:
    "Vermögen ist im Gegensatz zum Einkommen ein weitaus komplexeres Konstrukt, weil hier sehr viele Bewertungsprobleme hinzukommen. Ein zentrales Problem ist, dass viele Vermögensbestände nicht laufend am Markt entsprechend gehandelt werden, wie zum Beispiel Aktien, da ist es relativ einfach. Zum Beispiel Betriebsvermögen oder auch Immobilien kann man letztendlich nur dann wirklich gut bewerten, wenn sie tatsächlich am Markt verkauft werden."
    Die Frage, wie man Betriebsvermögen misst, treibt derzeit auch das Bundesverfassungsgericht um. Denn was schwer zu bemessen ist, ist auch schwer zu besteuern - zumal gerecht. Die Karlsruher Richter sollen bis Herbst darüber entscheiden, ob Firmen auch künftig vererbt werden können, ohne dass die Erbschaftsteuer erhoben wird. Hintergrund ist, dass Betriebe derzeit nach ihrem Marktwert eingeschätzt werden. Dadurch drohte eine Vermehrung der Steuerlast. Seit 2009 gibt es laut Matthias Lefahrt, Steuerexperte der Stiftung Familienunternehmen, also:
    "...ein neues Bewertungsrecht, das sieht die Ermittlung des Marktwerts, des Verkehrswerts der Betriebe vor. Auf der anderen Seite haben wir auf der Besteuerungsebene die Verschonung von Betriebsvermögen erhalten, die an die Fortführung des Betriebs und an den Erhalt von Arbeitsplätzen anknüpft."
    Er sagt, dass es ganz unabhängig vom Urteil des Gerichts weitere Prozesse um gerechte Bemessung und Besteuerung im Erbfall geben wird - besonders bei Familienunternehmen, die ja meist nicht verkauft, sondern eben vererbt würden. Matthias Lefart:
    "Da sind das immer nur Schätzwerte, und die bleiben immer streitanfällig. Das wird sich meines Erachtens nicht ändern können, das heißt mit Klagen muss man immer rechnen, wenn man Schätzwerte zugrunde legt."
    Ein Bewertungsstreit lag auch 1995 dem Urteil des Verfassungsgerichts zur Vermögenssteuer zugrunde. Immobilien und Geldvermögen würden ungleich bewertet, also ungerecht besteuert, hieß es damals. Helmut Kohls Regierung nahm das zum Anlass, sich von der Vermögenssteuer zu verabschieden.
    Regelung der Erbschaftssteuer
    Gleiches, fürchtet Wirtschaftsforscher Markus Grabka, könnte nun auch bei der Erbschaftsteuer passieren. Dem Staat entgingen dann über vier Milliarden Euro jährlich:
    "Eine der großen Gefahren ist tatsächlich derzeit, dass tatsächlich die Erbschaftsteuer komplett ausgesetzt wird, aufgrund dieser Bewertungsproblematik und vor allem auch auf Grund der Problematik, dass die Politik beabsichtigt, größere Betriebsvermögen zu schonen."
    Viele Familienunternehmer aber gehen vom Gegenteil aus: Sie fürchten höhere Erbschaftsteuern. Dazu zählt auch Herr F., Gesellschafter eines Verbunds von mittelständischen Firmen in Süddeutschland, der sich auf Verpackungstechnik und Maschinenbau spezialisiert hat. Herr F. sprach mit dem Deutschlandfunk anonym über sein ererbtes Vermögen:
    "Ich habe den Großteil meiner Anteile auf meine leibliche Tochter übertragen, laut Schenkungssteuererklärung waren das 28 Millionen Euro."
    Seine Absicht war, bevor sich die Rechtslage ändert:
    "... dass wir dann quasi die Übertragung auf die nächste Generation im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ohne jegliche Steuerzahlung abwickeln konnten."
    Herr F. findet die gerechte Bemessung von Vermögen so schwierig, dass er vorschlägt, lieber die laufenden Einkünfte aus Vermögen stärker zu besteuern:
    "Meine Haltung zur Erbschaftsteuer ist, dass ich sie nicht per se ungerecht finde, aber da die Bewertungsgrundlagen durch das Verfassungsgerichtsurteil aus den 90er Jahren, als ja dann die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, dass das so schwierig wurde, dass jetzt keine gerechte Vergleichbarkeit von Barvermögen, Immobilien und Firmenbeteiligungen möglich ist."
    Wissenschaftler Markus Grabka hält dagegen:
    "Aus wissenschaftlicher Sicht ist es natürlich richtig, dass Vermögensbestände schwierig sind zu bewerten. Aber nichtsdestotrotz ist es, glaube ich, eine politische Herausforderung, hier trotzdem Wege zu finden, wie man dieses Verfahren auch verfassungskonform durchführen und umsetzen kann."
    Bisher allerdings vernimmt man von der Großen Koalition noch kein Lebenszeichen in dieser Sache. Union wie SPD scheinen die Herausforderung einer gerechten Bewertung und Besteuerung großer Vermögen zu fürchten.