Dienstag, 19. März 2024

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Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump
Trumps Verteidiger gehen in die Offensive

Konfus und unstrukturiert, so präsentierten sich die Trump-Anwälte am ersten Tag des Impeachment-Verfahrens gegen den Ex-Präsidenten. Doch bei ihren Verteidigungs-Plädoyers setzten sie auf aggressiven Angriff gegen die Demokraten – mit den Argumenten und in der Sprache von Donald Trump.

Von Doris Simon | 13.02.2021
Michael van der Veen, Anwalt von Donald Trump, spricht während des Impeachment-Verfahrens gegen den Ex-US-Präsidenten im Senat
Trump-Anwalt Michael van der Veen setzte bei seiner Verteidigung auf aggressive Angriffe gegen die Demokraten (imago/UPI Photo)
Schon nach den ersten Worten von Michael van der Veen war klar: Die Verteidigung des früheren Präsidenten hatte in einen anderen Gang geschaltet. Nach drei schmerzhaften Tagen für die Republikaner wollten sie die Geschichte von Donald Trumps Impeachment völlig anders aufziehen. Van der Veen bezeichnete das Impeachment-Verfahren als ungerechten und eklatant verfassungswidrigen Akt politischer Rache. Die Demokraten seien Heuchler, von Hass und Doppelmoral getrieben.

Verteidigung spricht von "Hexenjagd"

Nach ihrem ersten konfusen Auftritt setzten die Anwälte, auch nach Rücksprache mit mehreren republikanischen Senatoren wie Ted Cruz und Mike Lee, auf aggressiven Angriff. Stellenweise hatte man das Gefühl, Donald Trump spreche: "Wie jede politisch motivierte Hexenjagd der Linken der vergangenen vier Jahre, ist dieses Impeachment vollkommen abgekoppelt von den Fakten, der Beweislage und den Interessen der amerikanischen Bevölkerung."
US-Präsident Donald Trump von hinten vor einer US-Flagge
Mögliche Amtsenthebung Trumps - Worum es beim zweiten Impeachment-Verfahren geht
Nach dem Sturm auf das Kapitol hatte das US-Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump auf den Weg gebracht. Nun beginnt das zweite Impeachment-Verfahren gegen den Ex-US-Präsidenten. Ein Überblick.
Die Demokraten hatten zuvor eine Linie gezogen von Trumps unablässigen Behauptungen vom Wahlbetrug und dem kontinuierlichen Aufhetzen seiner Anhänger hin zu seiner Rede am 6. Januar, als er seine Anhänger aufforderte, zu "Kämpfen wie die Teufel" und zum Kapitol zu ziehen, wo der Kongress die Wahl Joe Bidens bestätigte.
"Verurteilt ihn oder macht euch mitschuldig" steht auf einem Banner, das Aktivisten an einer Brücke vor dem Kapitol in Washington aufgehängt haben
Die Republikaner und die Angst vor dem Ex-Präsidenten
Zwei Tage lang präsentierten die Ankläger im Impeachment-Verfahren gegen Ex-US-Präsident Donald Trump belastendes Material. Trotzdem überlegen weiterhin nur wenige republikanische Senatorinnen und Senatoren, Trump zu verurteilen.
Der frühere Präsident habe nur die im demokratischen System vorgesehenen Mittel genutzt, um gegen die aus seiner Sicht fehlerhaften Auszählungen vorzugehen. Alles andere sei eine monströse Lüge, sagte Anwalt van Veen. Kein Mensch könne ernsthaft glauben, dass die Rede des Präsidenten am 6. Januar ein Aufhetzen zur Gewalt war: "Die Äußerungen des Präsidenten ermutigten die Teilnehmer ausdrücklich zur friedlichen und patriotischen Ausübung ihrer Rechte. Patriotisch und friedlich ist das Gegenteil eines gewalttätigen Angriffs auf das, das ist das Gegenteil von Aufhetzen."

Trump-Anwälte argumentieren mit Gerüchten

Während des Sturms auf das Kapital und später gegenüber Ermittlern waren viele Teilnehmer des Mobs zutiefst überzeugt, sie hätten nur den Willen des Präsidenten ausgeführt, als sie gewaltsam versuchten, die Bestätigung des Wahlergebnisses zu verhindern. Trumps Verteidigung zeichnete gestern streckenweise eine alternative Realität. So wiederholte Anwalt van der Veen ein Gerücht aus Trump-Kreisen, beim Sturm auf das Kapitol sei die radikale Linke vorneweg dabei gewesen. Dies widerspricht Ermittlungen von FBI und Polizei.
Die Verteidigung beschrieb den früheren Präsidenten als Wahrer von Recht und Gesetz, der immer schon Gewalt abgelehnt habe. In einem Video wurden die Trump-Ausschnitte unkommentiert kontrastiert mit Clips demokratischer Politiker, die zum Teil schon bei Fox News zu sehen gewesen waren. Zum Beispiel der Ausschnitt von Nancy Pelosi, die Unverständnis äußerte, dass es nicht zu mehr Protesten komme, nachdem mehrere Schwarze von Polizisten erschossen worden waren.

Vorwurf an Demokraten: Angriff auf freie Meinungsäußerung

Die Anwälte gingen nicht ein auf Beispiele der demokratischen Ankläger für Trumps Beifall zu Gewalt, etwa, als er seinen Parteifreund Raffensperger in Georgia als Volksfeind bezeichnete, selbst nachdem Raffensperger Morddrohungen wegen der Wahlbestätigung bekommen hatte. Mit Videoclips versuchte die Verteidigung auch die Worte des früheren Präsidenten am 6. Januar zu relativieren: "Kämpft wie die Teufel", sei nie eine Aufforderung zur Gewalt am Kapitol gewesen, sondern normaler politischer Sprachgebrauch.
Blick auf das Kapitol in Washington. Das Kapitol ist der Sitz des US-Kongresses (Parlament) mit seinen beiden Kammern. Das Repräsentantenhaus ist im Südflügel (im Bild re.) untergebracht, der Senat im Nordflügel. 
Impeachment-Verfahren - Wieder wenig Hoffnung auf Erfolg
Ex-US-Präsident Donald Trump soll zur Rechenschaft gezogen werden für seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol. Dass die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit zusammenkommt, gilt inzwischen als sehr unwahrscheinlich.
Ein elfminütiger stakkatoartiger Zusammenschnitt der Verteidigung zeigte auffällig viele Politikerinnen der Demokraten, die Donald Trump nicht mag und die wie er die Worte "fight" oder "fight like hell" benutzten. Doch der Kontext war ein völlig anderer, und keine der zitierten Aufforderungen endete mit einem Sturm auf das Kapitol. Die Demokraten hätten es auf das Recht auf Meinungsfreiheit abgesehen, lautete gestern ein Hauptargument der Verteidigung. Nicht nur Donald Trump, sondern 75 Millionen Wähler sollten mundtot gemacht, kriminalisiert werden.

Trump-Verteidiger weichen Nachfragen aus

Die politische Mehrheit wolle alle Äußerungen, die ihr missfielen, zum Verstummen bringen und verbannen, sagte Anwalt Bruce Castor. Nach Ende der Präsentation wichen Trumps Anwälte mehrfach aus, als republikanische Senatorinnen fragten: Wann wusste der frühere Präsident, dass Vizepräsident Mike Pence in Lebensgefahr war? Die Zeitleiste und Belege der Demokraten hat viele Republikaner geschockt: Dass Trump noch gegen Pence hetzte, als er bereits wusste, dass sein Vize evakuiert werden musste, weil Trumps Anhänger ihn unter "Hängt Mike Pence"-Rufen überall suchten.
So ist es denkbar, dass heute mehr als nur sechs Republikaner mit den Demokraten stimmen. Aber niemand erwartet, dass es am Ende 17 werden - und die bräuchte es für eine Verurteilung.