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Impfung gegen Magenkrebs

Medizin. – Mehr als jeder zweite Mensch hat Kolonien von Helicobacter pylori in ihrem Magen. Bei vielen Personen kommt es dadurch zu Magengeschwüren oder Magenkrebs. Berliner Forscher arbeiten an einer Impfung gegen das Bakterium, um so teure Antibiotika-Therapien zu vermeiden.

Von Volkart Wildermuth | 08.09.2005
    An den Wänden des Max-Planck-Institutes für Infektionsbiologie in Berlin hängen mikroskopische Porträts der übelsten Krankheitserreger des Menschen. HIV und Tuberkulose, Milzbranderreger und SARS Virus. Ein Bild gleicht einer rot und gelb leuchtenden Fackel. Das so dramatisch eingefärbte spiralige Stäbchen mit den langen Fäden ist Helicobacter pylori, der Gegner von Toni Aebischer:

    "Sie können davon ausgehen, dass zum Beispiel in China alle zwei bis drei Minuten jemand an Magenkrebs stirbt. Helicobacter löst in der Langzeitinfektion Magenkrebs wahrscheinlich aus. Viele Leute sind betroffen von Magengeschwüren, auch dafür ist Helicobacter verantwortlich und die Belastung ist durchweg global sehr hoch."

    Das Team um Toni Aebischer am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie hat in den letzten Jahren die Lebensweise des Erregers analysiert. Helicobacter kann der Magensäure widerstehen. Ohne die Konkurrenz anderer Bakterien fürchten zu müssen, nistet er sich in der Schleimhaut des Magens ein und vermehrt sich dort langsam weiter. Das Immunsystem reagiert mit einer Entzündungsreaktion, die den Keim aber nicht besiegen kann, die im Gegenteil auf Dauer den Magen schädigt. Doch genau hier sieht Toni Aebischer einen Ansatzpunkt für eine Impfung:

    "Was wir also versuchen, mit dem Impfstoff, ist diese entzündlich Reaktion so auszunutzen und so zu beeinflussen, dass es zu einer schützenden Immunantwort kommt."

    Dabei nutzt der Forscher die Hilfe anderer Bakterien, der Salmonellen. Es gibt seit Jahrzehnten eine gut verträgliche Schluckimpfung gegen Salmonellen, die aus lebenden, aber abgeschwächten Bakterien besteht. Mit Hilfe der Gentechnik hat das Berliner Team ein Eiweiß von Helicobacter sozusagen Huckepack auf diese Impf-Salmonellen draufgepackt. Das war gar nicht so einfach. Aebischer:

    "Sie müssen nämlich eine gewisse Menge davon herstellen. Diese Menge darf nicht zu hoch sein, sonst beeinflusst sie die Vitalität des Impfstoffes und sie darf nicht zu niedrig sein, sonst geht sie in den Eiweißen, die Salmonellen selber besitzen, davon gibt es ungefähr 4000 bis 5000 verschiedene, unter und dieses auszubalancieren, das haben wir in Tiermodellen geschafft."

    Der Kombiimpfstoff macht das Immunsystem nicht nur auf die Salmonellen, sondern auch auf Helicobacter aufmerksam und kann so eine Infektion durch den Magenkeim verhindern. Zumindest in der Maus. Der nächste logische Schritt waren Experimente am Menschen, dabei gab es aber ein Sicherheitsproblem zu lösen: Helicobacter ist schließlich krebserregend. Um seine Versuchspersonen nicht zu gefährden, verwendet Toni Aebischer einen besonderen Teststamm des Erregers, dem sozusagen die Krebsgene fehlen. Die Ethikkommission gab grünes Licht und so haben die Versuchspersonen dreimal den neuen Impfstoff geschluckt und sechs Wochen später ein Glas mit dem Teststamm von Helicobacter pylori getrunken. Toni Aebischer ist mit Effekt zufrieden:

    "Es ist ermutigend zu sehen, dass in einigen dieser Probanden, dieser geimpften Probanden, tatsächlich nach einiger Zeit Helicobacter nicht mehr nachzuweisen war. Inwieweit das jetzt eine Schutzwirkung wird, die auch für größere Probandentruppe zutrifft, da sind wir im Moment dran, da läuft eine zweite Studie um diese Ergebnisse zu wiederholen oder zu bestätigen."

    Bei einem Drittel der geimpften Personen reichte die Immunantwort auf dem Impfstoff aus, um Helicobacter abzuwehren. Bei zwei Dritteln konnte sich der Erreger durchsetzen. Für den Einsatz in der Praxis ist das noch nicht gut genug. In den nächsten Jahren wollen Toni Aebischer und seine Kollegen den Impfsalmonellen noch weitere Eiweiße von Helicobacter einbauen. Tierexperimente deuten darauf hin, dass ein solch aufgerüsteter Impfstoff nicht nur verlässlich vor einer Neuansteckung schützen würde, sondern vielleicht sogar eine bestehenden Helicobacterinfektion heilen könnte.