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In allen Filmgenres zu Hause

Er ließ sich auf keinen Typ festlegen, spielte Zerrissene wie Heitere: Burt Lancaster. Als einer der ersten Stars gründete der geschäftstüchtige Schauspieler nach 1945 seine eigene Produktionsfirma, um unabhängig von den mächtigen Hollywoodstudios zu werden.

Von Hartmut Goege | 02.11.2013
    O-Ton aus "Der rote Korsar"
    "Get around, get around. You be shine on board for the last cruise of the crimson pirate. A long long time ago in the far far Caribbean. Remember! In a pirate ship, in pirate waters, in a pirate world. Ask no questions. Believe only what you see ..."

    Mit breitem Grinsen lädt Burt Lancaster als Piraten-Kapitän Vallo die Kinozuschauer auf seine Reise durch die Karibik ein, bevor er sich in seiner rot-weiß gestreiften Hose mit braun gebranntem Oberkörper durch die Takelagen seines Segelschiffes schwingt und augenzwinkernd verkündet:

    O-Ton aus "Der rote Korsar"
    "... No, believe half of what you see!"

    Man solle eben alles nicht so ernst nehmen. Mit diesem Hollywood-Märchen - sowohl Liebeserklärung an das farbenfrohe Abenteuergenre als auch selbstironischer Piratenklamauk - zementierte Burt Lancaster seine späte, aber umso steilere Karriere. Der von ihm selbst produzierte "Rote Korsar" von 1952 wurde einer seiner populärsten und lukrativsten Filme. Während das alte Studio-System Schauspieler vertraglich an eine Firma band, ging Lancaster geschäftstüchtig neue Wege und gründete 1948 mit Harold Hecht und James Hill die Hecht-Hill-Lancaster-Production. Sie sollte ihn mit Starrollen versorgen und seine schauspielerische Unabhängigkeit garantieren.

    Lancaster, am 2. November 1913 in New York als Sohn eines Postbeamten geboren, war schon als Kind an Zirkusakrobatik interessiert und tingelte später mit seinem Jugendfreund Nick Cravat als Artisten-Duo "Lang & Cravat" zehn Jahre lang durch Wanderbühnen und Vergnügungsparks. Hier holte er sich den ausgebufften Geschäftssinn fürs Showbusiness. Eine Handverletzung und der Einzug zur US-Army 1942 beendeten diese Karriere. Nach Kriegsende brachte ihn der Zufall auf eine New Yorker Bühne. Kritiker beschrieben ihn als "dominante Persönlichkeit". Hollywoods Talentsucher reagierten schnell. 1946 erregte sein Filmdebüt als Gangster in Robert Siodmaks Film-Noir-Klassiker "Rächer der Unterwelt" die Aufmerksamkeit Hollywoods.

    Burt Lancaster hatte sich quasi über Nacht als Schauspieler etabliert und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Er ließ sich auf keinen Typ festlegen, spielte Zerrissene und Heitere und strahlte dabei eine ungeheure Energie aus. Er drehte an der Seite zahlreicher Hollywoodgrößen, war der verbitterte Sohn Edward G. Robinsons in dem Drama "Alle meine Söhne" oder in "Du lebst noch 105 Minuten" der skrupellose Ehemann von Barbara Stanwyck, deren Ermordung er plant. 1953 glänzte Lancaster in Fred Zinnemanns Soldaten-Film "Verdammt in alle Ewigkeit". In der bitterbösen Abrechnung mit dem zerstörerischen Armeeleben geht er als aufrechter Sergeant Warden eine Affäre mit der alkoholkranken Frau seines korrupten Kompaniechefs ein. Dafür erhielt Lancaster seine erste Oscar-Nominierung.

    O-Ton aus "From here to Eternity" ("Verdammt in alle Ewigkeit")
    "That´s what I like about you, Sergeant. You have confidence. It´s also what I dislike about you." - "It´s not confidence Ma´am. It´s honesty. I hate to see a beautiful woman going on to waste."

    Lancaster war von nun an in allen Genres zu Hause. Seinen ersten und einzigen Oscar gewann er 1960 für die Rolle des Elmer Gantry, einem durchtriebenen Handelsvertreter im Gewand eines Missionars. In Europa wurde Luchino Visconti auf ihn aufmerksam. In seinem Epos Der Leopard nach dem Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der vom schwindenen Einfluss des sizilianischen Adels im 19. Jahrhundert erzählt, stach vor allem Lancaster hervor. Als Fürst Salinas, dem ein politischer Posten angeboten wird, beobachtet er ironisch den Niedergang der eigenen Klasse und den Aufstieg des Bürgertums. Obwohl seine Stimme im italienischen Original synchronisiert wird, war "Il Gattopardo" Lancasters Lieblingsrolle.

    O-Ton aus "Il Gattopardo" ("Der Leopard")
    "Ich gehöre einer unglücklichen Generation an, die zwischen der alten und der neuen Welt steht und sich in keiner zurechtfindet. Und obendrein bin ich, wie Sie vielleicht bemerkt haben, frei von Illusionen. Was würde der Senat anfangen mit mir, einem Gesetzgeber meiner Art, der die Fähigkeit zur Selbsttäuschung nicht besitzt. Diese wesentlichste Eigenschaft, wenn man andere führen will."

    Lancaster wirkte in weit über 60 Spielfilmen mit. Am Set galt er als zuweilen schwierig oder gar despotisch. Im echten Leben engagierte er sich gegen die Rassendiskriminierung. Burt Lancaster starb am 21. Oktober 1994 im Alter von 80 Jahren in Los Angeles.