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In den Katakomben Bukarests

Wer in Bukarest die alternative Theaterszene sucht, der muss hinunter steigen in die Katakomben der Stadt, der muss ins "Teatrul Act", einem Keller unter Bukarests bekanntester Flaniermeile – der Calea Victoriei. Während Managerin Ioana Moldovan die Proben verfolgt, schiebt sich oben der Berufsverkehr im Schritttempo voran.

Von Mirko Schwanitz | 25.11.2008
    "Bis zur Gründung dieser Bühne im Jahre 1998, gab es überhaupt kein freies Theater in Rumänien, also ein Theater, das auf freischaffende Regisseure, Szenografen und Schauspieler setzte. Diese Art Theater zu machen, war für Rumänien etwas völlig Neues."

    Auch zehn Jahre nach seiner Gründung gehören die Macher vom "Teatrul Act" zu den Pionieren der Szene. Noch immer wird die rumänische Theaterlandschaft vor allem von den 40 staatlichen Schauspielhäusern dominiert. Off-Theater mit ihrer experimentelle Art des Theatermachens sind den meisten Rumänen noch immer fremd. Das zumindest meint Julia Popovici, Theaterkritikerin bei Rumäniens wichtigster Kulturzeitschrift dem "Observatoru Cultural".

    "Die Entwicklung der Theaterszene in Rumänien vollzog sich nach 1989 in zwei Etappen. Die erste prägten Regisseure, die aus dem Exil zurückkehrten, die erste Experimente wagten. Leider aber war es auch eine Etappe, in der das rumänische Theater genauso weit von der Realität entfernt blieb wie zu Zeiten Ceausescus. Um das Jahr 2000 erschien dann aber eine neue Generation von Regisseuren ... "

    Die setzten sich erstmals mit dem rumänischen Alltag auseinander. Peca Stefan führt in seinem bitterbösen Stück "Rumänien 21" die moralische Korruption einer Familie unter dem Kommunismus und dann nach der Wende vor. Im letzten Jahr erhielt Alina Nelega den europäischen Autorenpreis für ihr Stück "Amalia atmet tief". Hier spiegelt sich in der Titelfigur nicht nur das Scheitern des Kommunismus, sondern auch der Neuanfang, die Stagnation des Aufbruchs gen Westen. Nelega macht klar, dass alte Handlungsmuster in den Köpfen der Menschen in Form von Hilflosigkeit und in Abkehr vom eigenständigen Denken überlebt haben.

    Auch Regisseurin Mariana Camarasan gehört zu dieser neuen Generation. Ihre Inszenierung des Stückes "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" ist so wie im "Teatrul Act" noch nie gezeigt worden. Lange hatte das Team mit den Rechteinhabern um die Erlaubnis ringen müssen, die Geschichte des seit zwanzig Jahren verheirateten Paares George und Marta mit ungeschminkten Schauspielstudenten auf die Bühne zu bringen.

    " Obwohl die sich genau an Edward Albees Vorlage halten, muss der Zuschauer unwillkürlich auch an das Abtreibungsverbot unter Ceausescu denken und jene Lügen, die es bis heute in der rumänischen Gesellschaft hinterlassen hat. Für Julia Popovici ist diese Inszenierung auch ein Beispiel für den Generationen-Konflikt im derzeitigen rumänischen Theater."

    "Die ältere Generation von Regisseuren glaubt immer noch, dass das Theater die Welt ändern kann. Die Jüngeren hingegen glauben eher, dass das Leben das Theater ändert."

    Und genau das ist es, was im "Teatrul Act" begonnen hat. Es hat eine Entwicklung in Gang gesetzt, die jetzt, 20 Jahre nach dem Sturz Ceausescus endlich Früchte zu tragen scheint.

    " Wenn sie heute einen Theaterstudenten fragen, wie er eine eigene Vorstellung inszenieren würde, dann antworten die meisten: so, wie im Teatrul Act. Diese Art Theater zu machen führt nun dazu, dass auch die großen Theater beginnen ihr Repertoire zu überdenken. Das Odeon-Theater richtete eine Studiobühne ein und ist jetzt gerade dabei, einen kleinen Kellersaal in ein off-Theater umzubauen."