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"In der Realität ist der Islam ein Teil Deutschlands"

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrichs startete gestern sein Amt mit einer Islam-Kontroverse. Hartfrid Wolff, Innen- und Rechtspolitiker, empfiehlt keine Abgrenzungsdiskussion zu führen und sich auf die Integration zu konzentrieren.

Hartfrid Wolff im Gespräch mit Christoph Heinemann | 04.03.2011
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt Hartfrid Wolff, er ist Mitglied des Innen- und Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, er leitet den Arbeitskreis Innen- und Rechtspolitik der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Hartfrid Wolff: Ja, guten Morgen!

    Heinemann: Herr Wolff, also April, April, der Islam gehört doch nicht zu Deutschland?

    Wolff: Also aus meiner Sicht macht es wenig Sinn glaube ich, historische Debatten an der Stelle zu führen, sondern ich kümmere mich lieber um die Realität. Und als gläubiger Christ und FDP-Mitglied ist es natürlich an der Stelle sehr, sehr wichtig, sich gerade mit den Herausforderungen der Realität zu beschäftigen. Und in der Realität ist der Islam ein Teil Deutschlands. Und ich glaube, historische Debatten führen deshalb nicht wirklich weiter, weil wir integrieren wollen und nicht separieren beziehungsweise an der einen oder anderen Stelle hier unnötige Diskussionen aufmachen.

    Heinemann: Wer sagt das dem Bundesinnenminister?

    Wolff: Bitte?

    Heinemann: Wer sagt es dem Bundesinnenminister?

    Wolff: Wir sagen es dem Bundesinnenminister, wenn wir die ersten Gespräche auch mit ihm führen werden. Er ist ja jetzt auch noch neu im Amt. Und insofern werden wir an der Stelle das eine oder andere durchaus in vielen Punkten mit ihm diskutieren.

    Heinemann: Geht die Diskussion jetzt wieder los über den Islam?

    Wolff: Ich glaube nicht, dass sie jetzt wieder losgeht, sondern wir werden in vielen Bereichen jetzt auch aufseiten der Bundesebene hier mit dem Bundesinnenminister ins Gespräch eintreten und auch eine vernünftige und eine konstruktive Diskussion mit ihm führen.

    Heinemann: Was vermuten Sie, warum sagt er das?

    Wolff: Verstehe ich auch nicht ganz. Also aus meiner Sicht ist es so, dass sich die Lage wie folgt darstellt: Wir haben einerseits einige Teile, die eher konservativ gesinnt, die Schwierigkeiten damit haben noch zu akzeptieren, dass wir in Deutschland ein Einwanderungsland sind; und auf der anderen Seite haben wir eine ganze Reihe von linken Kräften, die davon ausgehen, dass wir einfach so weitermachen können wie in der Vergangenheit, Multikultiromantik und Ähnliches. Entscheidend ist: Gerade wenn es darum geht, Integration sinnvoll zu gestalten, hinzuschauen und nicht wegzuschauen, die Probleme zu benennen, die Herausforderungen zu benennen, aber offen, fair und transparent, gerade im Bereich der Integrationspolitik umzugehen. Und da helfen historische Debatten weder auf der einen Seite, noch auf der anderen Seite irgendwelche Multikultiromantik.

    Heinemann: Herr Wolff, ich schlage vor, wir hören uns die Äußerungen von Hans-Peter Friedrich noch mal an, denn er hat das nicht nur historisch gesagt, er hat gesagt auch, wenn ich das richtig verstanden habe. Wir hören eben noch mal rein:

    O-Ton Friedrich: Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.

    Heinemann: Das ist ja interessant, er sagt: auch aus der Historie lässt sich das nicht belegen. Also er macht hier grundsätzlich das Fass wieder auf offenbar?

    Wolff: Also wenn er das wieder aufmachen möchte, dann bin ich der Meinung, dass wir hierüber mit ihm noch mal sehr genau sprechen werden.

    Heinemann: Wer gleich beim ersten Auftritt als Minister Salz in diese Wunde streut, der profiliert sich nicht als Mann des Ausgleichs.

    Wolff: Na ja er hat im Prinzip das Gleiche wohl gesagt, was er vor einem halben Jahr auch schon gesagt hat. Also insofern bleibt er sich als Person offensichtlich treu. Das ändert nichts daran, dass wir hier an der Stelle jetzt auch in seiner neuen Funktion mit ihm konstruktiv arbeiten werden, auch in dem Bereich Integrationspolitik und Islampolitik.

    Heinemann: Wie mag das wohl auf die islamischen Mitbürger wirken?

    Wolff: Also aus meiner Sicht macht es keinen Sinn wie gesagt mit historischen oder ähnlichen Debatten hier an der Stelle Abgrenzungsdiskussionen zu führen, sondern wir sollten zusehen, dass wir Gemeinsamkeiten betonen bei allen Herausforderungen, die es auch dort gibt und wo man tatsächlich auch eine konstruktive und nicht wegschauende Integrationspolitik machen sollte. Wer vergangene Debatten führt, der sorgt dafür, dass man Themen, die anstehen, ignoriert, oder überhaupt das Thema Integration in vielen Bereichen ignoriert. Und insofern sollten wir uns lieber der Zukunft zuwenden, und da halte ich es mit dem CDU-Bundespräsidenten Wulff, der sagt, wir wollen hier an der Stelle uns mit der Integration, mit dem Islam in Deutschland beschäftigen, denn er ist da und insofern sollten wir auch dieses anerkennen.

    Heinemann: War das gestern ein Fehlstart des neuen Bundesinnenministers?

    Wolff: Nein, würde ich jetzt nicht sagen. Er hat die Äußerung, die er in der Vergangenheit getan hat, getan, es gibt auch zwischen FDP und CDU/CSU durchaus unterschiedliche Positionen, das war auch schon bei seinem Vorgänger der Fall, in anderen Themen beispielsweise. Aber deswegen würde ich es nicht als Fehlstart bezeichnen, sondern er hat seine Meinung wiederholt und wir werden jetzt in der Koalition gemeinsam versuchen, auch im Bereich der Islampolitik eine vernünftige konsensuale Politik hinzubekommen.

    Heinemann: Auch bei einem anderen Thema hat Hans-Peter Friedrich gestern Position bezogen:

    O-Ton Friedrich: Es dürfte Sie nicht überraschen, dass ich, was die Notwendigkeit erfordert, Datenspeicherung angeht, der gleichen Auffassung bin wie mein Vorgänger.

    Heinemann: Da ist der Frontverlauf folgender: Die Union befürwortet eine längere Speicherung aller Verbindungsdaten, die ja bei den Anbietern gespeichert werden sollen, also nicht staatlich; die FDP möchte nur eine anlassbezogene Nutzung der Daten ermöglichen. Nun ist das Problem, Herr Wolff: Die Union benötigt nach der Guttenberg-Affäre dringend Erfolge. Was bedeutet das für die Suche nach einem Kompromiss?

    Wolff: Das bedeutet, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten werden. Das federführende Bundesjustizministerium hat ja einen Vorschlag für Eckpunkte im Bereich der Regelung für die Vorratsdatenspeicherung bereits vorgelegt und deswegen gehe ich davon aus, dass wir mit den Koalitionspartnern, mit Herrn Friedrich, aber auch mit der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion hier zu einem konstruktiven Dialog kommen werden.

    Heinemann: Wird der Ton in der Koalition rauer?

    Wolff: Bisher ist er noch nicht rauer geworden, weil auch das, was ich jetzt von Herrn Friedrich bisher gehört habe, war jetzt nicht wirklich überraschend. Wir werden in vielen Bereichen, wir sind einfach zwei unterschiedliche Parteien, das ist auch gut so. Wir werden in der Koalition hier auf eine Gesprächsebene auch wieder mit dem neuen Bundesinnenminister kommen und deswegen bin ich da sehr hoffnungsfroh, dass wir die erfolgreiche Politik fortsetzen können, bei allen inhaltlichen Differenzen. Und manchmal braucht man Entscheidungswege, ob das im Bereich der Integration ist oder auch im Bereich der Rechts- und Innenpolitik und in den anderen Feldern, beispielsweise der Vorratsdatenspeicherung, etwas Zeit. Die Zeit werden wir uns auch mit dem Bundesinnenminister, dem neuen, nehmen und dann gehen wir auch auf einer konstruktiven Ebene aufeinander zu.

    Heinemann: Die CSU ist sauer auf die CDU, weil Bildungsministerin Schavan und Bundestagspräsident den früheren Verteidigungsminister zu Guttenberg vor seinem kritisiert haben. Das ist streng genommen jetzt nicht Ihre Baustelle, aber gleichwohl, Der CSU-Chef hat ja Konsequenzen gefordert: Ist die Koalition künftig wieder mit sich selbst beschäftigt?

    Wolff: Also die Koalition besteht ja nun vor allem zwischen FDP und CDU/CSU, und den Sturm im Wasserglas des einen Teils der Koalition, zwischen CDU und CSU, den möchte ich auch nicht wirklich kommentieren. Ich gehe mal davon aus, dass sich das sehr schnell wieder legen wird.

    Heinemann: Herr Wolff, wenn Ihnen vor drei Monaten jemand gesagt hätte, Anfang März ist Guido Westerwelle noch Parteivorsitzender der FDP und Karl-Theodor zu Guttenberg nicht mehr Bundesverteidigungsminister, hätten Sie dann den Arzt gerufen?

    Wolff: (lacht)

    Heinemann: Also ja?

    Wolff: Nein, ich bin vor drei Monaten schon davon ausgegangen, dass Guido Westerwelle nach wie vor Bundesvorsitzender bleiben wird. Ich bin tatsächlich etwas überrascht, dass Karl-Theodor zu Guttenberg innerhalb so kurzer Zeit dann auch zurückgetreten ist und dass wir jetzt auch noch einen neuen Innenminister beziehungsweise einen neuen Verteidigungsminister. Aber den Arzt hätte ich deswegen nicht geholt.

    Heinemann: Hat Herr Westerwelle Herrn zu Guttenberg schon Blumen geschickt?

    Wolff: Das müssen Sie ihn selber fragen, das weiß ich leider nicht.

    Heinemann: Hartfrid Wolff, FDP-Bundestagsabgeordneter, Innen- und Rechtspolitiker seiner Fraktion, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Wolff: Ich danke Ihnen auch!