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"In E10 sind ja nur zehn Prozent drin"

Uwe Fritsche kritisiert die Energieeinsparung des neuen Biokraftstoffes E10 als unzureichend. Andere Verkehrsmittel und ein Tempolimit brächten "viel mehr als die Beimischung von Biokraftstoffen".

Uwe Fritsche im Gespräch mit Jule Reimer | 08.03.2011
    Jule Reimer: Ein Kommunikationsdesaster – so die allgemeine Einschätzung eigentlich aller Beteiligten dazu, wie der mit bis zu zehn Prozent Ethanol versetzte Treibstoff E10 hier auf den Markt gebracht wurde. Zudem gilt die Beimischung von Ethanol und Agrardiesel bei Umwelt- und Entwicklungsorganisationen als schädlich für die Umwelt und für die Nahrungsmittelversorgung. Ich bin mit Uwe Fritsche verbunden, Experte für Biomasse und Bioenergie beim Öko-Institut in Darmstadt. Herr Fritsche, ist E10 in der derzeitigen Variante gut für die Umwelt?

    Uwe Fritsche: Das heutige Bio-Ethanol kann ungefähr 20 bis 30 Prozent Treibhausgasemissionen reduzieren gegenüber Benzin, wenn es in Deutschland und Europa produziert wird. Wenn es aus dem Ausland kommt, vor allem aus Brasilien, kann es zwischen 80 und 90 Prozent reduzieren. Aber in E10 sind ja nur zehn Prozent drin, das heißt, die Einsparung, wenn Sie tanken, beträgt zwischen zwei und im günstigen Falle knapp zehn Prozent.

    Reimer: Dann muss ich aber noch mal nachfragen: Die Nachhaltigkeitsverordnung sagt eigentlich Reduktion von mindestens 35 Prozent CO2.

    Fritsche: Das gilt für neue Kraftstoffe, für die bestehenden und für die bestehenden Anlagen, die produzieren, gilt das noch nicht, das gilt erst ab 2013. Und wenn wir heute im Jahr 2011 schauen, dann haben wir eben noch eine ganze Reihe relativ schlechte Anlagen, und die sind eben noch nicht so weit, dass sie die 35 Prozent schaffen. Das werden sie in Zukunft tun müssen, und dann steigt entsprechend die Treibhausgasreduktion ein bisschen an, 2017 dann die Hälfte und 2018 60 Prozent Reduktion.

    Reimer: Was bestimmt eigentlich die Treibhausgasbilanz eines Agrartreibstoffes?

    Fritsche: Drei Dinge: Das Erste die Frage, wie viel von den Biomasserohstoffen wächst auf der Fläche oder kann man es aus Rest- oder Abfallstoffen machen, das Zweite, wie viel Dünger muss ich einsetzen, und das Dritte, wie effizient ist die Verarbeitung, also wie viel kommt nachher an der Tankstelle eigentlich an?

    Reimer: Wen würden Sie dann insgesamt am konkurrenzfähigsten einschätzen? Wir bleiben beim Zuckerrohr aus Brasilien.

    Fritsche: Zuckerrohr aus Brasilien ist sicher heute und auch in absehbarer Zukunft die konkurrenzfähigste Ethanoloption, wir werden allerdings in den nächsten zehn Jahren in Europa, USA und anderen Ländern Zweite-Generation-Kraftstoffe entwickeln, die aus Energiegras, aus Holz, aus Abfallstoffen Ethanol herstellen können, und die werden dann nicht ganz, aber ungefähr gleichziehen können.

    Reimer: Gut, aber das Verfahren haben wir ja jetzt noch nicht, heißt das denn, dass wir uns in Europa auf die Importe von Ethanol aus Zuckerrohr und Agrardiesel aus Palmöl einlassen sollten und unsere eigene Zuckerrüben- und Rapsproduktion für den Treibstoffbereich besser einstellen?

    Fritsche: Zumindest können wir sehr viel bessere Sachen mit den Flächen machen, auf denen heute Zuckerrüben und Raps angebaut wird.

    Reimer: Was?

    Fritsche: Das sollten wir auch tun. Wir sollten energiereiche Gräser und Kurzumtriebsholzplantagen anbauen, die liefern zwei- bis dreimal so viel Energieertrag auf den Flächen, brauchen praktisch keinen Dünger und auch keine Pestizide und bieten auch noch mehr Lebensraum für Tiere.

    Reimer: Das heißt, auch der Biodiversität, also der Anforderung an die biologische Vielfalt auf den Feldern, würde Rechnung getragen?

    Fritsche: Ja, auch dem Bodenschutz – das sind sehr, sehr wichtige Dinge, aber die kann man nicht von heute auf morgen machen, und der Bauer in Deutschland, der ist ja frei, was er auf seinem Acker anbaut. Das heißt, das ist eine politische Frage, ob wir das so gestalten, ob wir Anreize bieten.

    Reimer: Was wäre denn im weiteren Bereich sinnvoll – das Drei-Liter-Auto endlich einführen und außerdem im Verkehrsbereich einen anderen Weg gehen, also zum Beispiel erst verstromen und dann ein Elektroauto mit dem Sprit, mit dem Agrarsprit betreiben?

    Fritsche: Das eine ist natürlich, effizientere Fahrzeuge in den Markt zu bringen, ganz unabhängig, mit was wir die antreiben. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Art und Weise, wie wir fahren und ob wir überhaupt fahren müssen, eine große Rolle spielt im Verkehr. Andere Verkehrsmittel, vernünftig fahren, Tempolimit als Stichwort, die bringen alle viel mehr als die Beimischung von Biokraftstoffen. Aber langfristig werden wir sicher sowohl das Elektrofahrzeug mit Erneuerbare-Energie-Antrieb, über Strom oder Wasserstoff, aber auch Biomethan, also biologisches Gas für Gasfahrzeuge, und auch flüssige Kraftstoffe aus Biomasse haben müssen. Wenn wir tatsächlich bis 2050 diese radikale Wende hinbekommen wollen, dann ist auch im Verkehr, allerdings weniger für die Autos, mehr für die Schiffe und Flugzeuge sind Flüssigkraftstoffe nötig.

    Reimer: Vielen Dank an Uwe Fritsche, den Experten für Biomasse und Bioenergie beim Öko-Institut in Darmstadt!