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In Luxor schützen Panzer antike Grabungsstätten

Kulturelle Kehrseite der ägyptischen Unruhen: Im Tal der Könige haben Archäologen ihre Arbeiten eingestellt, lokale Helfer und das Militär bewachen teilweise die antiken Schätze des Landes - denn die Armut der Menschen könnte Plünderungen auslösen, meint Nicole Kehrer.

31.01.2011
    Mascha Drost: Die Unruhen in Ägypten treffen nun auch die Archäologen. Das Deutsche Archäologische Institut hat seine Grabungsarbeiten dort vorübergehend eingestellt. Wir haben versucht, die dortige Abteilung in Kairo zu kontaktieren; allerdings ist sie bis auf Weiteres weder per Mail, noch telefonisch zu erreichen. Sprechen konnten wir jedoch vor der Sendung mit Nicole Kehrer vom Archäologischen Institut in Berlin und ich habe sie zuerst gefragt, warum es notwendig war, ihre Mitarbeiter von den Grabungsstätten in Luxor und Assuan zurückzuziehen. Luxor und Assuan liegen doch mehrere Hundert Kilometer von Kairo entfernt.

    Nicole Kehrer: Es war deswegen notwendig, weil es auch in den weiter entfernten Orten bereits zu Plünderungen gekommen ist, Übergriffen auf Magazinräume gekommen ist, und deswegen hat der ägyptische Antikendienst aus Sicherheitsgründen alle Grabungen im ganzen Land geschlossen.

    Drost: Was passiert mit den Grabungsstätten momentan? Wie werden sie geschützt?

    Kehrer: Sie werden teilweise vom Militär geschützt. Zum Beispiel in Luxor sind tatsächlich Panzer aufgefahren, um die wichtigen Grabungsstätten wie auch das Tal der Könige zu schützen, während an kleineren Orten sich teilweise auch die lokale Bevölkerung selbst organisiert hat und die Stätten schützt. In unserem Fall ist das so: Wir haben sehr viele lokale Grabungshelfer vor Ort, die tatsächlich auch das Grabungshaus schützen und auch die Grabungsflächen schützen.

    Drost: Wäre es denn vorstellbar, dass ähnlich wie im Ägyptischen Museum in Kairo Plünderer aus den eigenen Reihen, also die Wachmänner oder Polizisten, Schäden an den Grabungsstätten anrichteten?

    Kehren: Möglich ist das natürlich. Man muss sehen, dass die Leute alle sehr schlecht bezahlt werden, viele unter der Armutsgrenze leben und es für viele wahrscheinlich auch eine Gelegenheit ist. Jetzt, wo die Polizei abgezogen war – in Luxor war tatsächlich kein einziger Polizist mehr zu sehen -, das ist immer möglich, dass auch die eigenen Leute da eingreifen.

    Drost: Was für Kunstschätze oder archäologische Schätze sind denn da in Gefahr? Nach was wird denn da gegraben?

    Kehrer: Nach allem Möglichen. Die Berichte, die ich jetzt habe, zum Beispiel aus dem Museum in Kairo, das waren ja nicht die großen wertvollen Schätze, aber auch in den Magazinen vor Ort liegen teilweise sehr wertvolle Kunstobjekte, die noch nicht ins Museum transportiert werden konnten, oder die noch wissenschaftlich bearbeitet werden und deswegen noch vor Ort sind. Also da würde es tatsächlich einiges geben. Und es gibt auch inzwischen in allen größeren Städten Museen. Früher war ja nur das Hauptmuseum in Kairo, aber es gibt auch in Luxor, in Assuan größere Museen, die auch teilweise Goldschätze und Ähnliches beherbergen.

    Drost: Gibt es denn schon Prognosen, wann und wie Ihre Archäologen die Arbeit wieder aufnehmen können?

    Kehrer: Momentan noch gar nicht. Die Leute sitzen ja tatsächlich in den Grabungshäusern erst mal fest. Ich habe jetzt nur Kontakt nach Luxor. Es gibt momentan kaum Inlandsflüge, um nach Kairo zu kommen. Mit dem Auto können sie nicht fahren, weil alle Straßen auch gesperrt sind und auch da mit Überfällen zu rechnen ist. Das heißt, sie bleiben jetzt erst mal vor Ort. Wir warten da auch auf Anweisungen der deutschen Botschaft, die momentan noch keine Ausreiseempfehlung ausgesprochen hat. Deswegen müssen wir jetzt erst mal abwarten, wie sich das weiter entwickelt.

    Drost: Was berichten denn Ihre Kollegen? Wie ist denn die Lage vor Ort?

    Kehrer: Sehr unterschiedlich. Man hat natürlich Angst. Panik ist noch nicht wirklich ausgebrochen. Die meisten sitzen tatsächlich im Botschaftsviertel in Kairo, das sich auf einer Nil-Insel befindet, die man natürlich ganz gut abriegeln kann. Die Brücken sind gesperrt. Da ist die Lage relativ ruhig. Die Geschäfte sind wohl noch offen. Nachmittags ist ja Ausgangssperre, aber morgens kann man auch noch einkaufen. Zwar sind die Supermärkte auch schon leerer geworden, aber es gibt momentan noch alles und man hat sich solidarisiert mit der ägyptischen Bevölkerung, die nachts die privaten Wachdienste übernimmt, und bisher ist die Lage relativ ruhig. Allerdings sind natürlich die Angehörigen mit Kindern vor allen Dingen jetzt schon ausgereist, oder sind gerade dabei auszureisen.

    Drost: Haben Ihre Kollegen denn vielleicht schon mit Leuten sprechen können, sozusagen diesen Bürgerwehren, die sich organisieren? Was treibt die Leute an?

    Kehrer: Die wollen natürlich ihr eigenes Hab und Gut schützen. Die Gerüchteküche kocht hoch, dass natürlich auch viel von der eigenen Regierung initiiert wird, um jetzt Chaos zu verbreiten, und das wollen sie natürlich verhindern. Sie wollen ihr Hab und Gut schützen, sie wollen sich selbst schützen. Es sind tatsächlich die Männer, die sich organisieren, die Frauen versorgen sie mit Essen und Getränken und das sind wirklich ganz normale Privatleute, die da auch wohnen, die die Straßen abriegeln, die jeden kontrollieren, der durchfahren möchte, und da eben auch gleich die Ausländer mitschützen. Das finden wir natürlich sehr positiv.

    Drost: Nicole Kehrer vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin.