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In Zeiten der Zensur

Künstler und Intellektuelle haben im Vorfeld der Wahlen im Iran immer wieder versucht, doch noch auf Reformen zu drängen. Die Spielräume, die ihnen dafür bleiben, sind allerdings sehr eng. Der Oscar für den iranischen Film "Nader und Simin" etwa war dem staatlichen Fernsehen nicht mehr als eine trockene Meldung wert.

Von Ulrich Pick | 02.03.2012
    Dass "Nader und Simin" am vergangenen Sonntag als erster iranischer Film einen Oscar gewinnen konnte, war für die Vertreter der Politik in Teheran kein Grund zur Freude. Denn dass die Hauptprotagonistin auf der Leinwand das Land verlassen will, gilt in staatstragenden Kreisen als unzulässige Kritik an den bestehenden Verhältnissen der Islamischen Republik. Kein Wunder, dass die Auszeichnung dem staatlichen Fernsehen nicht mehr als eine trockene Meldung wert war.

    Obgleich Asghar Farhadis Film neben dem Oscar auch den Golden Bären, den Golden Globe Award und andere Auszeichnungen bekommen hat, in den iranischen Kinos durfte er nicht gezeigt werden. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die immer schwieriger werdende Lage der Kulturschaffenden. So wurden beispielsweise noch im vergangenen September sechs bekannte Filmemacher wegen angeblicher Spionage für die USA verhaftet - unter ihnen Katajun Shahabi, Mojtaba Mirtahmasb und Jafar Panahi, der zwar inzwischen entlassen wurde, jederzeit aber mit seiner erneuten Inhaftierung rechnen muss.

    Zudem ließ die Regierung im Januar das Teheraner "Haus des Kinos" schließen, in dem sich eine Reihe von Berufsverbänden und Gilden aus der Filmbranche zur gegenseitigen Unterstützung zusammengeschlossen hatten. Das "Haus des Kinos" hatte sich für die Freilassung der oben genannten Filmemacher eingesetzt und Anstoß erregt, als es eine Delegation aus Hollywood nach Iran einladen wollte. Im Gespräch war auch Angela Jolie.

    Auch unter den wichtigen iranischen Schriftstellern ist die Stimmung nicht besser. So hat Amir Hassan Cheheltan seinen letzten Roman, "Teheran Revolutionsstraße", in Deutschland veröffentlicht. Der 55-Jährige war 2007 für den Staatlichen Buchpreis in Iran nominiert worden, verwahrte sich aber dagegen wegen der strengen Zensur.

    Mahmud Daulatabadi hat schon seit Jahren nichts Neues mehr veröffentlicht. Der Nestor der persischen Gegenwartsliteratur, der immer wieder auch als möglicher Nobelpreisträger genannt wird, sagt, von ihm längen gleich mehrere Manuskripte bei im Kulturministerium und warteten auf die Zulassung zum Druck.

    "Menschen wie ich stehen im Abseits. Ich bin zwar kein Politiker, aber auch als Schriftsteller hat man mich zur Seite geschoben. Unsere Jugend hat auch weder einen Platz noch eine Organisation, wo sie vernünftig ihre Meinung äußern kann."

    Dass er von Politikern spricht, die man ins Abseits schiebt, ist ein Hinweis auf die Opposition im Land. Spätestens seit dem Hausarrest ihrer beiden Führer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi im Februar 2011 ist sie aus Angst vor Gewalt in der Öffentlichkeit kaum mehr wahrnehmbar. Dabei dürfte die Zahl ihrer Anhänger eher zu- als abgenommen haben.

    Für die heutige Parlamentswahl hat sie zum Boykott aufgerufen. Einer ihrer Sympathisanten ist auch Mohammad Reza Shajarian, Irans beliebtester Sänger. Nach der mutmaßlich manipulierten Präsidentenwahl vor zweieinhalb Jahren verbot dieser dem staatlichen Rundfunk aus Protest, weiterhin seine Lieder zu spielen. Seitdem hat er Auftrittsverbot in Iran. Im Herbst absolvierte er aber eine erfolgreiche Europatournee. Und hierbei machte er unzweideutig auf die Lage in seinem Heimatland aufmerksam:

    "Wenn wir in unserer direkten Umgebung diesen Arabischen Frühling mitbekommen - diesen Schrei nach Freiheit und Demokratie -, dann hoffen wir, dass über kurz oder lang auch hier etwas passieren wird. Es sollte jedoch nicht mit Gewalt geschehen. Freiheit und Demokratie - Das ist das einzige, was ich mir in meinem Leben wünsche und natürlich auch allen anderen."