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Indonesischer Vulkan Anak Rakata
Feuerberg mit Teenie-Launen

Der Vulkan Anak Rakata in Indonesien wütet, grummelt und bricht immer mal wieder aus. Auf den Resten des 1883 fast komplett eruptierten Krakatau ist er von neun auf über 800 Meter gewachsen - und trotz seiner Unberechenbarkeit zu einem Touristenmagneten geworden.

Von Lena Bodewein | 27.06.2018
    Der indonesische Vulkan Anak Rakata bricht am 30.10.2007 nahe Lampung, Indonesien, aus.
    Der indonesische Vulkan Anak Rakata war Ende des 19. Jahrhunderts gerade mal neun Meter hoch. Heute sind es über 800 Meter. (dpa / epa)
    "Vulkane sind wie Männer und Frauen - sie haben alle ihren eigenen Charakter"
    Pak Kasbani muss es wissen. Er leitet das indonesische Zentrum für Vulkanologie und geologische Gefahrenvorbeugung. Er wacht über 69 aktive Vulkane, von den insgesamt 127, die das Land hat. Und nachdem die Vulkanologen jahrzehntelang Daten gesammelt haben, seismische Daten, thermische, chemische, GPS-Daten, Beobachtungen der Oberflächen-Ausdehnung, mit Kameras , mit Drohnen, kommen sie zu dem Schluss: Vulkane sind einfach unberechenbar. Da sind sie wie die Menschen.
    "Von ihnen geht eine große Faszination aus, von der Kultur bis zur Landwirtschaft hier, denn in Indonesien lebt jeder nahe am Vulkan. Und jeder ist ganz eigen."
    Wenn normale Vulkane schon unberechenbar sind, dann ist es ein Feuerberg im Teenageralter erst recht: Der Anak Rakata ist so einer, er wütet und grummelt und bricht immer mal wieder aus; er liegt dort, wo einst der legendäre Krakatau war, bis zu dem verheerenden Ausbruch von 1883. In der Sundastraße zwischen Sumatra und Java gelegen.
    Ein Vulkan wächst, Ausbruch für Ausbruch
    "Dreimal in der Woche komme ich her", erzählt Blek, ein Vulkanführer, "und wenn die See in starker Bewegung ist, oder es sehr sehr windig ist, dann habe ich Angst vor diesem Kerl hier. Man weiß nie bei Vulkanen."
    Seit 15 Jahren fährt Blek mit Besuchern mit Besuchern zum jungen Vulkan, 90 Minuten Bootsfahrt von Javas Westküste aus. Er hat schon einiges hier erlebt und gesehen: Fische, die lebendig gekocht wurden und zur Oberfläche stiegen, als eine Lavazunge sich ins Meer schob, oder rote Lavaflüsse - so heiß, man konnte ein Ei da rauf braten. In der Zeit hat er ein geradezu inniges Verhältnis zum Anak Rakata entwickelt
    "Das ist mein Vulkan, es ist wie auf dem Mond, darum mag ich es, es sind kaum Menschen hier - am Wochenende schon, viele aus der Gegend, aber im Sommer auch nicht allzu viele."
    Tatsächlich ähnelt der Anak Rakata einer Mondlandschaft, einsame struppige Nadelbäume wachsen hier und dort, ein paar Gräser, der schwarze Geröllboden strahlt die Hitze ab, nur ein ganz leiser Wind weht. Hier wird sichtbar, wie ein Vulkan wächst, Ausbruch für Ausbruch - Blek sieht jede Veränderung genau - von Land oder Boot aus.
    "Der rote Lavastrom hier, der bis hinab ins Meer geht, ist von 2012. Die schwarze Lava ist von vor acht Monaten; jetzt steigen immer Rauch und Dampf aus dem Vulkan auf, je nach Wetter."
    "Wenn der Vulkan richtig aktiv ist, hagelt es Lavabomben"
    Vor allem auf der Rückseite des Anak Rakata sieht die aufsteigende Dampf-Wolke noch viel bedrohlicher aus. Überall stinkt es nach Schwefel, aus vielen Löchern und Spalten steigt das weiße Gas auf, die Insel ist in dauernder Bewegung. Hier liegen schwarze Felsen, rote Felsen, gelbe Schwefelstücke, weiße Bimssteine.
    "Eine 20 Zentimeter dicke Ascheschicht ist hier herabgeregnet, 2012" - Blek deutet auf die Schicht, die im Querschnitt des Erdboden zu erkennen ist, "und wenn der Vulkan richtig aktiv ist, dann hagelt es auch Lavabomben".
    Also geschmolzene Gesteinsstücke, die aus dem Vulkan geschleudert werden und während ihres Flugs meistens eine runde Form annehmen.
    "Die verschiedenen Typen machen verschiedene Geräusche, wenn sie explodieren, die so genannten alten klingen wie eine Bombe, die jungen klingen wie ein Flugzeug."
    Von neun auf über 800 Meter
    Es ist ein faszinierendes Gefühl, auf dem Vulkan entlangzuwandern, es hat etwas sehr Rauhes, Urtümliches, auch Bedrohliches - eine Naturgewalt eben. So entstand dieser Vulkan auch.
    Ende des 19. Jahrhunderts war mit einer kaum jemals dagewesenen Gewalt ist die Vulkaninsel Krakatau ausgebrochen, der Knall war Tausende Kilometer weit zu hören, die Sprengkraft entsprach der von 100.000 Hiroshima-Bomben und die Flutwellen töteten mehr als 30.000 Menschen an den Küsten Javas und Sumatras. Nach der Eruption waren zwei der drei Vulkankegel verschwunden, zwei Drittel der Insel Krakatau im Meer versunken. Übrig blieb der erloschene Rakata - und gut vierzig Jahre später erhob sich Anak Rakata aus dem Meer, das Kind des Rakata, der kleine Vulkan. Neun Meter war er gerade mal hoch - inzwischen über 800.
    "Hier hat sich viel verändert, der Vulkan ist stark gewachsen; 2005 war er noch lange nicht so hoch. Die Ausbrüche von 2007, von 2008 und 2012 haben ihm Höhe verliehen. Der Krater ist gewandert, etwas nach hinten, wieder nach oben."
    Inzwischen ist der untere, vordere Teil der Insel über dem schwarzen Strand schon bewachsen, Vulkanerde ist unschlagbar fruchtbar. Es sieht aus wie bei Jurassic Park: riesige Blätter an hochgeschossenen dünnen Bäumen, an den Ästen hängende große Termitennester, Grillen leben hier, Schmetterlinge, ein paar Warane. Zwischen den riesigen Schilfgräsern ist deutlich zu erkennen, wo Erde und Asche und Wasser entlanggerauscht sind.
    Touristisch aber immer auch gefährlich
    Exotisch und ungewöhnlich, ein Traumziel für Touristen sei es, erzählt Blek: In der folgenden Woche erwartet er eine Gruppe von 25 Leuten mit Sack und Pack und Zelten - für ein Camp auf dem Vulkan.
    Wenn der Feuerberg es zulässt, warnt der junge Mann. Als er einmal mit einem Vulkantouristen auf die Insel kam, wollte der unbedingt soweit hoch wie möglich steigen. Blek warnte ihn, dass der Vulkan aktiv sei. Trotzdem kletterte der Besucher weiter, Blek fühlte sich verantwortlich und kam hinterher.
    Doch dann "schaute ich zum Krater hinauf, sah den Rauch und fing an zu laufen - warum läufst du weg, fragte mein Kunde, und ich rief nur: Er ist aktiv, und dann ging es los mit dem Ausbruch boom boom boom , wir liefen in jede Richtung, haben alles zurückgelassen, Telefone, Kamera, ich habe in meiner Panik kaum den Weg zurück zum Boot gefunden!"
    Es ging noch einmal gut, sie kamen davon. Aber Blek ist sich jederzeit der Gefahr bewusst. Er meint, dass das Kind des Rakata womöglich bald wieder ausbricht.
    "Auf dem Krater ist jetzt eine Art Pfropfen, und der Berg bewegt sich wie mein Bauch, wenn ich nicht genug gegessen habe."
    Er könnte mit seiner Vorhersage recht haben. Vielleicht.
    Die Vulkanspezialisten vom Überwachungszentrum sagen dazu: "Vielleicht bricht ein Vulkan aus, vielleicht auch nicht, wir wissen es nicht. Wir können die Trends der Aktivität beobachten, aber wir können nichts vorhersagen. Wir können nur die Alarmstufe steigern."
    Die Indonesier sind das gewohnt. Und Blek wird auf seinen Vulkan weiter gut aufpassen.