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Infiziert vom Virus Fußball

Er ist vielfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt er das Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband: der DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun, der heute seinen 85. Geburtstag feiert. Schon immer sei er "vom Fußball infiziert" gewesen, sagte der Aachener Kartoffelgroßhändler einmal.

Von Eduard Hoffmann | 27.02.2010
    "Ich stelle fest, dass damit Egidius Braun zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes gewählt worden ist."

    Am 24. Oktober 1992 wird Egidius Braun Nachfolger des verstorbenen Hermann Neuberger. Da ist er schon fast 20 Jahre Präsident des Fußballverbandes Mittelrhein und war als DFB-Schatzmeister sowie im europäischen Fußballverband UEFA tätig. Geboren wird Braun am 27. Februar 1925 in dem kleinen Voreifeldorf Breinig bei Aachen. Die Eltern haben einen Landhandel und der Vater ist Vorsitzender des örtlichen Fußballvereins. Bald tritt Edi, wie Egidius genannt wird, in der Jugendmannschaft des SV Breinig selbst gegen das runde Leder. 1943 macht er Abitur und muss in den Krieg. Kurz nach Kriegsende verdient der junge Egidius als selbstständiger Kartoffelhändler schon gutes Geld und kickt in der ersten Mannschaft des SV Breinig.

    "Meine erste Kluft, mein erstes Shirt, würde man heute sagen, war ein umgebauter amerikanischer Mehlsack, und meine Schuhe, das waren Amischuhe, da wurden vorne ein paar Bleikappen rein gemacht."

    Schon bald beginnt die Funktionärskarriere, im Verein, im Fußballkreis Aachen und schließlich im DFB. Dabei findet der bekennende Katholik und Musikliebhaber oft noch Zeit, im Kloster der Augustinerinnen in Aachen-Walheim sonntags zur Messe die Orgel zu spielen.

    "Fußball muss mehr als 1:0 sein. Er hat eine unglaubliche soziale Funktion."

    So lautet das Credo von "Pater Braun", wie der Fußball-Funktionär wegen seines sozialen Engagements oft genannt wird. Bei der WM 1986 hatte Braun als Delegationsleiter der Nationalelf die "Mexiko-Hilfe" des DFB ins Leben gerufen, die bis heute Heim- und Straßenkinder in dem mittelamerikanischen Land unterstützt. Mit Egidius Braun erhält der DFB so erstmals eine wirksame soziale Ausprägung. Als Präsident zeigt er sich immer auch als Anwalt der breiten Mehrheit von Amateurfußballern im Verband.

    "Großes Anliegen ist mir, den vielen kleinen Vereinen in diesem großen DFB immer wieder das Gefühl zu geben, wir sind für sie da, wehren Gefahren für sie ab und helfen, wenn sie Sorgen haben."

    Die voranschreitende Kommerzialisierung und die steigende Einflussnahme der Medien auf den (Profi)fußball, insbesondere das Geschachere um die Fernsehrechte, geißelt der Kaufmann und Unternehmensberater bis zum Ende seiner Präsidentschaft 2001. Braun schwebt das wohl überholte Bild eines "Volkssports" vor:

    "Die Emotionen werden aus den Menschen entfernt, wenn die Glaubwürdigkeit an diesen Volkssport verloren geht. Und diese Glaubwürdigkeit, die geht verloren, wenn der Fußball verkommt zu einem Unternehmen der Unterhaltungsbranche."

    Ende der 90er-Jahre gerät Braun mit seinem konservativ-patriarchalischen Führungsstil in die Kritik. Zu lange hält er an seinem überforderten Bundestrainer-Freund Berti Vogts fest. Nach dessen Rücktritt lässt er eine unnötige öffentliche Nachfolger-Diskussion zu und bestellt schließlich den schon seit Jahren aus dem Fußball-Profigeschäft ausgeschiedenen Erich Ribbeck zum neuen Nationalcoach. Der muss zwei Jahre später schon wieder den Hut nehmen, nachdem die deutsche Elf bei der Europameisterschaft 2000 bereits in der Gruppenphase kläglich scheitert.

    Das "unauslöschlich Schlimmste" seiner Funktionärskarriere hatte Braun jedoch während der WM 1998 in Frankreich miterleben müssen, als der französische Polizist Daniel Nivel von deutschen Hooligans bestialisch zum Krüppel geschlagen worden war.

    "Ich bin entsetzt und fassungslos über das, was da geschehen ist. Ich kann Ihnen überhaupt nicht sagen, was sich in mir persönlich abgespielt hat. Und gerade unsere Bemühung ist es doch, auch mit unserer Nationalmannschaft dafür zu sorgen, dass wir gute Botschafter sind, wenn wir im Ausland sind."

    Nach zwei schweren Schlaganfällen erfreut sich der 85-Jährige DFB-Ehrenpräsident heute wieder einer recht stabilen Gesundheit. Mit seiner Frau Marianne lebt der Vater von zwei Söhnen zurückgezogen in Aachen, geht hin und wieder zu einem Heimspiel seiner "Alemannia" und engagiert sich weiterhin für die vom DFB 2001 eingerichtete "Egidius Braun Stiftung", die sich um die kulturelle und soziale Integration von Kindern und Jugendlichen kümmert.