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Infusionsexperimente
Junges Blut gegen Altersdemenz

Spritzt man alten Mäusen Blut junger Artgenossen, finden sie besser durch Labyrinthe. Diese Beobachtung testen zwei Forscher in den USA derzeit auf Tauglichkeit als potenzielle Abhilfe gegen Altersdemenz bei Menschen - und fühlen sich durch eine erste Studie bestätigt.

Von Christoph Drösser | 01.11.2017
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    Hilft, was dementen Mäusen hilft, auch dementen Menschen? Forscher in den USA erproben gerade das Prinzip "Junges Blut für alte Patienten" (picture alliance / dpa / Rolf Kremming)
    "Blut ist ein ganz besonderer Saft", sagte Mephistopheles in Goethes "Faust" und ließ diesen den Teufelspakt mit Blut unterschreiben. Blut ist das Elixier des Lebens, dachte sich auch Anfang des 17. Jahrhunderts die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory, die angeblich junge Frauen töten ließ, um in ihrem Blut zu baden. Sie erhoffte sich, davon wieder jünger zu werden. Wirklich teuflisch.
    Ganz so brutal ist der Schweizer Forscher Tony Wyss-Coray, der im kalifornischen Stanford forscht, bei seinen Experimenten nicht vorgegangen. Aber ein bisschen makaber waren die auch: Der Mikrobiologe nähte Mäuse paarweise zusammen, immer eine junge und eine alte Maus, so dass sie einen gemeinsamen Blutkreislauf hatten. Parabiose nennt man das. Die Folge: Bei der alten Maus, die schon Zeichen von Demenz zeigte, bildeten sich neue Hirnzellen.
    Bei Mäusen funktioniert es offenbar. Und bei Menschen?
    In der Folge konnte Wyss-Coray auch zeigen, dass die Wirkung immer noch da war, wenn man alten Mäusen regelmäßig Blutplasma von jungen spritzte, etwa fünf Prozent des Gesamtvolumens. Die alten Mäuse konnten sich plötzlich wieder viel besser in einem Labyrinth orientieren. In dem jungen Blutplasma mussten irgendwelche Substanzen stecken, die das Altern des Gehirns stoppen und sogar umkehren konnten.
    Funktioniert das auch beim Menschen? Etwa bei Senioren, die unter Alzheimer leiden? Wyss-Coray gründete zusammen mit dem aus Ungarn stammenden Neurowissenschaftler Karoly Nikolich die Firma Alkahest, um das zu testen. Am kommenden Samstag präsentiert Alkahest auf einer Konferenz in Boston die Ergebnisse einer ersten klinischen Studie. Nikolich:
    "Wir wollten testen, ob wir die Maus-Ergebnisse auch in Menschen übertragen können. Und dazu haben wir eine Studie entwickelt, wo wir 18 Patienten mit Alzheimer-Disease dann mit Jungplasma behandelt haben. Die Behandlung war einmal pro Woche für vier Wochen ein unit von Jung-Plasma, ein unit ist etwa 250 Milliliter."
    Firma will bald Produkte entwickeln
    18 Patienten, von denen neun das junge Blut bekamen und neun ein Placebo – das ist keine Stichprobe, von der man sehr aussagekräftige Ergebnisse erwarten kann. Deshalb sagt Alkahest: Die Studie sollte erst einmal zeigen, dass die Patienten die Infusionen gut vertragen. Aber man testete auch die Denkfähigkeit der alten Menschen – und sah ermunternde, nach eigenen Worten "statistisch signifikante" Resultate, so Nikolich:
    "Sehr überraschend sehen wir zwei Funktionen, die sich verbessert haben. In Englisch würde ich sagen "executive function", das ist so Anwesenheit, Präsenz, dass man Familienmitglieder erkennt oder Witze erzählt, und die andere war "activities of daily living", so allgemeine Sachen wie ein Hemd zu anziehen oder Socken anziehen oder ein Frühstück vorbereiten und solche Sachen. Also in diesen zwei Gebieten sehen wir eigentlich statistisch bedeutende Verbesserungen."
    Die Firma verkauft diese Ergebnisse noch nicht als Durchbruch, dazu ist die Zahl der Patienten zu klein. Aber sie sieht sich bestätigt und will daran gehen, wirkliche Produkte zu entwickeln. Braucht bald jeder ältere Mensch einen jungen, der ihm als Blutspender dient? Im Silicon Valley munkelt man, dass Milliardäre wie der Investor Peter Thiel schon heute mit solchen Transfusionen experimentieren. Aber Nikolich winkt ab:
    "Plasma selbst ist eine sehr komplexe Mischung. Plasma enthält wahrscheinlich so ungefähr 10.000 oder so Komponenten, meistens Proteine, Lipide und andere Chemikalien. Ich glaube, Plasma wird nie ein Therapeutikum sein. Aber das war doch ein sehr wichtiger Schritt von Maus zu Mensch."
    Was unterscheidet altes und junges Blut?
    Das Ziel der Firma ist es, aus diesen Tausenden von Komponenten diejenigen herauszufiltern, die tatsächlich für eine verjüngende Wirkung verantwortlich sein könnten. Um die zu identifizieren, haben die Forscher zusammen mit einer spanischen Firma Unterschiede im Blut von Erwachsenen zwischen 18 und 70 Jahren untersucht. 5000 Proteine wurden dabei analysiert. Und man fand 200 Proteine, die mit dem Alter seltener werden im Blut, und 400, deren Konzentration sich erhöht. Aber was heißt das? Ein Stoff, der sich im Blut findet, kann eine aktive Funktion im Körper haben, er kann aber auch das Abfallprodukt eines Prozesses sein. Da stochern die Forscher noch ziemlich im Nebel. Nikolich:
    "Wir denken, das ganze Blutsystem ist wie das Internet des Körpers. Das ist ein System, was Zehntausende und noch mehr Signale herumschickt in dem Körper. Und die können positiv sein, die können negativ sein, die können Ursache sein, die können auch Ergebnisse sein, also das Verständnis davon ist immer noch in frühen Jahren. Jetzt sind wir immer noch in der Phase, wo wir Informationen sammeln."
    Die Firma will im nächsten Schritt ein Präparat an Patienten testen, das nur noch 400 Proteine enthält. Durch Versuch und Irrtum will man das Jungbrunnen-Elixier immer weiter einkreisen. Am Ende soll irgendwann ein Medikament stehen, das unter Umständen gar nicht mehr gespritzt werden muss. Eine Pille gegen das Altern – Goethes Faust hätte sie genommen.