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Ingenieur-Dienstleister Segula
Opel, adieu!

Etwa 2.000 Opel-Ingenieure sollen bis zum nächsten Sommer den Arbeitgeber wechseln: weil das Unternehmen sein Entwicklungszentrum mit zuletzt rund 7.000 Beschäftigten nicht mehr auslasten kann, kooperiert es mit dem französischen Dienstleister Segula. Ob der Plan aufgeht, ist offen.

Von Ludger Fittkau | 11.01.2019
    Proteste gegen Verkaufspläne bei Opel
    Die wenigsten Mitarbeiter des Entwicklungszentrum wollen zu Segula wechseln. (dpa/Silas Stein)
    Martin Lange kommt etwas verspätet zum vereinbarten Treffpunkt - den Räumen einer großen PR-Agentur im noblen Westend von Frankfurt am Main. Der schmale Mann um die 50 reist mit der S-Bahn aus Rüsselsheim an, seinem künftigen Wirkungsort. Der Rhein-Main-Nahverkehr ist für ihn noch gewöhnungsbedürftig, noch hat der Manager in Rüsselsheim kein Büro und übernachtet dort im Hotel. Das wird sich wohl bald ändern: Denn Martin Lange ist der Deutschlandchef von Segula Technologies.
    Der Ingenieurdienstleister mit weltweit rund 11.000 Mitarbeitern will Teile des Opel-Entwicklungszentrums im Rüsselsheim übernehmen. Stammsitz des Unternehmens in Familienbesitz ist die französische Stadt Nanterre bei Paris. Mehr als die Hälfte des Umsatzes von rund 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018 wird in der Automobilbranche erzielt.
    Segula- Deutschlandchef Martin Lange: "Ja, es sind verschiedene Industriebranchen. Automotive ist das größte Segment mit über 60 Prozent. Aber wir sind auch im Fahrzeugbau allgemein - also Luftfahrt, Schiene und Wasserstraße, auch im Schiffbau - tätig. Wir beschäftigen uns mit Energietechnik, mit Öl und Gas, sind aber auch in der Pharmazie und im Anlagenbau tätig. Dort wo uns große Industriefirmen als Dienstleister für technische Konstruktionslösungen und Erprobungen benötigen."
    Opel-Mitarbeiter sträuben sich gegen Wechsel
    "Segula - au Revoir!" - das rufen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Opel -Entwicklungszentrums bei einer Demo durch Rüsselsheim kurz vor Weihnachten 2018. Der Demozug zieht von den modernen Bürogebäuden des Entwicklungszentrums am Südrand des Opel-Stammwerks an den denkmalschützen Backsteingebäuden des sogenannten "Opel-Altwerks" vorbei in die Rüsselsheimer Innenstadt.
    Noch ist die Verunsicherung bei vielen Opel-Ingenieuren angesichts des Teilverkaufs des Rüsselsheimer Ingenieurs-Pools an den internationalen Technik-Dienstleister Segula groß. Das weiß auch Martin Lange, der Deutschland-Chef der Firma in französischem Familienbesitz. Für ihn gilt es deshalb nun, Segula in Deutschland erst einmal bekannt zu machen. Gerade hat er sich dem Bürgermeister von Rüsselheim vorgestellt und ihm die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Autostadt zugesichert:
    "Engineering-Dienstleistung - EDL wie das so schön heißt - das ist unser Metier. Und in diesem Metier und in diesem Segment ist die Firma in den letzten 20 Jahren groß geworden, stark gewachsen, auch international mit großen Kunden - 300 große Kunden weltweit - und seit zwei Jahren auch in Deutschland aktiv mit rund 500 Mitarbeitern; allerdings als Name noch nicht weit etabliert in Deutschland. Das wird sich jetzt mit dem Projekt ändern."
    Entwicklungszentrum nicht ausgelastet
    Das Projekt - das ist der Versuch des jetzigen Opel-Besitzers PSA, einen Teil des Opel-Entwicklungszentrums mit bisher rund 7.000 Mitarbeitern durch andere Aufträge auszulasten als bisher. Die neuen französischen Opel-Eigentümer mit den Stammmarken Peugeot und Citroën haben nicht genug zu tun für die große Zahl von deutschen Autoentwicklern in Rüsselsheim. Schließlich fallen die Technik-Aufträge künftig weg, die bisher noch von der früheren Opel-Eigentümerin General Motors in Deutschland bestellt wurden.
    Deshalb hat PSA einen Teil des Entwicklungszentrums nun an Segula verkauft, rund 2.000 Ingenieure sollen von Opel übernommen werden. Martin Lange, der Segula-Deutschlandchef:
    "Wir müssen ja erkennen, dass das Engineering-Zentrum im Rüsselsheim derzeit nicht mehr voll ausgelastet ist. Und deshalb ist der Plan, bei der zurückgehenden Auslastung die Ressourcen und damit auch die Kapazitäten, im Übrigen auch die Prüfstandskapazitäten, die für den PSA-Konzern in dem Umfang nicht mehr benötigt werden, auch anderen Automobilherstellern in Deutschland, in Europa und gerne auch weltweit zur Verfügung zu stellen."
    Segula entwickelt Antriebe für Autos, Flugzeuge, Schiffe
    Nicht nur PKW und Nutzfahrzeuge stehen auf der Liste der Technikdienstleistungen, die Segula weltweit anbietet. Die Firma entwickelt auch Antriebsysteme für die Luftfahrt, Schienenfahrzeuge oder Komponenten für die Schifffahrt und Hafenanlagen.
    Martin Lange kann sich vorstellen, dass auch in Rüsselsheim künftig nicht nur für die Automobilbranche entwickelt wird. Aber, "natürlich - Schuster bleib bei Deinen Leisten - werden wir uns auf die Kompetenzen konzentrieren, die heute vorhanden sind. Wir werden nicht das Rad neu erfinden und damit in Branchen versuchen zu positionieren, wo unsere Dienste nicht nachgefragt werden. Aber da haben wir aus anderen Ländern und aus der bisherigen Historie gute Erfahrung, wo und wie Kompetenzen und Qualifikationen nachgefragt werden. Da ist mir also nicht bange. Und wir sind heute breit aufgestellt und werden das künftig auch in Deutschland sein."
    Sind Segula-Jobs sicher?
    Sorgen macht sich bisher allerdings noch die Opel-Belegschaft, von denen Martin Lange bis zu 2.000 für den neuen Segula-Standort in Rüsselsheim gewinnen will. Der Deutschlandchef des Technologie-Konzerns verspricht deshalb enge Kooperation mit den Sozialpartnern. Der Ingenieurin oder dem Ingenieur, der von Opel zu Segula wechseln will, könne er die Perspektive eines sicheren Arbeitsplatzes aufzeigen, glaubt Lange. Und:
    "Und dass er die gewonnen Erfahrung, die gewonnene Kompetenz aus dem Opel-, GM-, PSA-Kontext heraus auch bei anderen Kunden dann entsprechend zum Einsatz bringt. Wir haben spannende Aufgaben zu bieten und das wird für jeden einzelnen sicherlich eine interessante Aufgabe."
    Eine Aufgabe, für die die bisherigen Opel-Ingenieure auch nicht unbedingt Französisch pauken müssen, versichert Martin Lange. Obwohl nun mit PSA und Segula künftig gleich zwei französische Unternehmen das Sagen haben: Unternehmenssprache im Ingenieursbereich bleibt Englisch, auch die ausstehenden Verhandlungen mit der IG Metall über einen neuen Tarifvertrag werden wohl in Englisch stattfinden. Wichtig ist hier wohl nicht die Verhandlungssprache, sondern das Papier, das am Ende dabei herauskommt. Denn ohne Tarifvertrag wird kein Opelaner freiwillig zu Segula wechseln.