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Ingenieursausbildung
Sinn für Innovationen gewünscht

Der Ingenieurberuf gilt angesichts der anstehenden technischen Herausforderungen und Umwälzungen weltweit als ein Metier mit großer Zukunft. In Paris diskutierten deshalb Dekane von mehreren Kontinenten, wie sich mehr Nachwuchs für eine Ingenieursausbildung gewinnen lässt - das Berufsbild erfordert dabei heute innovatives und globales Denken.

Von Suzanne Krause | 28.08.2015
    793 Studenten sitzen bei der Erstsemesterbegrüßung am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau in Koblenz-Rheinland-Pfalz im großen Hörsaal.
    Überall gibt es Bemühungen, das Ingenieurstudium attraktiver zu machen. (dpa / picture alliance / Thomas Frey)
    Mitten in Paris, direkt neben dem Jardin du Luxembourg, residiert die Ecole des Mines seit nunmehr 200 Jahren in einem herrschaftlichen Bau. Eine Eliteeinrichtung – studieren kann hier nur, wer die schwierige Aufnahmeprüfung schafft. 1.300 Studierende sind es zur Zeit. Ein Klacks angesichts der Tatsache, dass jährlich in Frankreich 100.000 Jung-Ingenieure in den Arbeitsmarkt einsteigen. Doch auch das deckt noch nicht den Bedarf der Wirtschaft. Romain Soubeyran, Direktor der Ecole des Mines, resümiert die generelle Lage im Land:
    "Die Ingenieurschulen, die in den 1990iger-Jahren schon existierten, haben im vergangenen Vierteljahrhundert die Zahl der Studierenden verdoppelt. Das ist auch bei uns der Fall. Und zudem sind viele neue Schulen, ob öffentliche oder private Einrichtungen, eröffnet worden, um der Nachfrage der Industrie Herr zu werden."
    Frankreich verdoppelte Ingenieurstudenten
    Doppelt so viele Studierende als noch vor 25 Jahren zählt Frankreich also heute - in Deutschland stieg ihre Zahl gerade mal um 50 Prozent. Für deutsche Verhältnisse erstaunlich wirkt auch der Frauenanteil von 28 Prozent beim französischen Ingenieurnachwuchs. Romain Soubeyran würde gerne noch mehr Abiturienten für eine Ingenieurausbildung begeistern.
    "Die Ingenieursausbildung leidet darunter, dass der Beruf in Verbindung gebracht wird mit der Industrie. Und zumindest in Frankreich gilt die Industrie als Umweltverschmutzer. Zudem wird häufig der Ingenieur als jemand angesehen, der zwar über viel technisches Wissen verfügt, der aber im Beruf immer wieder dieselben Tätigkeiten und Berechnungen stur wiederholt."
    Die Alltagsrealität im Job aber sei mittlerweile eine andere, sagt Soubeyran.
    "Heute wird von einem Ingenieur erwartet, dass er innovativ denkt, dass er zur Forschung fähig ist und dazu, Problemlösungen vorzuschlagen, die man bislang vergeblich suchte."
    Innovation und globales Denken gefragt
    Die Pariser Elite-Einrichtung setzt heute neben einer technischen Standardqualifikation auch darauf, Kompetenzen im Bereich Innovation sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit zu stärken. Ein weltweiter Trend. Als ein Vorbild gilt das MIT in den Vereinigten Staaten, das weltberühmte Massachusetts Institute of Technology. Diese Hochschule hat ein offenes Ohr für die Industrie. Und auch für die, die hier studieren – der Lehrplan wird ihren Wünschen regelmäßig angepasst. Denn die Studierenden wollen mehr Flexibilität in der Ausbildung, mehr Wahlfreiheit, sagt MIT-Dekanin Christine Ortiz, die auch zur Konferenz nach Paris kam.
    "Die heutigen Ingenieurstudenten haben verstärkt die Community und die ganze Welt im Blick. Das zeigt sich auch in der Wahl ihrer Forschungsprojekte. Ihnen ist es wichtig, ihr Scherflein beizusteuern zur Lösung der Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Armutsbekämpfung oder auch Energiewende. Ihr diesbezügliches Interesse boomt."
    Um auf dem nunmehr globalen Ausbildungsmarkt zu bestehen, bildet die Pariser Eliteingenieurschule Ecole des Mines seit 2012 auch 100 Nachwuchsingenieure in China, in Schanghai, aus. Ein Markt mit Zukunft. Chinas Wirtschaft ist im Wandel: Zunehmend werden in den dortigen Fabriken nicht mehr westliche Waren kopiert, sondern innovative Produkte hergestellt, sagt Schulleiter Cédric Denis-Rémis:
    "Was in China heute fehlt, sind Ingenieure, die extrem gut und global ausgebildet sind und damit fähig sind, in einem Betrieb, der auf Innovationen setzt, als Schnittstelle zwischen der Produktion und dem Management zu fungieren."