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Ingolf Dalferth
"God First"

Der evangelische Theologe Ingolf Dalferth kritisiert die America-First-Ideologie des US-Präsidenten. Dalferth setzt dem Slogan ein "God First" - ein "Gott zuerst" - entgegen. "Damit werden unsere Egoismen unterbrochen", sagte Dalferth im Dlf. Er lehrt in Los Angeles.

Ingolf Dalferth im Gespräch mit Andreas Main | 09.01.2019
    Der Theologe Ingolf Dalferth
    Der Theologe Ingolf Dalferth lehrt Religionsphilosophie in den Vereinigten Staaten (Friedemann Kirn)
    Ingolf Dalferth ist einer der renommiertesten deutschsprachigen Theologen, der seit mehr als zehn Jahren an der Claremont Graduate University in Kalifornien lehrt und forscht. Geboren 1948 in Stuttgart, war er Professor in Tübingen, Frankfurt und Zürich.
    "Die Differenz von Schöpfer und Geschöpf"
    Zuletzt von ihm erschien unter anderem sein Buch: "God first - Die reformatorische Revolution der christlichen Denkungsart". "America First" sei der Inbegriff für jene Haltung, die "privaten und nationalen Egoismus herausstellt. Die Gottesthematik hingegen steht generell dafür, sich und alles andere noch einmal anders zu sehen", sagte Dalferth.
    Die reformatorische Theologie sei revolutionär, weil sie die "Differenz von Schöpfer und Geschöpf" betone. Sie sei jedoch in der Gefahr, verharmlost zu werden, "weil man dieses einseitige Modell, dass Gott der Wirkende ist und das Geschöpf das Gewirkte, meint korrigieren zu müssen." Protestantische Kirchen sollten alles von Gott her denken, und alles andere an zweite Stelle setzen. Das gelte auch für die Politik.
    Gott ist nicht privat
    Dalferth kritisierte eine "bei uns üblich gewordene Tendenz, das Gottesthema gewissermaßen nur als Privatthema zu verhandeln, um den Frieden in einer Gesellschaft zu wahren, weil es unterschiedliche religiöse Traditionen gibt, die oft in eigentümlicher und schwerer Konkurrenz stehen." Es habe sich aber gezeigt, dass die Reduktion der Gottesthematik auf eine Privatmeinung nicht den Kern des Problems treffe.
    "Die Meinung, dass gewissermaßen Toleranz die Basisreligion moderner Gesellschaften sein müsse und Indifferenz das gesellschaftliche Normalverhalten darstellt, ist eine von allen möglichen Seiten in Frage gestellte Annahme." Der Denkfehler bestehe darin, so Dalferth, dass man die "staatliche Neutralitätsforderung, die in der Tat entscheidend ist für den Umgang mit religiösen Traditionen in einer Gesellschaft, für sich selbst übernimmt und meint, man müsse auch neutral denken, wenn man sich neutral, also in nicht-aggressiver Weise gegenüber anderen verhalten möchte."