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Inhaftierter Menschrechtsaktivist
Bundesregierung verurteilt türkische Haftforderungen

Die türkische Staatsanwaltschaft will 15 Jahre Haft für den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner. Die Bundesregierung hat prompt reagiert und die Forderung scharf kritisiert. Sowohl der Außenminister als auch der Regierungssprecher wurden dabei sehr deutlich.

Von Paul Vorreiter | 09.10.2017
    "Freiheit für Peter!!" steht in Berlin an der Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg auf einem Zettel. Die Berliner Gemeinde des in der Türkei inhaftierten Menschenrechtlers P. Steudtner ruft zum täglichen Gebet für ihr langjähriges Mitglied auf.
    Unterstützung für Peter Steudtner kommt auch aus Berliner Kirchengemeinde des in der Türkei inhaftierten Menschenrechtlers. (picture alliance / Paul Zinken / dpa)
    In einem Interview mit dem "Spiegel" hat der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gesagt, er habe sich dafür eingesetzt, das Verfahren von Menschenrechtler Peter Steudtner zu beschleunigen. Was nach ausgestreckter Hand in Richtung Deutschland klingt, erinnert Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen an Mafia-Taktik, wie sie heute im Deutschlandfunk deutlich machte:
    "Die Türkei geht nach Mafia-Art vor, weil an einem Tag kündigt der türkische Außenminister Cavusoglu verbale Abrüstung an, aber am nächsten Tag schlägt die regierungshörige Staatsanwaltschaft gegen Menschenrechtler wie Peter Steudtner zu und will sie im Gefängnis lebendig begraben. Wer meint, deutsche Staatsbürger als Geisel halten zu müssen, der darf und kann auch kein Partner sein: Deswegen erwarte ich, dass von der Bundesregierung natürlich jetzt auch eine Reaktion erfolgt."
    Auswärtiges Amt schon tätig geworden
    Die Bundesregierung hat dahingehend reagiert, dass Außenminister Sigmar Gabriel die Forderung nach bis zu 15 Jahren Haft als vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel bezeichnete. Mit großer Sorge sehe er, dass an den Terrorvorwürfen festgehalten werde. Das Ziel der Bundesregierung bleibe es weiterhin, Steudtner und die anderen zehn Deutschen, die wegen politischen Vorwürfen in der Türkei in Haft sind, zurückzuholen. Das verdeutlichte heute auch noch mal der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert:
    "Die Haltung der Bundesregierung, die im Übrigen der türkischen Regierung sehr gut bekannt ist, bleibt, wir erwarten von der Türkei, dass die deutschen Staatsangehörigen, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelassen werden. Dafür werden wir uns, mit all unseren Möglichkeiten auf allen uns zur Verfügung stehenden Kanälen einsetzen."
    Dem Auswärtigen Amt liegt die Anklageschrift noch nicht vor, in der Angelegenheit sei es aber schon tätig geworden, sagte Sprecherin Maria Adebahr:
    "Fragen der Kontakte, die wir mit der türkischen Regierung hatten, das war auf ganz vielen Ebenen und das ganze Wochenende, von der Botschaft, vom Auswärtigen Amt auf verschiedenen Ebenen in das Außenministerium der Türkei hinein, da gab es nicht Presseöffentliches dazu zu sagen, aber so war es."
    Sonderbeauftragter gefordert
    Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der Bild-Zeitung, die Vorwürfe gegen Steudtner seien an Absurdität kaum zu übertreffen. Solange die Türkei die deutschen Geiseln nicht freilässt, könne es bedauerlicherweise keine Rückkehr zur Normalität zwischen beiden Ländern geben.
    Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen fordert unterdessen einen Sonderbeauftragten der Bundesregierung, der sich um die Freilassung der inhaftierten Deutschen in der Türkei bemühen soll. Auch die Neuausrichtung der Türkeipolitik, die Außenminister Sigmar Gabriel als Folge der sich zuspitzenden Beziehungen in diesem Sommer eingeleitet hat, reicht der Außenexpertin nicht:
    "Die groß angekündigte Neuausrichtung der deutschen Türkeipolitik hat konkret nur Eines bisher erbracht, dass man nämlich gesagt hat, man aktualisiert die Reisehinweise, aber weder eine Reisewarnung, noch Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen, noch Stopp der deutschen Waffenexporte, geschweige denn den Abzug der Bundeswehr, das alles ist nicht passiert und ich finde das müsste man auf der politischen Ebene zumindest machen."
    Nächster Prozess gegen Deutsche
    Peter Steudtner war Anfang Juli auf einer Insel vor Istanbul festgenommen worden, wo er ein Seminar zum Thema digitale Sicherheit geleitet hatte. Neben ihm wurden auch ein schwedischer IT-Spezialist und neun türkische Menschenrechtler festgenommen, darunter die türkische Amnesty-International-Direktorin Idil Eser. Steudtners Istanbuler Anwalt rechnet mit einem schnellen Prozess. Er hält die Anklageschrift für widersprüchlich. Auch fehle es an Beweisen, die die Vorwürfe untermauern.
    Der Fall Steudtner ist nicht der einzige, der der Bundesregierung gerade Ärger bereitet: Übermorgen fängt in der Türkei der Prozess gegen die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu an. Ihr werden Propaganda und Mitgliedschaft in einer linksextremen Organisation vorgeworfen. Nach Angaben ihrer Anwältin drohen ihr bis zu 20 Jahre Haft.