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Initiative Tierwohl
Vielen Schweinen soll es künftig besser gehen

Bei den Verbrauchern herrscht Empörung über die Verhältnisse in der Tierhaltung. Immer mehr Menschen verzichten deshalb ganz oder teilweise auf Fleisch. Die Landwirtschaft hat das Problem erkannt und die Initiative Tierwohl gestartet. Dafür gibt es Lob, aber auch Kritik - etwa von den Bauern, die nicht mitmachen können.

Von Susanne Kuhlmann | 03.06.2015
    Ein Mastschwein steht am 16.10.2014 in einem Mastbetrieb in Lindern (Niedersachsen) im Stall
    Viele Schweine sollen es künftig besser haben. (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    Ein heller Stall mit 1.350 Mastschweinen. 19 Tiere leben miteinander in einer Bucht. Tobias Leurs ist einer von gut 2.100 Landwirten, die bei der Initiative Tierwohl mitmachen dürfen. "Grundlegende Voraussetzungen sind einmal: 1,5 Prozent der Stallgrundfläche müssen Fensterfläche sein, wie hier diese größeren Fenster. Man muss an einem Antibiotika-Monitoring teilnehmen. Da wird festgehalten, ob man Antibiotikaeinsatz hat, wie viel Antibiotika eingesetzt werden."
    Tobias Leurs hat Verschiedenes im Stall verändert, sodass seine Schweine im Vergleich zu früher zehn Prozent mehr Platz haben und sich besser beschäftigen können. Unter anderem mit täglich frisch aufgefülltem gehäckselten Weizenstroh als Raufutter von den eigenen Feldern. "Sie müssen es aus dieser Raufe raus zupfen, was relativ interessant ist für die Tiere. Dann haben wir hier Hölzer zur Beschäftigung, die die Tiere anknabbern können. Dann haben wir Spielketten in den Ecken. Dann haben wir Schalentränken eingebaut. Bei denen soll das Saufen aus der Pfütze nachempfunden werden."
    Größere Fenster hatte dieses Stallgebäude schon zuvor. Das erweiterte Platzangebot, der Einbau von Spielzeug, anderem Beschäftigungsmaterial und die neuen Tränken kosteten 8.000 Euro. Das branchenübergreifende Bündnis kam nach langen Diskussionen zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelhandel und Fleischindustrie auf freiwilliger Basis zustande. "Die Initiative läuft über drei Jahre. Man hat regelmäßige Audits, Prüfungen, wo kontrolliert wird, ob man alle Bedingungen einhält, was auch Voraussetzung ist, um mitmachen zu können. In dieser Zeit würden die Investitionskosten zurückgezahlt werden."
    Vier Cent pro verkauftem Kilogramm Fleisch zahlen Aldi, Edeka, Kaufland, Kaiser's Tengelmann, Lidl, Netto, Penny, Real und Rewe seit Anfang 2015 in den neuen Tierwohlfonds ein. 85 Millionen Euro sind für dieses Jahr zusammengekommen. Die speziell für die Schweinehaltung vorgesehene Summe reicht allerdings nur für knapp die Hälfte aller interessierten Betriebe. Auch Tobias Leurs Nachbar Wilhelm Hellmanns nimmt am Programm teil. Er kritisiert, dass so viele Kollegen ausgebremst wurden. "Das geht überhaupt nicht zusammen mit der allgemeinen Meinung der Verbraucher, die uns Schweinehalter extrem bedrückt. Wir werden dargestellt, als ob wir unrechtmäßige Dinge machen würden, und wir fordern, dass zumindest die positiv zertifizierten Betriebe alle eine Chance bekommen, am Tierwohl-Programm teilzunehmen."
    Der Handel muss auf die Billigpreispolitik verzichten
    Der Deutsche Tierschutzbund ist an der Initiative nicht beteiligt, äußert aber Lob für deren Start. "Zuerst einmal gilt es anzuerkennen: Wenn eine Branche eine Lösung sucht, dann hat sie das Problem verstanden." Die Einschränkung schiebt Verbandspräsident Thomas Schröder prompt nach. "Die Lösung aber greift viel zu kurz. Wenn der Handel es ehrlich meint, hätte er gleichzeitig auf die Billigpreispolitik für Fleisch verzichten müssen, denn das ist die Ursache für viele systemimmanente Tierschutzfragen in den Stallsystemen."
    Die neun großen Handelsketten, die die Initiative tragen, stehen allerdings nach wie vor im Wettbewerb und planen nicht, die Fleischpreise anzuheben. Ihre Kunden können allerdings auch nicht gezielt Fleisch von Betrieben der Initiative kaufen, denn es wird nicht separat angeboten. Und einige, vorwiegend regionale, Lebensmittelhändler unterstützen die Initiative Tierwohl bisher nicht.
    Der Tierschutzbund hat übrigens ein wirkliches Tierschutzlabel entwickelt, das jedoch kaum eine Konkurrenz darstellt, weil es bisher nur bei wenigen Landwirten auf Interesse trifft. Wer es nutzen will, muss in seinen Ställen mehr verändern als im Rahmen der Tierwohlinitiative, die jetzt das kurze Leben von rund zwölf Millionen Schweinen verbessert. Die Initiative Tierwohl ist auf drei Jahre befristet - und überzeugt in dieser Zeit vielleicht auch mehr Verbraucher davon, dass der Preis beim Fleischkauf nicht der allein entscheidende Aspekt sein sollte.