Freitag, 29. März 2024

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Initiativen aus Brandenburg und Sachsen
Großes Rückkehrbedürfnis nach Ostdeutschland

Seit der Wende haben mindestens zwei Millionen Menschen die ostdeutsche Provinz verlassen. Um Verödung und Überalterung aufzuhalten, werben Brandenburg und Sachsen aktiv um Rückkehr-Willige. Und tatsächlich ziehen immer mehr Menschen zurück in die Regionen ihrer Kindheit.

Von Vanja Budde und Alexandra Gerlach | 20.09.2018
    Der Oder-Neiße-Radweg im Nationalpark Unteres Odertal am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder unweit von Schwedt (Brandenburg), aufgenommen am 04.03.2015. Der Nationalpark Unteres Odertal liegt zwischen Hohensaaten und dem polnischen Szczecin (Stettin). Seit 1993 ist der polnische Teil mit etwa 6.000 Hektar als Landschaftsschutzpark, seit 1995 der deutsche mit etwa 10.500 Hektar als Nationalpark ausgewiesen. Die Oderaue ist geprägt von der Stromoder selbst, ihren Altwassern und Schilfgürteln, von den periodisch überfluteten Feuchtwiesen und dem naturnahen Auwald. Die das Tal begrenzenden Hänge sind von artenreichen Laubwäldern bedeckt, die Kuppen von blumigen Trockenrasen. Diese vielfältigen Lebenstypen auf engstem Raum ermöglichen eine für Mitteleuropa ungewöhnliche Artenvielfalt.
    Sehnsucht nach Heimat: Raus aus dem Lärm und der Konkurrenz der Großstadt, zurück an die Oder - Brandenburg und Sachsen werben aktiv um Rückkehrer (Picture alliance / dpa / Patrick Pleul )
    "Ein eigenes Haus für mich und meine Familie!"
    Verzückt seufzend schaut der junge Mann im Kino-Werbespot auf ein leuchtend weißes Einfamilienhaus mit Satteldach und kleinem Garten:
    "Bei den Preisen hier leider undenkbar…"
    Der Traum von den eigenen vier Wänden muss nicht länger unerfüllt bleiben, denn in Mittelsachsen gibt es nicht nur nahe gelegene attraktive Großstädte und günstige Grundstücke auf dem Land, sondern auch fair zahlende Arbeitgeber…"
    Kleinunternehmer werben um Arbeitskräfte
    Die Charmeoffensive des Gerüstbauunternehmens aus dem sächsischen Roßlau spiegelt die Misere. Es fehlt in Mitteldeutschland in fast allen Branchen und Gewerken an jungen Arbeitskräften. Der Grund: In den Jahren 1989 und 1990 erlebten die ostdeutschen Länder einen Aderlass. Von 1990 bis 2012 verringerte sich die ostdeutsche Bevölkerung allein durch die Ost-West-Wanderung um rund zwei Millionen Menschen. Die Folge: Eine starke Überalterung der Gesellschaft in einigen ländlichen Gegenden und wenig Chancen für die Jugend. Das hat sich inzwischen geändert. Auch die Löhne haben deutlich angezogen:
    "Verdiene als Gerüstbauer mindestens so viel wie im restlichen Bundesgebiet. Leiste Dir so Deinen Traum von den eigenen vier Wänden. Komm nach Mittelsachsen! Eine Initiative der Gemeinhardt Gerüstbau GmbH!"
    Stellenbörsen und Beratungs-Pakete für Rückkehrer
    Eine kleine Jobmesse wirbt Ende Dezember 2017 in Zittau um Rückkehrer in die Region.
    Eine von vielen kleinen Jobmessen, die in Zittau um Rückkehrer in die Region wirbt (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    Aktiv versuchen inzwischen die Regionen gemeinsam mit ihren Unternehmen, die Abgewanderten zurückzugewinnen. Doch was muss man potenziellen Rückkehrern eigentlich bieten? Frage an einen Metallbauunternehmer aus der Lausitz:
    "Also bei vielen ist es natürlich so, da geht es in erster Linie um den Arbeitsplatz, aber, wenn man diesen Schritt vor zehn oder 15 Jahren in den Westen gemacht hat, dann hat man dort eine tolle Wohnung mittlerweile, man hat Kindergartenplatz, man hat einen Schulplatz, die Krankenhausversorgung ist gut, die ärztliche Versorgung, und das sind Punkte, da müssen wir dran arbeiten, wir können schon auch als Unternehmen viel anbieten."
    Zum Beispiel einen Kita-Platz im betriebseigenen Kindergarten, Wohnmöglichkeiten für Lehrlinge oder die Vermittlung günstiger Grundstücke für den Eigenheimbau. Vielerorts haben sich daher Unternehmen und Kommunen vernetzt, um Stellenbörsen und zielführende Beratungs-Pakete zu schnüren und um gemeinsam zu werben, mit sogenannten Rückkehrer-Tagen, die den jungen Leuten Perspektiven in der Heimat schmackhaft machen sollen. Im sächsischen Zittau nutzte man 2017 zum ersten Mal die ruhige Zeit zwischen den Jahren, um einen solchen "Rückkehrer-Tag" auszurichten.
    Lockangebote für Heimatbesucher an Weihnachten
    Es ist der 27. Dezember, das Weihnachtsfest klingt nach und die Innenstadt von Zittau ist festlich geschmückt. Während der Chor in der Johanniskirche das Programm für den festlichen Konzertabend probt, herrscht draußen in der Fußgängerzone reger Betrieb. Viele sind von weither in die Heimat gereist, um Weihnachten im Kreise der Familie zu feiern. Das belebt nun auch die von prachtvollen Häusern gesäumte Innenstadt der einstigen Tuchmacher- und Handelsmetropole, die unübersehbar von hohem Leerstand geprägt ist.
    Morgens in Zittau: Türmer Felix Weickelt schaut aus 60 Meter Höhe über die Stadt.
    Zittau: Blick aus 60 Meter Höhe über die Stadt (Dirk Gebhardt)
    Nun wenige Meter entfernt liegt das Gerhard-Hauptmann-Theater. Dort sind an diesem Morgen die Eingangstüren weit geöffnet.
    Am Eingang steht Maik Altmann und begrüßt die Gäste. Er ist Projektleiter der Initiative "Stellenbörse Jobs Oberlausitz". An diesem Tag unterstützt er die beiden Organisatoren des Rückkehrer-Tages, die Stadt Zittau und die Nachbarstadt Ebersbach-Neugersdorf:
    "Die Idee ist, dass man halt zwischen Weihnachten und Neujahr die Zeit nutzt, um auch die vielen Heimatbesucher, die da sind, hierher zu locken und möglicherweise auch mit ein paar Klischees aufzuräumen, dass es hier nichts gibt und man sich selbst einen Überblick verschafft."
    Nachfolger für die Firmenführung gesucht
    Gut zwanzig private und kommunale Unternehmen und Institutionen aus Produktion, Dienstleistung, Gesundheitswesen und Kultur haben im Theaterfoyer ihre Stände und Roll-ups aufgebaut, Prospektmaterial und Visitenkarten ausgebreitet. Die Industrie- und Handelskammer bietet Informationen über rund 1.000 Unternehmen, die akut oder in den nächsten Jahren im Landkreis Görlitz einen Nachfolger für die Firmenführung suchen. An den Stehtischen finden rege Gespräche mit Interessenten statt. Das Gros der Besucher ist zwischen 25 und 40 Jahre alt, manche haben kleine Kinder an der Hand oder auf den Schultern.
    An dem Stand eines traditionsreichen Maschinenbauunternehmens steht ein junges Paar Anfang Dreißig. Der Geschäftsführer des 300-Mann Unternehmens zeigt Interesse:
    "Schreiben Sie einfach mal eine Bewerbung ... Super, werde ich machen. Super."
    Von Freiburg im Breisgau zurück nach Görlitz
    Der junge Mann strahlt seine Frau an, sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs. Sie sind klassische Rückkehrwillige, die aktiv planen, von Freiburg im Breisgau in die Heimat zurückzuziehen:
    "Ja, das kann man schon so sagen. Ursprünglich kommen wir von Jonsdorf und jetzt sind wir halt in der Freiburger Ecke gelandet."
    Der Jonsdorfer hat Maschinenbau studiert und ist vor einem Jahrzehnt am westlichen Ende der Republik gelandet. Inzwischen hat er eine kleine Familie und nun reifen Überlegungen, den Lebensmittelpunkt doch wieder in die angestammte Heimat zu verlegen:
    "Also ganz wichtig ist erst mal, dass man einen Job hat, das ist hier in der Region halt immer so ein Knackpunkt, wir haben halt unsere Familie jetzt hier, der Freundeskreis ist zum Teil halt noch hier, und jetzt sind wir eine kleine Familie und da hat man so ein bisschen mehr Heimweh oder man hängt dann wieder ein bisschen mehr an der Heimat, wenn man dann sagt, na der Kleine kann dann mal zu Oma und Opa spielen gehen."
    Von Berlin zurück ins Oderbruch
    Mangelnde berufliche Perspektiven haben in Zittau und der gesamten Oberlausitz zu einem erheblichen, nachhaltigen Aderlass in der jungen Bevölkerung geführt. In den ersten drei Jahren nach dem Mauerfall verließen rund 7600 junge Leute ihre Heimatstadt Zittau, zwischen 2012 und 2014 waren es immerhin auch noch 4500. Diese Menschen und auch ihr Nachwuchs fehlen jetzt in der Region. Eine Entwicklung, wie sie auch in den anderen vier ostdeutschen Bundesländern zu beobachten war. Doch inzwischen scheint sich in einigen Regionen der Trend zu wandeln. Abgewanderte kehren zurück in Ihre Heimat, beispielsweise nach Brandenburg.
    Eine Dorfansicht von Neulietzegöricke im Oderbruch (Brandenburg), fotografiert am 20.04.2016 als Luftaufnahme mit einer Drohne
    Glück auf dem Dorf suchen und finden: Ansicht von Neulietzegöricke im Oderbruch, Brandenburg (picture alliance / ZB / Patrick Pleul)
    Wilma Rippich, Modedesignerin und Schneiderin, lebt jetzt wieder im Oderbruch. In Neutrebbin, dem Dorf ihrer Kindheit, hat sie sich eine kleine Wohnung gemietet. Die stille, weite Landschaft im Osten Brandenburgs, der große Fluss, die Oder, die hier die Grenze zu Polen markiert, haben sie geprägt. So sehr, dass sie es in der Großstadt schließlich nicht mehr ausgehalten hat.
    "`99 nach Berlin, dann 18 Jahre später wieder zurück, unbedingt wieder zurück ins Oderbruch, weil mich Berlin erschlagen hat: zu viele Leute, zu viel Lärm, zu viel Dreck und zu viel Konkurrenz auch. Und jetzt hier hab ich jetzt meinen Traum wahr gemacht und mich selbstständig gemacht."
    Fachkräfte händeringend gesucht
    Die 38jährige Wilma Rippich ist eine sogenannte Rückkehrerin. Tausende junge Leute haben seit der Wende Brandenburg den Rücken gekehrt - oft nicht freiwillig, sondern weil sie in dem strukturschwachen, dünn besiedelten Bundesland keine Arbeit fanden. Nach der deutsch-deutschen Einheit kam das Aus für die Schwerindustrie in der Mark, zehntausende Jobs fielen weg, die Arbeitslosenquote schnellte auf rund 20 Prozent hoch.
    Doch mittlerweile ist der tiefe wirtschaftliche Einbruch überwunden: Die jüngste Statistik weist eine Arbeitslosenquote von nur noch gut sechs Prozent aus. Fachkräfte werden händeringend gesucht. Da trifft es sich gut, dass jährlich einige Hundert entlaufene Landeskinder Heimweh haben und zurückkehren möchten. Wilma Rippich sehnte sich nach der Ruhe auf dem Land, den alten Freunden, nach der Näher der Familie. Und ihrem Geschäft tut die Verwurzelung auch gut:
    "Entwerfe eigene Modelle, mache eigentlich alles selber - vom Entwurf bis über die Produktion dann, und versuche, das dann zu verkaufen - übers Internet ist geplant, und bisher funktioniert das aber super durch Mundpropaganda. Also dadurch, dass ich ja hier schon mal auch groß geworden bin, viele, die ich kenne und die mich kennen, und durch Mundpropaganda spricht sich das dann rum. Und dann kommt immer irgendjemand. Also bis jetzt hat das super so funktioniert. Aber ein Online-Shop ist auch in Planung und Website ist jetzt veröffentlicht."
    Co-Working-Space im ländlichen Brandenburg
    Der Coworking-Space in der Alten Schule in Letschin
    Der Coworking-Space in der Alten Schule in Letschin (Torsten Kohn/Coworking Oderbruch)
    Wilma Rippich hat sich mit ihrem lichten Atelier im Obergeschoss der Alten Schule in Letschin eingemietet, dem Hauptort des Oderbruchs, zehn Kilometer von ihrem Dorf entfernt. Im Erdgeschoss gibt es seit Mai dieses Jahres den ersten Co-Working-Space im ländlichen Brandenburg. Schnelles Internet, guter Kaffee, Arbeitsplätze im trendigen Industrial-Stile: Das Co-Working richtet sich gezielt an die Kreativen der Region, an Zugezogene und Rückkehrer, erzählt Geschäftsführer Torsten Kohn.
    "Für Katrin hast du ja auch schon Sachen gemacht. Genau."
    Also Katrin, die unten sitzt, die Statikerin, die eigentlich regelmäßig außer heute zufälligerweise nicht, da ist, die macht nebenbei jetzt noch – was hat sie? Eine Yoga-Schule. Yoga-Unterricht. Genau. Und da brauchte sie nun mal Yoga-Kissen und das bot sich dann natürlich an.
    "Ja, so ist das wirklich ein Co-Working hier. Das ist total cool. Das ist auch genau das, was so guttut – dass man nicht alleine ist und trotzdem seine Ruhe hat. Das ist das Schöne an dieser Mischung: Dass wir alle, die hier sind, auch schon in der Stadt waren und nicht nur im Dorf geblieben sind. Das ist, glaube ich, dass, was es auch ausmacht."
    Netzwerke von Rückkehrer-Agenturen
    Um rückkehrwillige Landeskinder heim zu locken, braucht es Ansprechpartner und unterstützende Netzwerke. Überall in Brandenburg haben sich darum in den vergangenen Jahren Rückkehrer-Agenturen und -Initiativen gegründet. Sie helfen bei der Suche nach Job, Wohnung und Kita-Platz. Seit November 2017 arbeiten sie alle unter einem Dach: Das von der rot-roten Landesregierung geförderte Netzwerk "Ankommen in Brandenburg" soll das Werben um Rückkehrer intensivieren, sagt Martin Gorholt, Chef der Potsdamer Staatskanzlei.
    "Wir brauchen einfach Zuwanderung in Brandenburg, um insbesondere unsere Fachkräftelücke in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu schließen. Da ist die Frage: Welche Zielgruppe haben wir, die wir nach Brandenburg anlocken können? Es kommen viele Berliner nach Brandenburg, die ziehen aber meistens nach Brandenburg und arbeiten trotzdem weiter in Berlin und nicht in Brandenburg. Es gibt auch Flüchtlinge, die gekommen sind, auch europäische Arbeitskräfte, aber wir gehen davon aus, dass gerade bei denen, die das Land Brandenburg ja zu Hunderttausenden seit 1990 verlassen haben, unter denen viele sind, die aus Heimatverbundenheit auch bereit sind, wieder zurückzukommen. Außerdem sind das dann auch eher welche, die auch dorthin ziehen, wo sie Brandenburg verlassen haben, also auch in die äußeren Entwicklungsräume von Brandenburg, nicht direkt ins Berliner Umland."
    Know-how und Erfahrungen aus aller Welt
    Allee in der Uckermark
    Allee in der Uckermark (Imago/F. Berger)
    Sondern ins Oderbruch wie Wilma Rippich, in die Uckermark im Norden oder in den strukturschwachen Landkreis Elbe-Elster ganz im Süden, an der Grenze zu Sachsen. Hier hat Stephanie Auras die "Willkommensagentur Comeback Elbe-Elster" gegründet.
    Rapper Matthias Marschel, alias Tiaz, ist selbst ein Rückkehrer. "Comeback Elbe-Elster" will mit seinem Song und einem flotten Video weggezogene Landeskinder einerseits zur Rückkehr ermuntern und andererseits auf das Potenzial hinweisen, das Heimkehrer mitbringen, erzählt Gründerin Stephanie Auras:
    "Man muss ja alles drumrum organisieren, und wir sehen den Rückkehrer aber nicht nur als Fachkraft, wie es ja immer so heißt, sondern der Rückkehrer bringt ja ganz viel Input mit: Neue Sachen, Innovation, derjenige bringt die Kinder mit, die sich dann wieder engagieren im Verein XY. Sie sind mit dem Herzen hier aus der Heimat, sie haben aber ein riesen Know-how aus den Erfahrungen, die sie weltweit sammeln konnten."
    "Man hat Oma und Opa in der Nähe"
    Stephanie Auras ist selbst 2009 der Liebe wegen aus New York in ihr Heimatstädtchen Finsterwalde zurückgekehrt, in eine flache, grüne Gegend am Rande der Lausitz, zwei Stunden südlich von Berlin.
    "Schwer, hier einen Job zu finden, und dann habe ich diese Initiative ‚Comeback‘ gegründet, weil es nicht nur mich betroffen hat, sondern das ganz viele Freunde und Bekannte auch gesagt haben, sie wollen auch zurückkommen, und natürlich dass Unternehmen auf der anderen Seite, mit denen ich zusammengearbeitet habe, gesagt haben, sie brauchen auch eine Fachkraft."
    Mittlerweile ist Stephanie Auras verheiratet und hat zwei Kinder.
    "Man hat Oma und Opa in der Nähe, das heißt, wir können auch mal weggehen - und man kann auch in unserer Region weggehen! Man ist wieder zu Hause, viele alte Freunde sind auch zurückgekehrt, wir treffen uns wie früher, wie nach dem Abitur, wo wir alle weggegangen sind, gibt es jetzt doch einen kleinen Rückwanderungstrend."
    Hunderte Beratungsgespräche, Kümmerer-Funktion
    Hunderte Beratungsgespräche hat "Comeback Elbe Elster" geführt, rund 50 Familien die Heimkehr erleichtert. Mittlerweile dient die Agentur in Finsterwalde auch als Geschäftsstelle für das Netzwerk "Ankommen in Brandenburg". Auras hat eine halbe Stelle, eine Kollegin arbeitet ganztags hier, finanziert wird das Projekt von der Staatskanzlei, in deren Räumen das Netzwerk auch regelmäßig tagt. 200.000 Euro im Jahr kann deren Leiter Martin Gorholt für die Rückkehrer-Werbung ausgeben.
    "Insofern ist das eine kleine Unterstützung, aber ich glaube, die ideelle Unterstützung ist da sehr viel größer. Und das wir, auch der Ministerpräsident selber, sagt, ‚die Rückkehrer sind mir höchstwillkommen‘."
    Brandenburg braucht sie, doch was brauchen die Rückkehrer? Von Heimatliebe allein wird man nicht satt. Auch nicht, wenn Grundstückspreise außerhalb des Berliner Speckgürtels noch günstig sind.
    "Erst mal wollen sie natürlich Arbeit haben und Arbeit finden sie hier auch inzwischen, wir haben 75.000 Fachkräfte, die in Brandenburg gesucht werden, eine relativ große Zahl. Was man ihnen ansonsten anbieten muss, ist, was sonst noch an weichen oder harten Standortfaktoren wichtig ist, das heißt, eine gute Schule, eine gute Kita, gute Freizeiteinrichtungen."
    Die zu organisieren, schnell wieder Anschluss zu finden, sich in der neuen alten Heimat nicht allein und verloren zu fühlen, dabei helfen die Rückkehrer-Initiativen wie "Comeback Elbe Elster".
    Und das ist im ersten Moment einfach auch so eine Art Kümmerer-Funktion. Man kommt hier erst mal rein, möchte seine Sorgen und Ängste und Zweifel, vielleicht auch seine Freude loswerden - es sind ganz viel Gefühle dabei."
    Menschen tragen "Sehnsucht nach der Heimat in sich"
    Im sächsischen Kamenz sitzt Oberbürgermeister Roland Danz in seinem Amtszimmer an einem mächtigen Besprechungstisch. Er kann sich gerade über eine große Industrieansiedlung in seiner 15.000 Einwohner-Stadt freuen. Ein großer Automobilkonzern baut eine neue Fabrik in Kamenz und schafft mit dieser Investition mittelfristig 1.500 neue Arbeitsplätze, das ist gut ein Fünftel der bereits bestehenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze am Standort, ein gewaltiger Zuwachs, der bewältigt werden möchte. Kamenz hat sich daher bereits im Jahr 2014 mit anderen Städten in der Wachstumsregion rund um Dresden zusammengetan, um gemeinsam um neue Arbeitskräfte aber auch vor allem um Rückkehrwillige für Sachsen zu werben.
    "Dabei haben wir uns die Fragen gestellt, wie erreichen wir die? Wir reagieren auf Gefühle, auf Emotion. Wir werden doch angesprochen von Dingen, die wir gut finden, und da kommt der Begriff "Heimat" ganz zentral vor. Dann ist es oftmals die Antwort, ja, dort wo ich aufgewachsen bin, wo ich zur Schule gegangen bin, wo ich meine ersten Erlebnisse hatte, das ist meine Heimat. Und Menschen, die weggegangen sind, haben und tragen diese Sehnsucht nach der Heimat in sich."
    Werben um Fachkräfte aus dem Westen
    Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer sowie dem Landkreis Bautzen werben die Städte der Wachstumsregion, Radeberg, Großröhrsdorf, Radeburg, Pulsnitz, Großenhain und Kamenz um die Fachkräfte aus dem Westen der Republik. Konkurrenten seien sie in dieser Frage nicht, betont Oberbürgermeister Danz. Jetzt gebe es die Chance, die Abgewanderten selbst, aber auch ihre Kinder und Enkel zu gewinnen. Diese suchten gute Jobs und gute Bezahlung, günstige Hausbauplätze, Kitas, Schulen und eine ansprechende Infrastruktur.
    "Der Rückkehrer entscheidet selbst, wo er die Zelte aufschlägt, und so gehen wir an die Aufgabe der Fachkräftegewinnung heran."
    Erste Aktionen rund um die regionalen Heimat- und Volksfeste hätten bereits große Resonanz ausgelöst, erzählt Roland Danz. Er habe ein großes Rückkehrbedürfnis bei vielen ehemaligen Kamenzern gespürt, sagt der Oberbürgermeister. Sie will er zurückgewinnen.