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Initiativen von Netzaktivisten
Mit Aluhüten und Aufklärung gegen Verschwörungstheorien

Im Netz waffnen sich Aktivisten gegen Chemtrail- und andere Verschwörungstheorien. Mit Wissens- und Kommentarvideos, Fakten und Ironie wollen sie Unwissenschaftlichem etwas entgegensetzen. In erster Linie richten sie sich damit an die Zweifler von unwissenschaftlichen Aussagen.

Von Brigitte Baetz | 19.10.2017
    Graffiti an einer Hauswand in Villach (Kärnten / Österreich). Es zeigt ein Düsenflugzeug mit Kondensstreifen sowie das Wort Chemtrails, ein Kunstbegriff aus den Wörtern Chemie oder Chemikalien sowie Contrails (englisch für Kondensstreifen) oder Trails (Spuren).
    Initiativen im Netz wollen Verschwörungstheoretikern wie Chemtrail-Aktivisten wissenschaftliche Erkenntnisse entgegensetzen (imago stock & people)
    Es sind Menschen wie Giulia Silberberger, für die Wörter wie quirlig und patent erfunden wurden. Die Mittdreißigerin sammelt Verschwörungstheorien und unwissenschaftliche Aussagen auf Facebook und verleiht mit anderen Aktivisten jedes Jahr den "Goldenen Aluhut". Fünf Kategorien gibt es: Verschwörungstheorien allgemein, Politik, Medien & Blogs, Medizin und Esoterik - und eine Voraussetzung: Die Preisträger müssen Menschen sein, die schon bekannt sind und im weitesten Sinne Personen des öffentlichen Lebens sind.
    "Wir finden, dass einfache Privatpersonen, die irgendwo 'nen Mist erzählt haben, das sind keine Kandidaten für einen Preis, das sind - Entschuldigung - verwirrte Menschen. Streckenweise und sehr oft steckt da auch 'ne schwerwiegende Erkrankung dahinter, eine psychische Erkrankung. Und die wollen wir natürlich nicht vorführen und dafür interessiert sich auch keiner, es ist wirklich interessanter, von Personen zu erzählen, die in der Öffentlichkeit stehen."
    Keine Diskussion mit "Hardcoreverschwörungstheoretikern"
    Im letzten Jahr erhielt beispielsweise das rechtspopulistische "Compact Magazin" von Jürgen Elsässer, das die Souveränität der Bundesrepublik bestreitet, einen Preis in der Kategorie Medien. Der "Goldene Aluhut" wird nicht öffentlich gefördert und finanziert sich aus Spenden, den Einnahmen aus Vorträgen und dem Verkauf von Broschüren oder Aufklebern wie "Chemtrails welcome". Weil sie ihre Kindheit in einer Sekte verbringen musste, weiß sie, was es heißt, indoktriniert zu werden - eine Erfahrung, aus der heraus sich auch die Energie erklärt, mit der sie sich ihrer Sache widmet.
    "Mit den richtigen 'Hardcore-Verschwörungstheoretikern' können wir auch nicht diskutieren. Denn in dem Moment, in dem eine Person diese ganzen Sachen als ideologische Heimat angenommen hat, verteidigt sie das auch entsprechend. Und als Sektenaussteiger weiß ich, wie hart und langwierig dieser Prozess ist, sich davon zu lösen und deswegen erwarte ich auch nicht, irgendjemanden zu retten."
    Ich wende mich an diejenigen, die noch gar nicht drinstecken, die jetzt noch gar nicht wissen, worum es geht. Und natürlich auch diejenigen, die sich damit beschäftigen und sich darüber amüsieren, die noch gar nicht wissen, was sind denn Chemtrails, was sind denn Reichsbürger, wann sind Impfungen jetzt doch nicht so schlecht, wie die Leute immer sagen, und so weiter," so Guilia Silberberger.
    "Besorgte Bürgerin" bietet Diskussionshilfe
    Auch Franzi von Kempis wendet sich in erster Linie nicht an die Überzeugten, sondern an die Zweifler. Die Online-Journalistin verbringt einen Teil ihrer Freizeit unter dem Namen "Besorgte Bürgerin" auf YouTube, Twitter, Facebook und Snapchat, um mit Wissens-und Kommentarvideos, Fakten und Ironie Verschwörungstheoretikern und Hasspostern etwas entgegenzusetzen:
    "Ich kriege viel Feedback von Menschen, die sagen: 'Ich kenn jemanden, der.... Und vielen Dank für das Video.' Ich habe zumindest Ansätze für eine Diskussion. Ich weiß, wo ich selber mich orientieren kann, mir war das vorher gar nicht so klar. Auch: 'Cool, Du hast ja auch noch Quellen mitgeschickt, die find' ich gut' oder 'find ich scheiße', aber ich habe zumindest einen Ansatz, wo ich weiß, ja: Das könnte ich sagen, wenn ich mich in die Diskussion begebe."
    Frauen- und Gleichberechtigungsthemen lösen Reaktionen aus
    Natürlich erlebt aber auch Franzi von Kempis viel Hass, wenn sie sich im Netz in eben diese Diskussion begibt.
    "Es gibt kein Video, das ich online stelle, das nicht einen kleinen Shitstorm auslöst. Das hat entweder was mit dem Thema zu tun oder mit der Tatsache, das da eine blonde Frau mit drin ist. Das trifft 'nen Nerv, wenn man Themen anspricht, die andere Leute entweder ärgern oder die andere Leute sich schon denken, sich aber nicht auszusprechen trauen."
    Besonders heftig sind die Reaktionen allerdings, wenn es sich in irgendeiner Form um das Thema Frauen und Gleichberechtigung geht. Ein Phänomen, das das Internet von seinen Anfängen an begleitet: der öffentlich geäußerte Hass gegen Feministinnen. Vor kurzer Zeit wurde der YouTube-Kanal der "Besorgten Bürgerin" von AfD-Fangruppen gekapert. Die Zahl der Abonnenten erhöhte sich schlagartig und im selben Maße wuchs die Zahl der Kommentatoren, die versuchen, wie Franzi von Kempis es ausdrückt, sie "niederzuhaten".
    Ihre Reaktion: Sie wird weitermachen - aber sich eine andere Social-Media-Strategie ausdenken, um die Hasskommentatoren wieder abzuschütteln.