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Inklusion in NRW
"Wirklich schwierige Schüler bleiben auf der Strecke"

2018 soll in der NRW-Bildungspolitik laut Landesregierung viel passieren. Ein besonderer Fokus: die Inklusion. Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern soll auf Schwerpunktschulen konzentriert werden. Praktikern zufolge kann das aber nur eine kurzfristige Lösung sein.

Von Lena Sterz | 24.01.2018
    Ein Rollstuhl steht am 09.10.2014 in Stuttgart (Baden-Württemberg) im Klassenzimmer einer Gemeinschaftsschule.
    Potenziale besser nutzen: Die NRW-Landesregierung will Korrekturen im Inklusionsunterricht vornehmen. (dpa / Inga Kjer)
    "Notwendige Korrekturen" will die schwarz-gelbe Landesregierung einleiten, so formuliert es der stellvertretende Regierungschef Joachim Stamp von der FDP. Multiprofessionelle Teams und Schwerpunktschulen sind seine beiden wichtigsten Stichwörter. Damit soll erreicht werden, "dass wir das Potenzial, was wir haben an hochqualifizierten Sonderpädagogen an Förderschulen nicht verheizen, sondern dass wir die Kräfte sinnvoll bündeln. Und dazu bereitet das Schulministerium vor, das ist jetzt nur ein Arbeitstitel, wir haben es im Koalitionsvertrag so genannt, Schwerpunktschulen zu schaffen."
    Die Inklusion soll also stärker auf einige allgemeinbildende Schulen konzentriert werden, die dann einen sonderpädagogischen Schwerpunkt haben. Aber wie sieht das ein Praktiker, der an einer Schule arbeitet, die von der Landesregierung vielleicht bald zur Schwerpunktschule gemacht wird?
    Von Schwerpunktschulen aus in die Breite gehen
    "Schwerpunktschulen können eine kurzfristige Lösung sein. Aber im Grunde gibt es schon seit zehn, 15 Jahren Schwerpunktschulen. Das ist im Grunde schon lange aus diesen Modellversuchen heraus entstanden und jetzt wäre es notwendig, eigentlich den nächsten Schritt zu gehen, eigentlich in die Breite zu kommen", sagt Norbert Jansen, Förderschullehrer aus Köln. Jansen arbeitet seit mehr als 20 Jahren an verschiedenen inklusiven Gesamtschulen. Und es gibt eine Sache, die ihm momentan besonders Sorgen macht:
    "Dass die wirklich schwierigen Schüler im Moment auf der Strecke bleiben. Und das ist eigentlich schade, weil die Ansätze da eigentlich gut waren. Weil ich schon viele Schüler erlebt habe, die eine gute Karriere begonnen haben an Gesamtschulen und Grundschulen, weil sie eben gut betreut werden konnten. Und im Moment sehe ich eher die Tendenz, dass die aus dem System rausfallen und dann auf die Förderschule abgeschoben werden, obwohl sie es nicht müssten."
    Förderschulen in Rheinland-Pfalz gewinnen an Zulauf
    Und das würde sich wohl auch mit mehr Schwerpunktschulen nicht unbedingt ändern. In Rheinland-Pfalz gibt es dieses Konzept schon seit vielen Jahren. Eine rheinland-pfälzische Sonderschullehrerin hat beobachtet, dass Förderschulen hier in den vergangenen Jahren wieder mehr Zulauf hatten - womöglich gerade wegen der Schwerpunktschulen.
    "In dem Bereich fällt auf, dass viele Schüler, die im Grundschulalter eine Schwerpunktschule besucht haben, dann zur Förderschule wechseln."
    Vielleicht wird das Konzept der Schwerpunktschulen in NRW ein bisschen anders aussehen als in Rheinland-Pfalz, aber: Mehr Unterstützung für Kinder mit Förderbedarf durch kleinere Klassen ist an den geplanten Schwerpunktschulen in NRW nach Informationen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft bisher nicht in Sicht. Der Plan der nordrhein-westfälischen Landesregierung sieht aber vor, dass mehr Teamteaching durch doppelte Besetzung in Klassen möglich sein soll. Mehr Stellen sind unwahrscheinlich - der Markt für Sonderschullehrer ist praktisch leergefegt. FDP-Mann Joachim Stamp hat daher einen anderen Plan:
    Potenzial der Erzieherinnen und Erziehern heben
    "Wir werden viel stärker das Potenzial der Erzieherinnen und Erziehern heben müssen, also den Sozialpädagogen, die nur halbtags beschäftigt sind. Da ist ein erhebliches Potenzial da, über die Stundenaufstockung Personal zu gewinnen."
    Teamteaching zusammen mit Sozialpädagogen, Arbeiten in multiprofessionellen Teams. Diesen Plan findet Sonderpädagoge Norbert Jansen aus NRW lobenswert: "Grundsätzlich eine gute Idee. Unterstützt werden sollten die Schulen aber auch in ihrer Entwicklung, das als Konzept wirklich aufzubauen. Und das muss natürlich weiter durch Fortbildungen stattfinden. Da ist zwar schon ein Programm auf dem Weg, das auch genutzt wird. Aber bei diesen vielen Schulen sind auch diese vielen Fortbildner nötig, die sind bisher nicht für alle Schulen greifbar."