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Inklusion
Uneingeschränkt promovieren

Eine Doktorarbeit ist ein hartes Stück Arbeit. Besonders aber für körperlich eingeschränkte Doktoranden, die ihren Alltag nicht selbstständig bewältigen können. Das Projekt PROMI unterstützt behinderte Akademiker bei der Doktorarbeit. Durch die Vermittlung in feste Promotionsstellen haben sie die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren und zu vernetzen.

Von Judith Dauwalter | 14.04.2014
    Der körperlich stark behinderte Christoph Wendel sitzt in einem Rollstuhl vor einem Computer, während sein Assistent Alex ihm eine Flasche mit Strohhalm zum Trinken an den Mund hält.
    Trotz körperlicher Einschränkung kann sich Doktorand Christoph Wendel voll auf seine geistigen Fähigkeiten konzentrieren - dank Hilfeleistungen wie durch Assistent Alex. (Judith Dauwalter)
    Christoph Wendel ist ein Promi in Würzburg. Allerdings keiner mit Starallüren. Im Gegenteil: Promi, das steht hier für Promotion Inklusive. Ein bundesweites Universitäts-Projekt, das schwerbehinderten Akademikern hilft, eine Doktorarbeit zu verwirklichen. Christoph Wendel hat spinale Muskelatrophie, bekannt als Muskelschwund, er sitzt im Rollstuhl und ist seit Anfang März Doktorand in der Würzburger Astrophysik.
    "Beim Promovieren ist ja die Hauptarbeit eine geistige Arbeit. Deswegen ist es eine optimale Aufgabe für mich, weil ich ja geistig fit bin, nur körperlich eben sehr eingeschränkt. Mittlerweile kann ich mich fast gar nicht mehr so richtig selber bewegen. Die körperliche Arbeit wird mir weitestgehend erleichtert, eben durch das PROMI-Projekt."
    Die Jacke anziehen, Unterlagen einpacken und an die Uni kommen: Bei den alltäglichen Anforderungen im Leben eines Doktoranden braucht Christoph Wendel Unterstützung. Heute hilft Assistent Alex dem 27-jährigen Astrophysiker.
    Unterstützung vom Arbeitsministerium und der Bundesagentur der Arbeit
    Arbeitsassistenz - eine der Erleichterungen, die das PROMI-Projekt seinen Teilnehmern ermöglichen kann. In 20 festen Wochenstunden sind die beeinträchtigten Akademiker angestellt. 70 Prozent der finanziellen Mittel stellen hierfür die PROMI-Partner zur Verfügung - darunter die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium. Für den Rest müssen die Universitäten aufkommen - so etwa der Lehrstuhl für Astronomie an der Universität Würzburg. Dort bespricht Christoph Wendel die Ergebnisse der letzten Wochen mit seinem Chef, Professor Karl Mannheim.
    "Ich bin deswegen außerordentlich glücklich, dass ich so einen kompetenten Doktoranden jetzt gewonnen habe, der mit einer kaum vorstellbaren Gabe ausgezeichnet ist, diese komplexen Zusammenhänge und ihre Vernetzung in seinem Innerem abzubilden und dann auch Lösungswege zu finden."
    15 Universitäten sind beteiligt
    Von seinem Doktoranden ist Professor Mannheim schon nach einem Monat Zusammenarbeit begeistert. In Würzburg ist Wendel der zweite PROMI seitdem das Programm im Herbst letzten Jahres gestartet ist. Insgesamt 45 Promotionsstellen sollen bis 2015 bundesweit geschaffen werden, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Doktoranden zu erhöhen. In ganz Deutschland sind 15 Universitäten beteiligt, die Leitung des Projekts liegt bei der Universität Köln. Vor Ort in Würzburg kümmert sich Sandra Ohlenforst um die PROMIs.
    "Wir hoffen, dass grade durch so positive Beispiele wie Christoph Wendel, dass es einfach einen offeneren Umgang gibt mit Schwerbehinderten. Ich glaube, dass es häufig auch Vorurteile gibt, jemand Schwerbehinderten einzustellen, weil sie vielleicht auch fürchten, dass sie nicht so leistungsfähig sind."
    Für Christoph Wendel ist PROMI eine echte Chance, denn auf dem ersten Arbeitsmarkt hätte es für ihn tatsächlich derzeit keine Alternative gegeben. Er freut sich auf die nächsten drei Jahre Experimentieren und kann sich gut vorstellen, auch danach in der Forschung zu bleiben. Um den Teilchen im Weltraum ein paar weitere Geheimnisse zu entlocken.