Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Innere Sicherheit    
Was sich seit dem Breitscheidplatz geändert hat

Anis Amri, der Attentäter von Berlin, war den Behörden nicht nur bekannt, er galt auch als Gefährder. Dennoch kam es zum Anschlag. Um solche Fälle in Zukunft zu verhindern, wurden seitdem einige Sicherheitsmaßnahmen durchgesetzt - besonders im Bereich der Gefährderbewertung.

Von Michael Götschenberg | 19.12.2017
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière spricht auf einer Bühne. Vor ihm ein Pult mit der Aufschrift #DLT17 (Deutschlandtag 2017).
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): Mit dem neuen System sollen Gefährder besser in ihrer Gefährlichkeit bewertet werden können (dpa/Monika Skolimowska)
    Dass Fehler gemacht worden sind im Fall Anis Amri - das ist unbestritten. Der Fall zeigt, wie nahe Erfolg und Scheitern im Kampf gegen den Terror beieinander liegen können. Die Behörden hatten Amri auf dem Schirm, sie wussten von seiner Absicht, einen Anschlag verüben zu wollen, und schätzten ihn am Ende doch falsch ein.
    In der Aufarbeitung des Falls hat man sich genau mit dieser Frage beschäftigt: Wie können Gefährder besser bewertet werden? Diese Frage hat man sich im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum, kurz GTAZ, gestellt - hier in Berlin Treptow sitzen die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern an einem Tisch, um Gefährder und den Umgang mit ihnen gemeinsam zu bewerten.
    "Im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum ist mit dem 1. Juli eingeführt worden ein neues System zur Gefährderbewertung, Radar ITE. Das führt zur einer systematisierteren, nach Kriterien bearbeitenden Chance, Gefährder besser in ihrer Gefährlichkeit bewerten zu können.
    So Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei einem Besuch im GTAZ vor einigen Wochen. Und so funktioniert Radar ITE: Personen, die von den Polizeibehörden als Gefährder eingestuft werden, werden anhand eines umfangreichen Kriterien Katalogs bewertet.
    Amri wäre wohl rot eingestuft worden
    Dabei werden Informationen über ihre persönliche Lebenssituation und ihren Werdegang in die Bewertung einbezogen. Auf dieser Grundlage werden sie nach einem Ampelsystem kategorisiert: rot für hoch gefährlich, orange für auffällig und gelb für moderat. Anis Amri wäre auf Grundlage dieses Systems durchgehend in der Kategorie Rot eingestuft gewesen, heißt es in Sicherheitskreisen.
    Das Problem: Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz wurden zunächst einmal deutlich mehr Personen als Gefährder eingestuft - nicht zuletzt deshalb, weil die Polizeibehörden auf Nummer sicher gehen wollten.
    Alles unter Kontrolle? Wohl kaum
    Allerdings: bei mittlerweile über 700 Gefährdern läuft man Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Zwar befindet sich nur etwa die Hälfte der Gefährder in Deutschland, die andere Hälfte ist im Ausland, überwiegend in Syrien und im Irak - aber dennoch. Doch Anis Amri wurde nicht nur falsch bewertet - er wurde auch nicht abgeschoben. Auch hier hat sich eine Menge getan.
    "Wir haben im Bereich der ausländerrechtlichen Maßnahmen die Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder verlängert auf bis zu zwölf Monate", betont der Bundesinnenminister.
    Wer abgeschoben werden kann, wird konsequenter als in der Vergangenheit abgeschoben - in diesem Jahr ist das bei 50 radikalen Islamisten gelungen, darunter auch einige Gefährder.
    Also alles unter Kontrolle? Wohl kaum. Bei der hohen Zahl von Gefährdern im Land ist es unmöglich, sie in dem Umfang zu überwachen wie es nötig wäre. Zumal Anschläge etwa mit einem Fahrzeug so gut wie keiner Vorbereitung bedürfen und letztlich jederzeit verübt werden können.