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Innere Sicherheit
"Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt"

In der Diskussion um eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze hat sich der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach im Deutschlandfunk für einen Zugriff der Geheimdienste auf die Asylbewerber-Datenbank ausgesprochen. Die Sicherheitsbehörden müssten alle Daten bekommen können, die sie zur Gefahrenabwehr benötigten.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Jasper Barenberg | 11.10.2016
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. (pa/dpa/Wolf)
    Die drei Syrer, die den Terrorverdächtigen aus Chemnitz in Leipzig festgesetzt haben, hätten Zivilcourage im besten Sinne des Wortes gezeigt, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach im Deutschlandfunk. Über ein Aufenthaltsrecht, das ihnen als Dank gewährt werden könne, sollten zuerst die Behörden entscheiden. Außerdem müsse man aufpassen, dass man keinen Präzedenzfall schaffe, sagte Bosbach.
    Zu den Forderungen aus der Union, nur Personen mit geklärter Identität nach Deutschland einreisen zu lassen, sagte Bosbach, dass der Staat genau wissen müsse, wer ins Land kommt. In den vergangenen Monaten hätten viele Flüchtlinge keine ausreichenden Papiere vorweisen können. Genau zu wissen, wer einreise, habe nichts mit einem Generalverdacht gegen alle Flüchtlinge zu tun.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist Wolfgang Bosbach, der CDU-Innenpolitiker. Schönen guten Tag, Herr Bosbach.
    Wolfgang Bosbach: Ich grüße Sie, Herr Barenberg.
    Barenberg: Es gibt viel Lob jetzt nicht nur in Leipzig, sondern quer durch die Republik für die drei Syrer, die ihren Landsmann gefesselt haben und der Polizei übergeben haben. Schließen Sie sich an?
    Bosbach: Ja selbstverständlich, uneingeschränkt. Dazu gehört sehr, sehr viel Mut, das war Zivilcourage im besten Sinne des Wortes.
    "Aufpassen, dass man keinen Präzedenzfall schafft"
    Bosbach: Nun schlägt der Linkspolitiker Hahn vor, dass man das zum Anlass nehmen sollte, diesen drei Asylsuchenden gleich ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, weil sie sich so vorbildlich verhalten hätten.
    Bosbach: Darüber sollen mal die zuständigen Behörden entscheiden, denn die Gewährung eines - darum geht es ja - dauerhaften Aufenthaltsrechts setzt natürlich voraus, dass es auch einen Rechtsgrund gibt, und es gibt wahrscheinlich viele in Deutschland, für die es keinen Rechtsgrund gibt, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu bekommen, beispielsweise weil sie nicht geflohen sind vor Krieg, vor Bürgerkrieg, vor politischer Verfolgung, sondern aus anderen Gründen, die sich dennoch tadelsfrei, vielleicht sogar vorbildlich verhalten, und deswegen muss man aufpassen, dass man keinen Präzedenzfall schafft, auf den sich dann viele andere auch berufen können. Aber da es sich ja um Syrer gehandelt hat und wenn sie aus Syrien kommen, dann kommen sie aus einem Gebiet, je nach Betrachtungsweise einem Kriegsgebiet, oder sie sind vor Bürgerkrieg geflohen, und da ist es gut möglich, dass sie aus diesen Gründen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen.
    Viele Asylbewerber hätten keine aussagekräftigen Papiere gehabt
    Barenberg: Insofern, Herr Bosbach, wären Sie, wenn ich zugrunde lege, was aus der Union jetzt an Forderungen kommt, eher dafür, dass diese drei Syrer noch mal gründlich vom Geheimdienst überprüft werden?
    Bosbach: Ich bin vor allen Dingen dafür, dass wir nur Personen einreisen lassen mit geklärter Identität und geklärter Nationalität. Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt. In den letzten Monaten hat die große Mehrzahl derjenigen, die als Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge gekommen sind, keine aussagekräftigen Papiere gehabt, weder Pass noch Personalausweis. Das ist ein legitimes Interesse eines jeden Landes. Jedes Land will wissen, wer kommt in unser Land, um hier auf Dauer leben zu können, leben zu wollen. Das hat überhaupt nichts mit Generalverdacht zu tun. - Dann haben wir noch eine zweite Fallgestaltung.
    Barenberg: Lassen Sie uns vielleicht bei dem Punkt, Herr Bosbach, bleiben.
    Bosbach: Ja klar.
    Barenberg: Sie sprechen sich dafür aus, dass man weiß, wer da ins Land kommt.
    Bosbach: Ja.
    Barenberg: Man muss die Identität feststellen, die Nationalität.
    Bosbach: Ja.
    Barenberg: Das kann ja jeder nachvollziehen und dafür gibt es ja ein ordentliches Registrierungsverfahren, wo sich, das vermute ich, das unterstelle ich, alle beteiligten Behörden im Moment darum bemühen, dass das anders als 2015 in diesem Jahr und in Zukunft ordentlich abläuft.
    Bosbach: Moment! Moment! Moment!
    Barenberg: Lassen Sie mich eine Frage noch loswerden.
    Bosbach: Ich will erst mal eine Antwort geben.
    Barenberg: Bitte.
    Die Abnahme von Fingerabdrücken alleine reiche nicht
    Bosbach: Wenn jemand keine Papiere bei sich hat, sind wir auf die Angaben angewiesen. Und wenn die Fingerabdrücke obligatorisch abgenommen werden, dann kann man die Fingerabdrücke vergleichen mit anderen, die bereits von dieser Person abgenommen worden sind. Aber durch die Abnahme von Fingerabdrücken alleine können Sie nie die wahre Identität oder Nationalität feststellen.
    Barenberg: Was wäre zu tun? Wir reden ja oder wir wollen gleich reden, sind noch gar nicht richtig dazu gekommen, über den Vorschlag beispielsweise Ihres Fraktionskollegen Hans-Peter Uhl, der sagt, die Geheimdienste müssen systematisch Zugriff auf alle relevanten Datenbanken haben, und das ist ja noch mal etwas anderes, würde ich jetzt unterstellen, als ein ordentliches Registrierungsverfahren, von dem Sie reden.
    Bosbach: Ist so! - Jawohl!
    Barenberg: Wo ist dann der Unterschied? Der Geheimdienst soll jedenfalls bei dieser Registrierung nicht beteiligt werden, ist Ihr Standpunkt?
    Bosbach: Mein Standpunkt ist, dass die Sicherheitsbehörden unseres Landes - das gilt für die Polizei des Bundes und der Länder, für das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Landesämter, aber auch für den Bundesnachrichtendienst -, dass sie die Informationen bekommen müssen, die sie brauchen, um Gefahren für unser Land rechtzeitig erkennen und abwehren zu können. Auch das hat mit Generalverdacht überhaupt nichts zu tun.
    "Bereits erhobene Daten abgleichen zum Zwecke der Gefahrenabwehr"
    Barenberg: Dann frage ich konkret: Sind Sie für den Vorschlag, dass die Geheimdienste Zugriff auf die Daten bekommen und jeden Asylsuchenden, jeden Flüchtling in Deutschland geheimdienstlich überprüfen?
    Bosbach: Das wird schon deswegen kaum möglich sein, weil im vergangenen Jahr 800.000 Menschen nach Deutschland gekommen sind. Auch in diesem Jahr werden wieder 200, 300.000 nach Deutschland kommen. Ich weiß auch im Moment nicht, was Sie unter Überprüfung verstehen. Die Auswertung von bereits erhobenen Informationen, der Datenabgleich ist etwas anderes als die Erhebung von neuen Daten. Ich spreche von Datenabgleich. Das heißt, dass die Behörden, denen wir unsere Sicherheit anvertrauen, Daten, die ohnehin erhoben werden, abgleichen können müssen zum Zwecke der Gefahrenabwehr.
    Barenberg: Meine Frage wäre dann, ob das ein Unterschied ist zur bisherigen Praxis, denn so wie ich die Vorschläge verstehe, ist es im Moment eben nicht so, dass der Verfassungsschutz, dass der BND, dass die Geheimdienste Zugriff auf Daten haben, routinemäßig Zugriff auf Daten haben von Flüchtlingen, die hier als Flüchtlinge und Asylsuchende registriert worden sind. Sollte das geändert werden?
    Bosbach: Das ist die alles entscheidende Frage, die auch mich selber interessieren würde: Gibt es rechtliche Hinderungsgründe? Gibt es zum Beispiel Gründe im Bereich des Datenschutzes, die unsere Sicherheitsbehörden daran hindern, die Informationen zu generieren oder auszuwerten, die sie zum Zwecke der Gefahrenabwehr brauchen? - Ich sage noch einmal: Die Polizei, die Sicherheitsbehörden müssen die Informationen bekommen dürfen, die sie brauchen, um Gefahren abzuwehren.
    Barenberg: Nehmen wir mal an, es gibt jetzt eine Liste mit Terrorverdächtigen. Der Vorschlag läuft doch darauf hinaus, dass man diese Liste abgleicht mit den Identitätsdaten von Flüchtlingen, die zu uns kommen. Das ist, soweit ich es verstanden habe, der springende Punkt.
    Bosbach: Ja.
    Barenberg: Wie stehen Sie dazu?
    Bosbach: Ja das habe ich gerade gesagt!
    Barenberg: Dieser Abgleich sollte möglich sein?
    "Wir reden doch gar nicht von Hinterherschnüffelei"
    Bosbach: Genau. Unsere Behörden, denen wir die Sicherheit anvertrauen, brauchen die Daten, die unsere Behörden ohnehin haben, wenn nur durch den Datenabgleich die Gefahr gebannt werden kann, damit man den Informationsstand hat, den man braucht zum Zwecke der Gefahrenabwehr.
    Barenberg: Nun würde sich ja jeder Bürger dagegen verwahren, dass der Geheimdienst jemanden überprüft, ohne dass ein Verdacht, ein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass Gefahr von dieser Person ausgehen würde. Stimmt nicht insofern der Vorwurf, dass es ein pauschaler Verdacht ist, unter den man die Flüchtlinge und Asylsuchenden stellt?
    Bosbach: Wissen Sie, wir müssen jetzt mal abklären, was Sie unter Überprüfung verstehen. Überprüfung durch den Geheimdienst, das hören ja manche wie Hinterherschnüffelei, Observation, Telefonüberwachung. Davon reden wir doch gar nicht. Wir reden von dem Abgleich vorhandener Informationen, erhobener Daten, zum Zwecke der Gefahrenabwehr, und da haben wir eine Aufgabenteilung zwischen der Auslandsaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst und der inländischen Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
    Und wenn wir dann beispielsweise eine Information aus dem Ausland bekommen, generiert durch den Bundesnachrichtendienst, dann muss doch die Möglichkeit bestehen, ob die Informationen, die sich auf Gefährder beziehen, die sich möglicherweise in Deutschland aufhalten, ob diese Informationen werthaltig sind oder nicht, ob wir sie brauchen können zur Gefahrenabwehr oder nicht.
    Die Frage klären: "Ab wann besteht ein Verdacht"
    Barenberg: Um noch bei diesem Punkt zu bleiben. Eva Högl von der SPD sagt, Ihre Kollegin im Bundestag von der SPD sagt, die Geheimdienste können schon heute, so es einen Verdacht gibt, Zugriff nehmen auf diese Daten und einen Abgleich vornehmen. Warum reicht Ihnen das nicht aus?
    Bosbach: Dann ist die Frage, ab wann besteht ein Verdacht. Würde dieser Verdacht schon bestehen, wenn jemand einen gefälschten oder verfälschten Pass vorlegt? Ist das schon ein Verdacht, den die Kollegin Högl meint, oder wenn jemand ohne Papiere einreist und wir sind angewiesen auf die Angaben, die der Flüchtling selber gemacht hat? - Die für mich entscheidende Frage ist, ich habe das gerade schon in einem anderen Zusammenhang angedeutet: Gibt es Informationen, die unsere Sicherheitsbehörden dringend brauchen zur Gefahrenabwehr, die sie bis jetzt aus rechtlichen Gründen nicht bekommen können. Das ist eine wichtige Frage. Ich bin übrigens sicher, dass die auch den Innenausschuss beschäftigen wird.
    Barenberg: Bin ich mir auch sicher. Damit hätten wir aber nur einen Teil der Personen im Blick.
    Bosbach: Ja!
    Barenberg: Es gibt einen großen anderen Bereich, der virulent ist, und das sind Personen, deutsche Staatsangehörige, die hier geboren und aufgewachsen sind und sich erst hier radikalisieren. Da kommen Sie mit diesem Vorschlag aber nicht weiter, oder?
    Bosbach: Nein, haben Sie völlig recht. Ich habe auch nie behauptet, dass wir mit der Realisierung dessen, was viele als notwendig erachten, alle Probleme gelöst haben. Da haben Sie recht.
    Was bringt junge Menschen dazu, sich zu radikalisieren?
    Barenberg: Und da ging es dann tatsächlich um mehr Prävention, wie es jetzt der Städte- und Gemeindebund vorschlägt, um Präventionszentren, um Experten zu haben, die geschult sind zu erkennen, wann ein solcher Verdacht möglicherweise im Umgang mit diesen Menschen auftauchen könnte?
    Bosbach: Erstens das, völlig richtig. Zweitens: Das ist auch eine gesellschaftspolitisch wichtige Frage und Debatte. Was hat eigentlich viele hundert junge Menschen aus Deutschland, teilweise hier geboren, teilweise zugewandert, dazu gebracht, aus Deutschland auszuwandern, ihr Leben in Frieden und Freiheit wegzuwerfen, um sich den barbarischen Terrorbanden des Islamischen Staates anzuschließen? Das ist doch eine wichtige Frage. Was bringt junge Menschen dazu, auf welche Weise werden sie radikalisiert?
    Ich nenne mal ein kleines Beispiel. In Nordrhein-Westfalen bemüht man sich jetzt darum, die Koran-Verteilungsaktion "Lies!" generell verbieten zu lassen, was übrigens rechtlich gar nicht so einfach ist, weil man weiß, dass auch diese Aktion dazu benutzt wurde, für den Dschihad junge Menschen anzuwerben.
    Bosbach: Der CDU-Innenpolitiker heute hier live im Deutschlandfunk. Herr Bosbach, vielen Dank für das Gespräch.
    Bosbach: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.