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Innsbrucker Festwochen 2016
Buffo-Oper im Hühnerstall

Nach einigen Turbulenzen präsentieren sich die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik zum 40. Jubiläum in diesem Jahr mit neuer Leitung und zum Auftakt einer der beliebtesten Opernkomödien des 18. Jahrhunderts: Domenico Cimarosas "Il Matrimonio Segreto". Regisseur Renaud Doucet inszeniert das Werk als turbulentes Spektakel.

Von Dieter David Scholz | 16.08.2016
    Blick in eine Altstadtgasse Innsbrucks mit den Alpen im Hintergrund und dem "Goldenen Dachl" davor. Das Goldene Dachl ist ein Gebäude mit spätgotischem Prunkerker in der Innsbrucker Altstadt und gilt als Wahrzeichen der Stadt
    Prachtvoller Ort für Alte Musik: Innsbruck. (picture alliance/Markus C. Hurek)
    Musik: Cimarosa, Il matrimonio segreto
    Die Erfolgsgeschichte von Domenico Cimarosas "Il matrimonio segreto" reicht zurück bis zur Uraufführung vor Kaiser Leopold II. 1792 in Wien. Der Kaiser war so begeistert von dem Werk, dass er ein "Da capo" befahl. Das Werk musste in ganzer Länge noch einmal wiederholt werden. Ein in der Operngeschichte einmaliger Fall. Bis heute ist Domenico Cimarosas Opera Buffa eines der beliebtesten Werke des 18. Jahrhunderts. Alessandro De Marchi hat das Stück aus mehreren Gründen in den Mittelpunkt seines Festivals gestellt: Mit ihm begann er als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung an der Berliner Staatsoper seine Dirigentenkarriere, er wollte einmal seine beiden Lieblingsbuffobässe Renato Girolami und Donato di Stefano gemeinsam in einem Stück erleben, und:
    "Der dritte große Grund ist, dass Il Matriomonio Segreto ist wahrscheinlich die schönste Opera Buffa überhaupt im 18. Jahrhundert. Und deswegen eine der wenigen Opern dieser Zeit, die immer im Repertoire geblieben ist. Aber gerade deswegen auch eine Reihe von Verkrustungen von der Tradition hatte und wurde immer wieder richtig vergewaltigt von Strichen und alle die Stellen, die zu schwierig zu singen sind, wurden immer weg gemacht und alle Wiederholungen weg gemacht, die eigentlich so wichtig sind, in diesem Stil um die Verzierungskunst auszuüben."
    Buffoneskes Meisterwerk
    Mit seinem Originalklangensemble, der Accademia Montis Regalis sowie einem handverlesenen Solistenensemble hat Alessandro De Marchi mit überschäumender Quirligkeit und aufführungspraktischer Akkuratesse das buffoneske Meisterwerk so komplett und so differenziert, wie man es noch nie hörte, auf die Bühne des Innsbrucker Landestheaters gebracht. Das auf barocke Oper spezialisierte Inszenierungsteam Renaud Doucet und André Barbe bezieht sich in seiner launigen Produktion auf ein Zitat aus dem Libretto: "Macht kein solches Gegacker! Ihr führt euch auf wie im Hühnerstall". Das sagt die Schwester des alten Kaufmanns Geronimo, der die ältere seiner beiden zänkischen Töchter mit einem Grafen verheiraten will. Als große Gaudi schnurrt die witzige Buffa in einem Hühnerstall ab, der aussieht wie ein vergrößertes, schwarzweisses Papier-Ausschnittstheater des 18. Jahrhunderts. Die sechs Sänger agieren in karikaturistisch überzeichneten, grellbunten Kostümen mit Geflügelanspielungen und überbieten sich an komödiantischem Klamauk und sängerischer Virtuosität.
    Musik: Cimarosa, Il matrimonio segreto
    Die Bühne des Innsbrucker Landestheaters ist die Hauptspielstätte der Festwochen der Alten Musik. Nach ihrer schweren Krise, in der Viele gar um die Zukunft des renommierten Festivals bangten, ist es nun mit dem Landestheater fusioniert worden. Geschäftsführer Markus Lutz:
    "Die neue Struktur sieht so aus, dass wir eine Tochtergesellschaft geschaffen haben, also dass das Landestheater die Anteile von Stadt und Land bekommen hat, hundertprozentiger Gesellschafter ist, den Festwochen aber es eine eigene künstlerische Leitung gibt und eine eigene budgetäre Verantwortung mit einer Betriebsdirektorin."
    Erfolgreiches neues Festivalkonzept
    Die neue Betriebsdirektorin Eva-Maria Sens ist mit der neuen Struktur des Festivals mehr als zufrieden:
    "Man muss sagen, dass es besser nicht laufen kann, die Festwochen haben ein breites Standing in der Politik und auch in der Öffentlichkeit und wir haben die besten Möglichkeiten, um mindestens nochmal 40 Jahre dran zu hängen, wenn nicht sogar mehr. Wir sind im Moment bester Dinge, dass es genau das ist, dass es funktioniert und dass es das Beste ist, das uns passieren konnte. Wir haben den Anspruch, höchste Qualität zu liefern und dennoch uns auch einem Publikum zu öffnen, das vielleicht nicht auf den ersten Gedanken sich mit Alter Musik beschäftigen möchte."
    Auch der künstlerische Leiter Alessandro de Marchi sieht der Zukunft des Festivals optimistisch entgegen, er hat seinen Vertrag bis 2021 verlängert.
    "Ich sehe allgemein eine große Zufriedenheit, und eine tolle Arbeitsatmosphäre. Und auch ökonomisch und künstlerisch wir sind wirklich abgesichert. Und mein Büro, also mein Festwochenbüro fühlt gar keinen Einfluss von Staatstheater. Wir sind total unabhängig."
    Im vergangenen Jahr hatte das Festival eine Auslastung von 99 Prozent. Im laufenden Festivalbetrieb liegen die Zahlen des Vorverkaufs sogar über denen des vergangenen Jahres, zumal das Jubiläumsprogramm mit vielen hochkarätigen Ensembles und Künstlern aufwartet. Um nur Einige zu nennen: René Jacobs kehrt mit einer konzertanten Aufführung der Gluck-Oper "Alceste" von der Ruhr-Triennale nach Innsbruck zurück, aber auch Christoph Rousset ist mit seinem Ensemble "Les Talens Lyrique" zu Gast, das italienische Originalklangensemble "Il Giardino Armonico" ist dabei und Sänger wie Valer Sabadus oder Julian Prégarden sorgen für vokale Highlights. Am kommenden Wochenende wird die Reanimierung einer wiederaufgefundenen Oper von Pietro Antonio Cesti mit Teilnehmern des Cesti-Gesangswettbewerbs für einen weiteren Höhepunkt dieses Festivals sorgen.