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Innsbrucker Festwochen
Fröhlich barockes Schenkelklopfen

Im Spanischen Saal von Schloss Ambras bringt Christoph von Bernuth Niccolò Jommellis Intermezzo "Don Trastullo" auf die Bühne. Gespielt wird ohne Technik und Schnickschnack, dafür nahe am Publikum.

Von Jörn Florian Fuchs | 20.08.2015
    Rote Theaterstühle
    Innsbruck lockt in diesen Tagen mit den Festwochen der Alten Musik (picture-alliance / dpa-ZB / Patrick Pleul)
    Eigentlich verdient die mal zuckersüße, dann wieder leicht zickige Arsenia keinen der beiden. Weder den exaltiert auftrumpfenden Giambarone, noch den lächerlich liebestollen Trastullo. Beide Herren wirken zudem nicht wirklich wie Objekte weiblichen Begehrens. Aber Arsenia mag Giambarone wohl tatsächlich und für die Hochzeit braucht es Geld, was wiederum Don Trastullo reichlich besitzt, also luchst man beziehungsweise Frau es ihm ab. Es hat eine zeittypische Holterdiepolter-Dramaturgie, dieses 1749 in Rom uraufgeführte Intermezzo von Niccolò Jommelli, das als amüsanter Pausenfüller für eine opera seria diente. Im Spanischen Saal von Schloss Ambras bringt Christoph von Bernuth die Geschichte auf die Bühne, das heißt, eine Bühne gibt es dort ja eigentlich nicht, gespielt wird ohne Technik und Schnickschnack, dafür nahe am oder sogar im Publikum.
    Der spezielle Ort wird seit Jahren von den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik genutzt, Renaissance-Erzherzog Ferdinand II. hatte ihn errichten lassen, mit viel Holz, kostbaren Intarsien und einer Unzahl von Porträts edler Habsburger. Opernaufführungen im Spanischen Saal finden grundsätzlich semi-szenisch statt, wie Dramaturg Rainer Lepuschitz erläutert:
    "Das Besondere am Semi-Szenischen hier ist, man kann natürlich in einen Saal, der eine so schöne, natürliche Kulisse hat, nicht auch noch ein richtiges Bühnenbild reinzaubern. Die Gegebenheiten im Saal verhindern es, dass man Scheinwerfer aufstellt, eine Lichtregie ist also nicht möglich."
    Ein Nachteil muss das nicht sein, im Gegenteil. Die Atmosphäre ist sehr intim und manchmal sogar wirklich besonders:
    "Man kann das Glück haben, wenn man eine Karte dort hat, dass man etwa neben dem Cembalisten sitzt, es ist also alles eine sehr intensive, dichte Situation."
    Jommelli erweist sich als brillanter Parodist
    Tatsächlich poltert Giambarone mehrfach durchs Publikum, er passt mit seinem altbackenen, sehr bunten Gewand allerdings nicht so recht zur Habsburger-Ahnengalerie. Einige von ihnen schienen am Premierenabend besonders streng von der Wand zu schauen. Arsenia, die Giftige, und Trastullo, der alte Geck, kommen in ähnlich rostroten Farbtönen daher, was ein bisschen unlogisch wirkt, da sich die zwei ja nun eben gerade nicht kriegen. Christoph von Bernuth animiert seine Akteure zu häufig überdrehtem Spiel und überspielt leider einige spannende Momente im Stück, die einer genaueren szenischen Analyse bedurft hätten. Trastullo ist nämlich auch Sänger und begibt sich auf Neuland, versucht sich zum Beispiel an einer sehr schwierigen, avantgardistischen Arie. Hierin geht es vor allem um – herrlich falsch verstandene – mythologische Figuren und Situationen, Jommelli erweist sich als brillanter Parodist. Ein echter Offenbach der Barockzeit! Wenn die liebestollen Kontrahenten im Kampf aufeinandertreffen, bekommen es beide mit der Angst zu tun und flüchten sich in virtuose Ausflüchteleien. Das hätte man mit etwas mehr Tiefgang zeigen können.
    Nichtsdestotrotz, unterhaltsam ist die Sache in jedem Fall, woran vor allem Federico Sacchi als Trastullo seinen Anteil hat. Es handelt sich um eine Bass-Partie, die mit unzähligen vokalen Späßen, inklusive Abstecher ins Falsett, gespickt ist. Robin Johannsens Arsenia klingt jugendlich frisch, ab und an jedoch etwas grob. Auch Francesco Castoros Giambarone gerät manchmal ins Übersteuern. Alessandro De Marchi bringt am Pult seiner kleinbesetzten Academia Montis Regalis Jommellis schillernde Partitur zum Schwingen, besonders berührend und zugleich witzig ist der Beginn des zweiten Teils. Nach der Pause hört man Arsenia sanft aus dem Off schmachten, Flöte und Orgel begleiten sie. Urplötzlich stürzen die bisher Unsichtbaren, nebst dem Dirigenten, aufs Podium und schütteln entschuldigend die Köpfe über diese – natürlich inszenierte – Panne.