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Insektengift
Fipronil-Skandal weitet sich aus

Das Insektizid Fipronil ist über verseuchte Eier in verarbeitete Lebensmittel gelangt. Laut "Süddeutsche Zeitung" fand das Bundeslandwirtschaftsministerium in gut 100 Proben Rückstände - mehr als jeder vierte Test sei auffällig gewesen. Getestet wurden die Lebensmittel im August - als der Skandal schon im Gange war.

Von Paul Vorreiter | 10.10.2017
    Eiersalat auf einem Teller
    Über verseuchte Eier gelang Fipronil offenbar auch in die Lebensmittelkette. Betroffen sind Produkte wie Eiersalat und Backwaren. (imago/CHROMORANGE)
    Bis Ende dieses Monats sollen fast 800 Analysen von eihaltigen Lebensmitteln ausgewertet sein. Gut 450 Testergebnisse lägen bereits vor. Das Ergebnis: In gut 100 Proben sollen Prüfer Fipronil gefunden haben. Etwa 25 dieser Analysen wiesen einen Wert auf, der über dem - so wörtlich - "einschlägigen Rückstandshöchstgehalt" liege. Konkret habe das Bundeslandwirtschaftsministerium Spuren in Eierlikör, Eiersalat und in den Kategorien "feine Backwaren" und "Vollei getrocknet" registriert.
    Laut dem Bericht ist nicht auszuschließen, dass es eine höhere Dunkelziffer an betroffenen Lebensmitteln gibt. Prüfer sollen dazu angehalten worden sein, nicht so genau zu messen. Allerdings bestreiten das mehrere Landesministerien. Ganz im Gegenteil: Das Verbraucherschutzministerium in Schleswig-Holstein soll sogar die Bestimmungsgrenzen verringert haben, um möglichst empfindlich messen zu können.
    Für Rückrufe fehlte eine Rechtsgrundlage
    Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer kritisiert in dem Bericht die Haltung des Bundes als zu lax. Auch bei verarbeiteten Produkten müsste Null Toleranz gelten, sagte der Grünen-Politiker. Er wirft Bundesagrarminister Christian Schmidt von der CSU vor, zu hohe zulässige Rückstandswerte zu erlauben, damit möglichst wenig zurückgerufen werden müsse. Für die Verbraucherzentrale Bundesverband stellt sich nicht die Frage nach der Höhe der Rückstandswerte. Referentin Jutta Jaksche:
    "Zwar hat das Bundesinstitut für Risikobewertung eine gewisse Entwarnung gegeben für verarbeitete Lebensmittel, weil die entsprechenden Mengen an Fipronil nicht zu einer Gesundheitsgefahr führen aber dennoch gehört Fipronil ganz und gar nicht in Lebensmittel und deswegen sollte auch ein Nachweis dieser Rückstände unbedingt auch zu einem Rückruf dieser verarbeiteten Lebensmittel führen."
    Für Rückrufe hat bei den Herstellern allerdings eine Rechtsgrundlage gefehlt, teilte das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen mit. Das stimmt teilweise, erklärt Lena Blanken von der Organisation Foodwatch:
    "Richtig ist, dass es bisher noch einen Graubereich rechtlich gibt, wann denn tatsächlich die Öffentlichkeit informiert werden darf über gesundheitsrelevante Produkte. Das hat man damals schon beim Pferdefleischskandal festgestellt. Damals wussten Behörden auch, dass viele Produkte betroffen waren, durften aber nicht sagen, welche Produkte betroffen sind."
    Grüne und Linke fordern Konsequenzen
    Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht das anders. Es teilte mit, es sei Aufgabe der Bundesländer, die Öffentlichkeit in eigener Zuständigkeit über Erkenntnisse aus ihren Analysen zu informieren, wenn es erforderlich erscheine. Nach Angaben von Foodwatch ist lediglich ein Feinkostsalat wegen Fipronil zurückgerufen worden. Das sei nicht das einzige Problem, meint Lena Blanken:
    "Die europäische Kommission hat uns vor Wochen bestätigt, dass wenn fünf Mikrogramm überschritten sind, dass Lebensmittel dann zurückgerufen werden müssen, die deutschen Behörden sagen jetzt, dass erst ab 750 Mikrogramm zurückgerufen werden muss, das ist ein riesengroßer Wert, aus unserer Sicht viel zu hoch".
    Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, CSU, müsse dafür sorgen, dass Fipronilbelastete Lebensmittel "konsequent aus dem Verkehr gezogen werden". Auch eine bessere Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit bei verarbeiteten Eiern sei nötig. Die Linken-Politikerin Karin Binder fordert einheitliche Standards für den Datenaustausch zur Lebensmittelsicherheit.
    Fipronil ist ein Insektengift, das bei Hunden und Katzen gegen Läuse eingesetzt wird, in der Lebensmitteltierhaltung ist es allerdings verboten. Fipronil war in diesem Sommer jedoch bei der Reinigung von Hühner-Ställen in den Niederlanden eingesetzt worden. Belastete Eier gelangten dann nach Deutschland. In der Folge mussten Millionen Eier zurückgeholt werden. Viele Legehennenbetriebe wurden gesperrt.