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Insektenschutz
Herr der Mücken

Physik. - Malaria fordert Schätzungen zufolge jährlich mehr als eine Million Todesopfer. Die übertragenden Stechmücken sind nicht einfach zu bekämpfen, weil man sie erst einmal finden muss. Ein Informatiker der Universität von Kalifornien arbeitet an einer Maschine, die fliegende Insekten automatisch erkennt. Dafür nutzt er Laser und selbstlernende Computerprogramme.

Von Piotr Heller | 10.07.2014
    Eine weibliche Gelbfiebermücke saugt menschliches Blut.
    Ein Computerprogramm erkennt Stechmücken an ihrem Flügelschlag. (picture alliance / dpa / James Gathany / CDC)
    Als Eamonn Keogh ein Kind war, hat er sich einmal einen Agentenfilm angeschaut. Und eine Szene ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben, denn sie brachte ihn auf eine Idee.
    "Es war etwas in der Art eines James Bond Films. Und in einer Szene zeigten sie einen Trick: Angenommen jemand spricht in einen Raum. Dann vibrieren die Fenster des Raums durch die Sprache. Will man die Person belauschen, kann man einen Laser auf das Fensterglas richten. Das Glas reflektiert den Laserstrahl und aus der Reflexion kann man die Vibrationen der Fensterscheibe ermitteln. Und somit auch die Geräusche in dem Raum. Als ich das sah, fragte ich mich: Was würde passieren, wenn ein Insekt durch den Laserstrahl fliegen würde? Und ich habe erkannt, dass man dann das Geräusch des Insekts hören würde."
    Mittlerweile ist Keogh Informatikprofessor an der Universität von Kalifornien. Vor zehn Jahren befasste er sich mit der Frage, wie man die Spezies eines Insekts automatisch bestimmen kann. Er erinnerte sich an die Szene und baute einen Insekten-Sensor, der nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert wie der Laser im Film.
    "Wir haben jetzt einen sehr einfachen Sensor. Er besteht aus einer Lichtquelle und einer Fotodiode. Die Fotodiode misst, wie viel Licht sie abbekommt. Fliegt jetzt ein Insekt durch das Licht, wirft es einen Schatten auf die Diode. Und der Schatten der Flügel verrät uns, wie schnell das Insekt schlägt."
    Wandelt man diese Daten in Töne um, hört man die Insekten im Licht des Sensors summen. Schon mit bloßem Ohr erkennt man dabei Unterschiede zwischen dem Summen der männlichen Gelbfiebermücke und dem der weiblichen. Und zwischen der weiblichen Südlichen Hausmücke, die auch das West-Nil-Virus überträgt, und einem männlichen Vertreter. Deutlich tiefer klingt die Stubenfliege. Aus diesen Geräuschen können Computer erkennen, um welches Insekt es sich handelt. So könnten die Sensoren in Zukunft Insekten zählen, oder ein Gift versprühen, sobald sie gefährliche Mücken erkannt haben. Von diesem Ansatz scheint zumindest die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung überzeugt zu ein, denn sie unterstützte das Projekt bisher mit 200.000 Dollar. Es stellt sich aber die Frage, warum solche Systeme nötig sind. Wozu den Insektenschutz digitalisieren?
    "Insektenpopulationen verändern sich und wachsen sehr schnell. Wenn ich also jede Woche die Zahl der Mücken prüfe, dann habe ich, sobald ich einen Befall bemerke, bereits ein großes Problem. Meine Hoffnung ist also, dass unsere Sensoren irgendwann fast minutengenau den Insektenbefall messen. Denn erkenne ich den Befall in einem frühen Stadium, komme ich mit viel weniger Insektengift aus."
    Bis es so weit ist, muss noch viel passieren. Die Forscher um Eamonn Keogh züchten Insekten im Labor. Sie lassen die Tiere durch die Sensoren fliegen, ein Computeralgorithmus analysiert deren Geräusche und lernt von alleine, die Insekten zu unterscheiden. 20 Arten hat er bisher drauf. Das ist nicht viel, gibt es doch allein bei den Steckmücken 3500 Arten auf der Welt. Um den Lernprozess zu beschleunigen, will Keogh bald 1000 Sensoren an Insektenkundler verteilen, damit sie ihm Daten aus dem Feld liefern. Und Schulkinder auf der ganzen Welt will er auch einbeziehen.
    "Sie würden auf ein Feld in ihrer Gegend gehen, einige Insekten fangen und sie durch den Sensor fliegen lassen. Die Daten würden sie uns schicken, natürlich mit einem Exemplar des Insekts. So können wir es klassifizieren und wüssten, was es ist."
    Bei diesem Plan kommt dem Forscher entgegen, dass er die Sensoren so einfach wie möglich hält. Zehn Euro kostet einer momentan. Den Preis will Eamonn Keogh noch halbieren. Und er muss den Maschinen die Kinderkrankheiten austreiben. Als er jüngst einen Sensor auf einem Feld einsetzen wollte, fraß eine Maus alle Kabel auf. Wenn er diese Schwierigkeiten in den Griff bekommt, könnten irgendwann Hunderttausende oder Millionen der Sensoren nach Insekten horchen.