Donnerstag, 25. April 2024

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Instagram in der Grundschule?
Wie Kinder sicher im Netz unterwegs sein können

Das von Facebook geplante Angebot "Instagram Kids" kommt erst mal nicht. Dennoch könne man Jüngere nicht von Social-Media-Plattformen fernhalten, sagt Medienpädagogin Iren Schulz. Besser sei es, wirklich kindgerechte Angebote zu schaffen - und Kinder bei der Nutzung zu begleiten.

Von Lena Fuhrmann | 13.10.2021
Ein Mädchen liegt auf seinem Bett im Kinderzimmer und schaut auf ein Smartphone (gestellte Szene).
Viele Kinder sind schon früh alleine im Netz unterwegs (dpa \ Mascha Brichta)
Meldet sich eine neue Nutzerin oder ein neuer Nutzer bei Instagram an, fragt die Plattform nach dem Geburtsdatum. Der Grund: Die Registrierung ist erst ab 13 Jahren erlaubt – zumindest theoretisch. Denn nachgeprüft wird die Altersangabe bisher nicht. So tummeln sich auch deutlich Jüngere im sozialen Netzwerk.

Nutzerin: "Das kann wirklich sehr krass werden"

Emilia ist 13 und seit einem Jahr auf Instagram aktiv. Dort bleibt sie mit Freundinnen und Freunden in Kontakt und folgt ihren Lieblingsinfluencern. Dass das für Kinder auch gefährlich sein kann, ist ihr bewusst:
"Ich finde es prinzipiell schon schön und ich gucke da auch täglich rein. Aber ich glaube, es ist so, dass man da auch wirklich tief fallen kann. Wenn man sich gerade halt ein Vorbild nimmt und versucht, auch so perfekt zu sein und auch so den Tagesablauf zu gestalten. Ich glaube, das kann dann auch wirklich sehr krass werden, wenn man immer dieses Ideal so verfolgen möchte", sagt Emilia.
Eine junge Frau in weißem Kleid, umrahmt von Licht und Schatten, Fashion
Schönheitsideale bei Instagram und Co.
In der Werbung und den sozialen Medien werden ständig makellose Körper präsentiert - dank nachbearbeitetet Bilder. In Norwegen gilt dafür bald eine Kennzeichnungspflicht, so wie jetzt schon in einigen anderen Ländern.
Problematische Körperbilder sind dabei nur eine Gefahr von vielen. Rund jeder zehnte Zwölf- bis 19-Jährige ist betroffen von Cybermobbing. Immer wieder kommt es in sozialen Netzwerken zu sexueller Belästigung von Minderjährigen. Auch Emilia bekommt bei Instagram sexuelle Nachrichten von Bot-Profilen – kindgerecht ist das nicht. Bei Facebooks Projekt "Instagram Kids" soll es solchen Content nicht mehr geben. Die Zielgruppe sind Zehn- bis Zwölf-Jährige, deren Eltern die Anmeldung zu Beginn bestätigen müssen. Diese altersgerechte Version des Social-Media-Riesen soll sogar ganz ohne Werbung auskommen.

Kindgerechte Moderation ist aufwendig

Iren Schulz – Mediencoach und Mitglied der Initiative "Schau hin" – findet die Grundidee aus pädagogischer Sicht durchaus sinnvoll:
"In Deutschland wäre es sehr wünschenswert, wenn es mal eine Social-Media-Plattform geben würde, die wirklich für Kinder sicher ist. Das bedeutet aber, dass man wirklich eine Altersverifikation hat, dass man wirklich weiß, wer da angemeldet ist und wer sich hinter den Profilen verbirgt und es müsste jeder Post, jeder Beitrag moderiert und freigeschaltet werden nach einer Sichtung."
Ein großer Aufwand für Instagram und marktwirtschaftlich wenig lukrativ. Zahlreiche Kinder- und Verbraucherschutzgruppen befürchteten daher zu Recht, dass es bei "Instagram Kids" nicht in erster Linie um die Sicherheit oder psychische Gesundheit von Kindern gehe, sondern vor allem darum, immer jüngere Kunden an sich zu binden.

Schule und Eltern in der Verantwortung

Andere Plattformen machen es schließlich vor – beispielsweise die Konkurrenz TikTok. Rund 100 Organisationen, Expertinnen und Experten forderten daher bereits im April in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg, die Entwicklung von Instagram Kids zu stoppen. Die Plattform nutze bewusst die Angst junger Menschen aus, etwas zu verpassen. Hier einen sinnvollen Konsens zwischen Pädagogen und Unternehmen zu finden, sei schwierig, so Schulz. Nichtsdestotrotz müsse man miteinander sprechen:
"Man wird Kinder und Jugendliche nicht von Social Media-Plattformen fernhalten können. Die Entwicklungen werden weitergehen, das Ganze wird immer noch vernetzter werden. Also ist es gut, Angebote danach zu schaffen."
Und um diese sicher zu nutzen, stehen Bildungseinrichtungen und Eltern in der Verantwortung aufzuklären, sagt Iren Schulz: Schon in der Grundschule sollte Medienerziehung fest im Stundenplan verankert sein. Zugleich seien Eltern gefragt, Interesse zu zeigen und als Vorbild zu agieren.
Das findet auch Emilias Vater Marcus wichtig. Gemeinsam mit seiner Tochter hat er ihren Instagram-Account eingerichtet und spricht offen mit ihr über mögliche Gefahren im Netz. Das sei besser, als sein Kind zu kontrollieren und gänzlich von sozialen Medien fernzuhalten:
"Man wächst ja nicht im Paradies auf und baut einen großen Zaun um sein Haus und um seine Gedanken, um seine Augen. Es hat keinen Sinn, die Augen davor zu verschließen, was einen umgibt. Man muss einfach als Eltern signalisieren, dass man immer da ist für jedes Problem und muss die Kinder sensibilisieren und sagen: Wenn irgendwas ist, mit dem du nicht zurechtkommst, dann komm bitte zu uns, dann lass uns drüber reden."

Jedes Kind ist anders

Iren Schulz empfiehlt Eltern, sich die AGBs der Plattformen genau anzuschauen und die bisher möglichen Sicherheitsvorkehrungen für ihre Kinder einzurichten. Bei Unsicherheiten bieten Initiativen wie "Schau hin" Tipps zu einer gesunden Mediennutzung und Jugendschutzfragen. Ein Allgemeinrezept gibt es jedoch nicht, denn jedes Kind ist anders, sagt sie: "Das Wichtigste ist eigentlich, sich zusammen mit seinem Kind hinzusetzen und mal zu gucken, wie können wir das denn jetzt gut hinkriegen."
Ob "Instagram Kids" in Kürze online geht oder nicht und ob es die gewünschte sichere Alternative für Kinder sein kann, bleibt abzuwarten. Vorerst gab Instagram zumindest nach massiver Kritik durch Kinder- und Jugendschutzorganisationen bekannt, die Entwicklung zu pausieren. Dranbleiben wolle man trotzdem.