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Institut für Sozialforschung
Gründungsstätte der Kritischen Theorie auf dem Prüfstand

Das Frankfurter Institut für Sozialforschung (IfS) ist die Keimzelle der "Kritischen Theorie" der sogenannten Frankfurter Schule und untrennbar mit den Namen Adorno, Horkheimer und Habermas verbunden. Um die Existenz am Standort Frankfurt dauerhaft zu sichern, empfiehlt der Wissenschaftsrat eine stärkere Kooperation mit der dortigen Goethe-Uni. Da aber kennen viele Studierende das Institut gar nicht.

Von Ludger Fittkau | 27.10.2015
    Der Schriftzug "Johann Wolfgang Goethe-Universität" auf dem Campus Westend in Frankfurt am Main über dem Eingang zum Hauptgebäude.
    Der Campus Westend der Goethe-Uni (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Studentin: "Nicht so richtig, nein."
    Reporter: "Adorno, Horkheimer, Kritische Theorie?"
    Studentin: "Nicht so richtig, nein."
    Zweite Studentin: "Ne, gar nicht!"
    Dritte Studentin: "Auch nicht."
    Reporter: "Die Namen Horkheimer, Adorno – sagen die ihnen was?"
    Studentin: "Ich kenne das nur, weil sie auf dem Campus den Platz in Adorno-Platz umbenannt haben."
    Vielen Studierenden der Frankfurter Goethe-Universität sagt das Institut für Sozialforschung rein gar nichts. Selbst in der Soziologie und bei den angehenden Historikern haben einige von der Keimzelle der Kritischen Theorie noch nie etwas gehört. Laut Geschichtsstudentin Iris Prelante begegnet der Name Theodor W. Adorno vielen Studierenden aktuell tatsächlich nur noch auf Straßenschildern auf dem Campus Westend:
    "Ich höre immer von anderen Leuten, dass die Uni Frankfurt sich immer so krass mit der Kritischen Theorie brüstet, jetzt auch die Umbenennung zum Theodor-W- Adorno-Platz. Aber dass das in der Theorie gar nicht so fortgeführt wird, also dass Adorno so zum Maskottchen der Uni gemacht wird."
    Wissenschaftsrat fordert bessere Finanzausstattung für das Institut
    Inhaltlich könnte also eine stärkere Kooperation des Instituts für Sozialforschung mit der Universität nicht schaden, wie sie der Wissenschaftsrat fordert. Das sieht grundsätzlich auch Reinhart Bartholomäi so, der Vorsitzende des Stiftungsrates des Instituts:
    "Das Institut ist gegründet worden in der Weimarer Republik eigentlich gegen die Universität. Und auch die Rückkehrer Horkheimer und Adorno hatten auch das Gefühl, dass sie sich abgrenzen müssen. Die beiden hatten einen sehr skeptischen Umgang mit ihrer Umgebung."
    Das habe sich inzwischen vollständig verändert, so Bartholomäi:
    "Das heißt, die Beziehungen zur Universität sind viel lockerer. Sie sind auch gut zu anderen Universitäten in einer Art und Weise, wie das in der Institutsgeschichte gar nicht normal ist, gibt es internationale Kooperationen. Kooperationen mit anderen Universitäten. Ich sehe das auf einem guten Weg. Da gibt es überhaupt keine Hemmungen von Seiten des Instituts mehr."
    Reinhart Bartholomäi kann sich auch vorstellen, dass es zu dem vom Wissenschaftsrat geforderten Vertrag mit der Frankfurter Goethe-Uni kommt. Darin soll etwa geregelt werden, dass die Direktorin beziehungsweise der Direktor des Instituts für Sozialforschung künftig gemeinsam mit der Uni berufen wird. Ebenso soll eine gemeinsame Strategie zur Erschließung und Digitalisierung des Adorno-Nachlasses und der Institutsbibliothek entwickelt werden. Der Wissenschaftsrat fordert dafür eine bessere Finanzausstattung für das Institut. Stiftungsratsvorsitzender Bartholomäi kann da nur zustimmen:
    "Das ist völlig richtig. Auf der einen Seite, wenn man das liest als Stiftungsratsvorsitzender, dann freut man sich darüber, dass ein kritisches Gremium, in dem auch Konkurrenzinstitute sind, die Arbeit des Instituts loben und ihm Noten geben teilweise von sehr gut bis exzellent. Das hat mich gefreut, das war die erste Reaktion. Die zweite Reaktion war die: Es ist völlig richtig, dass der Wissenschaftsrat festgestellt hat: Das Institut arbeitet mit einem Minimum an Personal und einem Maximum an Zeitaufwand. Jede Fußball-Mannschaft könnte das nicht über mehrere Perioden durchhalten."
    Das Land Hessen, das die Evaluierung des Instituts für Sozialforschung durch den Wissenschaftsrat initiiert hatte, kündigt für den November Gespräche mit den Sachwaltern der Kritischen Theorie zu den Vorschlägen des Wissenschaftsrates an. Ebenso wie die Uni Frankfurt am Main will man bis dahin nicht öffentlich zum Gutachten Stellung nehmen.
    Thorsten Schweiger, der im 8. Semester Kommunikationsdesign an der Goethe-Uni studiert, hofft jedoch, dass die Kritische Theorie der Frankfurter Schule künftig wieder sichtbarer wird. Denn sie werde gebraucht:
    "Kritische Theorie ist enorm wichtig für eine lebendige Gesellschaft. Die eigenen Handlungsmuster zu hinterfragen, gerade in Zeiten eines rechten Rollbacks und von Pegida und so weiter, wäre es umso wichtiger zu erkennen, dass die Kritische Theorie da was leisten könnte um zu sehen: Was passiert gerade in der Gesellschaft, welche Mechanismen wirken da dahinter?